Geschichten:Odilbert und Niope – Schlechtes Schlunder Wetter

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Burg Oberhartsteen, Mitte Efferd 1042 BF

»Sind sie endlich weg?«

Dem Landvogt von Hartsteen, Egbert von Lepel schlich ein boshaftes Lächeln über das Gesicht, als er die sauertöpfische Miene des gräflichen Truchsess, Retodan von Hartwalden-Hartsteen, bemerkte. Es machte ihm eine große Freude die „Schlunder Hofschranze von Graf Luidor“ – wie er ihn gerne verächtlich im Kreis seiner Vertrauten und Pfalzgraf Parinor gegenüber nannte – ernstlich getroffen zu sehen, dass alle Adligen aus dem Umkreis des Grafen sich auf den Weg in den Kosch gemacht hatten und er gezwungen war, zurück zu bleiben.

»Bereits seit Sonnenaufgang, Lepel«, antwortete der Truchsess von Oberhartsteen knapp und wendete sich wieder einem Stapel Dokumente auf seinem vollen Schreibtisch zu. Er hatte die Fenster zu seiner Arbeitsstube geschlossen, denn draußen begannen sich die Wolken bedrohlich zu türmen. »Wie kann ich Euch helfen?«

»Aus Neugier gefragt, Truchsess, hat sich bei der Wegeplanung noch etwas geändert? Ein Adliger aus Reichsforst hatte nachgefragt, ob die Reisegesellschaft den Weg über Steinbrücken in Linara oder durch Schwarztannen führen wird. Ich würde gerne Antwort geben, wo er sich anschließen kann.«

»Meines Wissens nach wollte Seine Hochgeboren die Reichsstraße in den Kosch nehmen und dann am Angbarer See entlang nach Burg Grauensee reisen. Das war auch der Vorschlag von Steinfelde, der ihn ja auch begleitet. Aus irgendeinem Grund wollte der junge Herr nicht durch die Grafschaft Reichsforst reisen.«

Das Lächeln von Egbert von Lepel wurde breiter. »Wahrscheinlich, weil der Luringer Graf, anders als die Cronenfurts und Roßsprunks, die alle in den Kosch versippt sind, einfach keine Lust auf diese Hochzeit hat und der junge Bräutigam das als persönlichen Affront auffasst. Mich würde es ja nicht wundern, wenn es am Reichsforster Grafenhof die eine oder andere spitze Zunge geben würde, die alles daran gesetzt hat, dass Graf Drego einen anderen wichtigen Termin hat, weil er sich heimlich mit den verprellten Schlundern solidarisiert hat.«

»Ich verstehe noch immer nicht, warum Graf Luidor seinem heißblütigen Spross diese Grille nicht aus dem Kopf getrieben hat«, seufzte der Truchsess schwer. »Das erste, was der Junge zu der Hochzeit meinte, nur keine Schlunder auf der Hochzeit. Er wolle sich nicht von Halsabschneidern und Halunken die Stimmung vermiesen lassen.«

»Ihr wisst ja wer dahinter steckt, oder?«, Lepel machte es sich auf einem der Sessel vor dem Fenster bequem, gegen das bereits schwere Regentropfen trommelten. »Von all den vielen Schwertvätern und Schwertmüttern, bei denen der zukünftige Graf das Ritterhandwerk gelernt hat, hat der Steinfelde den größten Eindruck auf ihn gemacht. Und dass der kein Zwergenfreund ist und lieber heute als morgen alle Bärtige in die Natter ersäufen lassen würde, pfeifen ja die Spatzen vom Dach. Genauso wie die Summe an Dukaten, die er seit Jahren sich weigert an seine Schuldner aus dem Schlund zurückzuzahlen.«

Wieder seufzte Retodan von Hartwalden-Hartsteen hörbar. »Es ist wirklich nicht von Vorteil, dass Hadrumir von Schwingenfels nicht wie geplant der letzte Schwertvater des Jungen geworden ist, sondern dessen verschlagener Vetter Voltan Lechmar. Ich persönlich hätte, wenn schon einen Schwingenfels, dann Oderik Dankhardt als ritterlichen Lehrer bevorzugt. Vom Hauptmann der Orbetreuer Schwingen wird der Junge mit Sicherheit lernen, welche Finten man schlagen und welche Taktiken man anwenden muss, um einen erfolgreichen Krieg zu führen – aber von ritterlichen Tugenden wird er von Graf Geismars früheren Kettenhunden nichts zu hören bekommen.«

»Ach, Truchsess, ich hätte Euch ja gar nicht so eingeschätzt. Gleich erzählt Ihr mir noch, dass er am besten im lächerlichen Fuchsrudel von Sigman Therengar über die mystische Verbindung des Herrschers mit dem Land lernen sollte«, spottete Egbert von Lepel, und erntete einen verächtlichen Blick, der alles bedeuten konnte. »Eins steht doch fest. Wenn man lernen will, wie man Kriege gewinnt, dann darf man nicht bei Verlierern lernen, sondern bei jemanden, dem die Kriegsherrin einen sichtbaren Sieg über den Feind geschenkt hat.«

Retodan von Hartwalden-Hartsteen schüttelte fassungslos den Kopf. »Wirklich, Lepel, wozu soll denn der nächste Graf von Hartsteen das Kriegshandwerk lernen? Die Familie Hartsteen hat doch erreicht, was sie wollte. Jetzt braucht's keine Kämpfer mehr in Hartsteen, sondern kluge Verwalter, die das Erreichte klug zusammenhalten und vermehren.«

Der Landvogt lachte laut auf. »Wirklich, Truchsess, ich hätte nicht gedacht, dass Ihr mich heute so gut unterhalten würdet. Ich sage Euch, die Zeichen stehen auf Sturm. Offenbar ist Rondrasil von Hartsteen überzeugt, dass der Einsturz der Natterbrücke keine Werk des Natternunholds oder eines Tierkönigs war. Jemand scheint dem Jungen den Floh ins Ohr gesetzt zu haben, dass seine Schlunder Nachbarn, in der Person des Schlunder Marschalls, der Familie Hartsteen massiv schaden wollen. Man muss ja nur mal genau hinhören, welche abstrusen Geschichten und hanebüchenen Gerüchte diese Spottdrossel im Schlund über Hartsteen verbreitet.«

Der Truchsess schwieg und brütete über seinen Dokumenten – die er gar nicht studierte sondern nur wie einen Schild vor sich hielt. Ein durchdringendes Donnergrollen rummelte vor dem Fenster und ein heftiger Wind rüttelte an den geschlossenen Butzenglasscheiben.

»Wie geht es dem Grafen?«, wechselte Lepel das Thema.

»Graf Luidor ist noch schwach von seinen letzten schweren Tagen. Ihr wisst ja, wie es dann ist.. Alles ist dann gedämpft und jeder geht wie auf Zehenspitzen. Ich verstehe nicht, warum er den Traviabund nicht hier in Garetien hat schliessen lassen, etwa in der Reichsstadt Hartsteen. Die Koscher wären sicherlich auch gerne hergereist und immerhin ist es der Traviabund des zukünftigen Hartsteener Grafen.«

Der Landvogt zuckte mit den Schultern und stand auf. »Ich habe gehört, dass auch in diesem Punkt der junge Heißsporn seinen Kopf durchgesetzt hat. Warum auch immer er in der Fremde den Traviabund eingehen will. Aber vergesst nicht, dass immerhin das Hochzeitsturnier im nächsten Rondra hier stattfinden wird.«

Längst hatte Lepel auf dem Schreibtisch erspäht, was ihn interessiert und hierher geführt hatte. Was kümmerte ihn die Hochzeit dieses verwöhnten und blasierten Hartsteener Grünschnabels mit einer dummen Koscher Schnepfe. Ihn kümmerte das Gold für seine Privatschatulle, das er für die neuesten Informationen aus der Grafenburg in guter Menge würde einstreichen können.

Ein heller Blitz zuckte. Draußen zog das Gewitter über der Burg weiter in Richtung Westen.. Bald würde es die Kaiserstadt erreicht haben.