Geschichten:Die Brut der Geißel

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Version vom 19. November 2025, 16:30 Uhr von Schwingenfels (D | B)
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„Sie sind zurück, Herrin!“ – der Ruf des Knechts schnitt wie ein Messer durch die Stille des Hofes. Cerella von Eichenblatt fuhr hoch, ihr Herz schlug schneller. Ihr Blick glitt zu den Ställen des kleinen Gutshofes, der seit dem Herbst ihr neues Zuhause war – ein Ort, der mehr Käfig als Zuflucht schien.

Geron stieg vom Pferd, sein Lächeln hellte den Hof für einen Augenblick auf. Lurian, der Älteste, rannte ihm entgegen, strahlend wie die Sonne nach einem Sturm. „Na, wie geht es meinem Großen?“ fragte Geron und fuhr dem Jungen durchs Haar. „Gut, Papa! Nimmgalf hat mich auf dem Pony reiten lassen. Bald werde ich genauso ein Ritter wie du!“ Stolz funkelte in den Augen des Kindes, ein Stolz, der Cerella zugleich erschreckte.

Gerons Lächeln erstarb, als er zu seiner Frau trat. Cerellas Miene war undurchdringlich, doch in ihren Augen lag die Angst, die sie seit Wochen nicht mehr losließ. Bei jedem Hufschlag fürchtete sie, es könnten die Häscher der Gräfin sein – oder gar der Ogerfresser. Geron wandte sich dem Jungen zu. „Ich bin müde. Würdest Du Nimmgalf sagen, dass er sich um mein Pferd kümmern soll?“ „Natürlich, Vater!“ „Und wenn Du ihm dabei hilfst, dann darfst Du morgen eine Runde auf Arvid reiten!“ rief er seinem ältesten Sohn hinterher, während dieser den Stallknecht aufsuchte.

„Dies ist also unser zukünftiges Leben?“ fragte sie tonlos. „Mein Gemahl kommt vom Raubzug zurück und geht dann mit seinem Sohn reiten?“

Geron zuckte mit den Schultern: „Zukunft? Ha. Früher war’s nicht anders. Für Bernhelm hab ich die Drecksarbeit gemacht. Auch da hätte ich sterben können.“ Er warf den Beutel mit Münzen auf den Tisch, das Gold klirrte kalt. „Heute zahlt man mich wenigstens. Silber statt leerer Versprechungen.“ Cerella nickte: „Und ich bin es, die Todesängste ausstehen muss, ob du zurückkommst!“ „Angst? Die hattest du auch, als ich für Bernhelm zog. Nur – damals war ich sein Hund. Jetzt bin ich mein eigener.“ lachte er abschätzig.

Er schwieg einen Moment, dann knurrte: „Aber sag mir, Cerella – was willst du? Dass ich mich den Häschern stelle? Dass ich knie und um Gnade winsle?“

Cerella griff nach seiner Hand, ihre Stimme bebte. „Wir könnten im Traviakloster vorstellig werden und die Gütige um Vergebung bitten.“

Geron sah sie lange an, dann schloss er die Augen. „Ich fürchte, dafür ist es zu spät.“

Ihr Blick wanderte zu den Kindern. „Geron, ich folge Dir bedingungslos! Das weißt Du! Aber wir müssen auch an unsere Kinder denken! Lurian will jetzt schon so werden wie Du und für Gilia würden wir jetzt eigentlich eine Familie suchen, welche sie als Pagin annimmt.“ Ihr Blick ging zu dem kleinen Bett in der Ecke, wo ihr jüngster Gernot gerade seinen Mittagsschlaf hielt.

Geron kratzte sich hinter dem Ohr, seine Stimme wurde tiefer, fast ein Knurren: „Seit dem Herbst sind wir keine normale Familie mehr, Cerella.“ Cerella sprang auf. „Das weiß ich doch! Wir sind Heckenritter!“ Geron atmete schwer, dann sprach er langsamer, als wolle er jedes Wort in Stein meißeln: „Lurian würde es nicht verstehen, wenn wir ihn jetzt weggeben. Er ist acht – er sieht, hört, begreift mehr, als uns lieb ist. Ein falsches Wort, und er führt die Häscher direkt hierher.“

Er beugte sich vor, seine Augen funkelten. „Gilia dagegen… sie könnte ich als Pagin nach Finsterstein bringen.“ Cerellas Augen weiteten sich. „Finsterstein?“ Ihre Stimme bebte. „Du weißt, was man über diesen Ort sagt.“ Geron lächelte kalt, verschwörerisch. „Gneisgold von Gnisterholm schuldet mir noch etwas. Und seine Söhne – ja, eine Bande ohne Furcht, ohne Respekt. Aber genau das macht sie nützlich. Wir sind nicht in der Position, uns Freunde auszusuchen.“

Er senkte die Stimme, fast ein Flüstern: „Außerdem hat Gneisgold auch noch eine Tochter. Eine nette Tochter.“ Ein kurzes, hartes Lachen entfuhr ihm. „Manchmal ist es besser, wenn man sich mit Wölfen verbündet, statt allein im Wald zu sterben.“

Cerella blieb reglos stehen. Ihr Blick wanderte zu dem kleinen Bett in der Ecke, wo Gernot friedlich schlief. Für einen Augenblick schien die Welt stillzustehen. Sie strich sich über die Stirn, als wolle sie die dunklen Worte ihres Mannes fortwischen, doch ihre Augen verrieten die Wahrheit: Angst, die sie nicht mehr losließ.

Leise, fast unhörbar, hauchte sie: „Und was wird aus unseren Kindern?“



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Texte der Hauptreihe:
K1. Teil 1
K2. Teil 2
K3. Teil 3
5. Per 1022 BF
Teil 1


Kapitel 1

Teil 2