Benutzer:VolkoV/Briefspiel Leobrecht
"Hört mich an, Streiterinnen der Freiheit! Seid wachsam Verteidiger der Entrechteten!", Yesatania schaute über die versammelten Zuhörer. Die übliche Mischung aus Bürgerlichen aus der nahen Kleinstadt Praioslob und buntem Landvolk. In der Ecke saßen sogar ein paar Zwerge. Alles in allem halbwegs wohlhabende Schlunder, die abwägen mussten, was sie mit ihr gewinnen und was sie verlieren könnten.
Die Rechnung würde in der aktuellen Situation zu Yeasatanias Ungunsten ausgehen, es ist also wichtig, sie eher emotional als logisch zu gewinnen. Sie wusste nicht, wie oft sie diese eine traurige Geschichte über die Gosse des Südquartiers erzählt hatte. Aber sie wirkte wie immer: Den Bürgerlichen rechnete sie vor, wie die Kaiserin für ihre Prunksucht in deren Säckel greift, dem Landvolk verkaufte sie den Traum von Freiheit. Es wurde Zeit für das Finale, den Appell.
"Ich sage Euch: Wir sind und bleiben von Geburt an frei und gleich an Rechten!" - ein zustimmendes Gemurmel ging durch den Saal der kleinen Waldschenke.
"Ich sage Euch: Diese Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was anderen nicht schadet!" - erste zornige Stimmen.
"Ich sage Euch: Die freie Äußerung von Meinung und Gedanken ist das kostbarste Recht eines jeden von uns!" - gemeinsame, laute Zustimmung schalte ihr entgegen. Die Regel der dreifachen Wiederholung funktioniert fast immer, so wie Elmenbarth sie es gelehrt hatte.
"Wer uns diese Rechte einschränkt, verstößt gegen den göttlichen Willen des Herrn Nandus! Denn das göttliche Einhorn wünscht sich eine Reich, in der diese Freiheit Gesetz ist."
"Ja genau!", der als Bauer verkleidete Roderick mitten im Saal stand auf, "ich beuge mein Knie nur vor Göttern!" Roderick spielte seine Rolle wie gewohnt gut. Einige weitere Zuschauer sprangen ebenfalls zustimmend auf. Die Stimmung im Saal begann zu köcheln."
"Ein solches Gesetz kann nur Ausdruck des allgemeinen Willens sein. Und das heißt, wir alle müssen das Recht haben, dieses Gesetz persönlich zu mitzugestalten. Ein Reich, in der die Verbürgung solcher Rechte nicht gesichert ist, hat keine Verfassung. Und ohne Verfassung kein Staat. Und ohne Staat keine Herrschaft."
Yesatania musste sich jetzt sichtlich anstrengen, um die Rufe im Saal an Lautstärke zu überwinden, ohne das ihre Stimme kippte: "Hört mir zu! Schüttelt die Ketten ab! Streitet für die Freiheit! Verteidigt die Entrechteten!"
Sie hatte in der Woge der Begeisterung die Aufmerksamkeit schleifen lassen und sah plötzlich Roderick wild mit dem roten Tuch winken. Das war das Zeichen von außen - die Obrigkeit war da, es war Zeit zu verschwinden.
Yesatania sprang von dem Tisch auf dem sie ihre Rede gehalten hatte auf die Theke hinter der die Wirtin bereits die Klappe zum Keller geöffnet hatte und nahm dann den vorbesprochenen Weg zu der Rampe, über die die Bierkutscher normalerweise die Fässer in den Keller rollen.
Bevor sie in die Nacht trat wendete sie ihren Mantel von der auffäligen grünen auf die schlichte graue Seite und band sich die langen Haare hoch, um sie unter einem Barett zu verstecken.
Die Kälte schlug ihr entgegen und ihr wurde klar, dass etwas nicht wie geplant lief: Das Pferd war weg.
Atemlos lehnte Yesatania an einem Baum. Das Wäldchen war das einzig vernünftige Versteck in der Nähe, ansonsten gab es nur Wiesen und Felder, da wäre sie auch im schwachen Licht des Madamals schnell zu finden gewesen.
"Euer Gnaden, bitte erschreckt jetzt nicht", der geflüsterte Satz hatte natürlich den gegenteiligen Effekt. Yesatania erschrak ungemein und wirbelte herum.
Der großgewachsene Magus in seiner weißen Robe mit Stab und spitzen Hut wirkte hier mitten im Wald, zumal in dieser Situation so komisch, das Yesatania laut auflachen musste.
"Ich... ähm... hatte mit einigen Reaktionen Eurerseits gerechnet. Ein Wurfmesser, eine Rangelei, eine versuchte Flucht oder vielleicht alles drei. Das ich ausgelacht werde, kommt recht unerwartet."
Yesatania wurde plötzlich der Ernst der Lage wieder bewusst, "Wohlgelehrter Herr, ich... ähm... Ihr hört mich aus Überraschung lachen."
"Das scheint mir eine akzeptable Erklärung zu sein. Ich hoffe Ihro Gnaden geht es - entsprechend der Umstände natürlich - gut? Ihr mögt Euch vielleicht nicht erinnern, aber wir sind uns dereinst in Sancta Ancillae begegnet, aber Ihr ward noch recht jung."
Wenn sich Yesatania auf etwas verlassen konnte, war das ihr gutes Gedächtnis. Der Hinweis reichte aus, dass sich in ihrem Geiste die Verbindungen auffrischten: "Aber natürlich... Ihr seid... der Zauberer von Ox!"