Geschichten:Ein Lied - Nächte aus Schlamm: Unterschied zwischen den Versionen
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Nächte aus Schlamm | |||
Als die Stimmen den Burghof erreichten, war [Hauptdarsteller ist::Garetien:Ugdane von Karseitz|Ugdane]] bereits auf den Beinen. | |||
Etwas im Tonfall hatte sie aus dem Halbschlaf gerissen – kein Lachen, kein leises Plaudern nach einem gelungenen Streifzug. Nur kurze Kommandos, hastige Schritte, das harte Schlagen von Stiefeln auf Stein. Dieses Geräusch, das sich nicht mit Heimkehr verband, sondern mit Mühe. | |||
Sie öffnete die Tür, ohne sich Zeit zum Richten zu lassen. | |||
Zwei Gestalten trugen [[Hauptdarsteller ist::Garetien:Korwin von Gramfelden|Korwin]] zwischen sich. Nicht bewusstlos – aber schwer. Sein Kopf hing zur Seite, dunkle Schlieren aus Schlamm und Blut zogen sich über Wange und Schläfe. Der Lederwams war an der Schulter aufgeschlitzt, ein Ärmel zerfetzt. | |||
Ugdane blieb einen Augenblick lang stehen. | |||
Ein Herzschlag. Zwei. | |||
Dann bewegte sie sich. | |||
„Hierher“, sagte sie tonlos und schob das Tor zum inneren [[Handlungsort ist::Garetien:Ritterherrschaft Gramfelden|Gang]] auf. Die Männer folgten ihr wortlos, legten Korwin auf die Bettbank in der Kammer und verschwanden ebenso schweigsam, wie sie gekommen waren. | |||
Nun war es still. | |||
Korwin atmete schwer, aber gleichmäßig. Sein Blick flackerte, suchte Halt, fand sie schließlich. | |||
„Du siehst aus, als müsstest du kämpfen und nicht ich“, murmelte er. | |||
Ugdane presste die Lippen zusammen. Statt zu antworten, kniete sie vor ihm und öffnete die Schnallen seines Wams. Der Geruch von kaltem Eisen, Farn und getrocknetem Schweiß hing an ihm – der Geruch der Brache. Ihr Alltag. | |||
„Setz dich“, sagte sie und half ihm aus dem Leder. Unter dem Hemd schimmerte bereits ein dunkler Bluterguss über die Schulter, breit wie eine Hand. | |||
Sie tastete kurz, prüfend. | |||
Er zuckte. | |||
„Empfindsam wie eh und je.“ | |||
„Empfindsam warst du nie.“ Ugdane stand auf, holte Wasser und Leintücher. „Du bist nur zu dickköpfig, um rechtzeitig aus dem Weg zu gehen.“ | |||
Während sie ihn wusch, rannen ihre Gedanken dahin, wo sie in den vergangenen Stunden schon gewesen waren – draußen, bei ihm. Sie hatte den Tag über gearbeitet, in der Küche mit der Magd gewerkelt, Anweisungen verteilt, als wäre nichts. Doch in Wahrheit hatte sie jede Bewegung mechanisch vollzogen. Jeder Schritt dorthin, wo er nicht war. | |||
Jetzt war er da. | |||
Verwundet, müde – aber lebendig. | |||
Das Hemd löste sich von seinem Oberkörper, und die Nähe traf sie härter als erwartet. Die gespannte Linie seiner Brust, der warme Atem unter ihren Fingern, die vertraute Schwere seiner Präsenz. | |||
„Hast du auf mich gewartet?“, murmelte er. | |||
„Ich tue selten etwas anderes“, entgegnete sie leise. | |||
Die Salbe kühlte auf seiner Haut, ihre Hände arbeiteten sicher, routiniert – doch ihr Herz schlug unruhig. Als sie fertig war, bandagiert, wischte sie sich unbewusst die Hände an ihrem Kleid trocken. | |||
Sie standen sich gegenüber. | |||
Keiner sprach. | |||
Die Stunden davor drängten sich zwischen sie – die unausgesprochenen Sorgen, die verschluckten Ängste, die Sehnsucht, die sich nicht mehr zügeln ließ. | |||
Ugdane trat näher. | |||
„Du machst mir Angst“, sagte sie. | |||
Korwin hob den Blick. Seine Stimme war rau. | |||
„Und du bist der Grund, warum ich trotzdem gehe.“ | |||
Sie lachte trocken auf und grinste. „Verdammt eigennützig.“ | |||
Die Worte lösten etwas. | |||
Ohne Vorwarnung zog sie ihn zu sich. Nicht zart, nicht vorsichtig. Seine verwundete Schulter war egal auch wenn er kurz zischte; alles war egal außer diesem dichten Ziehen zwischen ihnen, das zu lange unbeachtet geblieben war. | |||
Korwins Kuss war heiß, ein wenig ungestüm, ein metallischer Geschmack noch auf seinen Lippen. Ugdanes Finger vergruben sich im Rest seines Haars. Sie spürte ihn ganz – nicht nur als Mann, sondern als Antwort auf all die einsamen Stunden. | |||
Das Liebesspiel entfaltete sich langsam, beinahe forschend. Kein hastiges Greifen, sondern ein Abtasten von Grenzen, die längst bekannt und doch noch immer neu waren – gefühlt nach nach Tagen der Trennung, Wochen der Spannung. Ugdane ließ sich führen und führte zugleich, bestimmte Tempo und Nähe, zog ihn an sich, ließ ihn wieder gehen, bis beide in diesem leisen Auf und Ab gefangen waren. | |||
Es war nichts Rohes daran. | |||
Mehr ein bewusstes Sich-Verlieren. | |||
Seine Hände zeichneten Wege über ihre Haut, folgten vertrauten Linien, hielten inne, wo sie ein Zögern spürte. Sie genoss seine Aufmerksamkeit ebenso wie die Macht darüber, sie zu lenken. Ihr Atem verdichtete sich, Herzschläge wurden lauter, Stimmen nur noch geflüstert. | |||
Als sie sich schließlich auf der Stute vereinten, war nichts Hastiges mehr dabei – nur dieses tiefe, drängende Verschmelzen zweier Körper, die sich nicht nur begehrten, sondern brauchten. | |||
Danach blieben sie liegen, eng ineinander verschränkt. | |||
Korwins Atem beruhigte sich, seine Hand ruhte schwer auf ihrem Rücken. Ugdane lauschte dem gleichmäßigen Rhythmus, der ihr fremdes und vertrautes Leben zugleich war. | |||
Sie wollte etwas sagen. | |||
Doch die Worte blieben hängen. | |||
Die Müdigkeit kam schneller, als sie erwartet hatte – ein weiches Wegsacken in seine Wärme. | |||
Der Traum begann ohne Übergang. | |||
Formen lösten sich aus der Dunkelheit, verschoben sich wieder. Gesichter erschienen – ihr eigenes, Korwins – doch zerschnitten in unvereinbare Fragmente. Augen standen dort, wo Münder sein sollten, Nasen krümmten sich in unmöglichen Winkeln, alles verschoben, verzerrt wie in den absurden Bildern eines fahrenden Malers. | |||
Der Himmel spannte sich in kaltem Violett über diese Landschaft ohne Boden. Die Brache war nur noch eine Silhouette, zerbrochen in kantige Farben. | |||
Korwin stand dort – geteilt in Schatten und Licht –, während seine Gefährten zu bloßen Linien schrumpften, kaum mehr als Andeutungen im Hintergrund. Ugdane wollte zu ihm treten, doch ihre Beine endeten in geometrischen Formen, in Dreiecken und Vierecken, unfähig, Vorwärtsbewegung zuzulassen. | |||
Zwischen ihnen hing ein Band aus blassem Gold, ragte aus ihren Herzen wie gespanne Drahtseile, vibrierte unter einer unsichtbaren Spannung. | |||
Aus dem Himmel stürzten schwarze Kreaturen, drachenähnlich verzerrt – keine wirklichen Wesen, sondern Formen aus Angst: breite Mäuler, zu große Augen, Flügel wie zerbrochenes Glas. | |||
Doch sie griffen nicht an. | |||
Sie flogen nur kreisend über der Szene, lautlos schreiend. | |||
Ugdane wusste im Traum: Sie waren nicht Feinde – sie waren Warnungen. | |||
Dann begann alles zu fließen. | |||
Die scharfkantigen Körper wurden weich, Linien zerflossen, Gesichter fanden wieder Gestalt. Der Himmel verlor seine giftige Farbe, wurde warmes Dämmerblau. | |||
Und Korwin trat vor. | |||
Ganz. | |||
Ungeteilt. | |||
Er streckte die Hand nach ihr aus. | |||
Er erreichte sie. | |||
Die Drahtseile lösten sich. | |||
Ugdane erwachte mit seinem Atem im Ohr. | |||
Seine Hand lag noch immer auf ihrem Rücken, ruhig, schwer, schützend. | |||
Keine Angst war mehr da. | |||
Nur dieses dunkle, feste Wissen: | |||
Sie hatte sich längst entschieden. | |||
Und diesmal wartete sie nicht mehr nur. | |||
Sie blieb – und stand an seiner Seite. | |||
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Aktuelle Version vom 2. Dezember 2025, 20:41 Uhr
Nächte aus Schlamm
Als die Stimmen den Burghof erreichten, war [Hauptdarsteller ist::Garetien:Ugdane von Karseitz|Ugdane]] bereits auf den Beinen.
Etwas im Tonfall hatte sie aus dem Halbschlaf gerissen – kein Lachen, kein leises Plaudern nach einem gelungenen Streifzug. Nur kurze Kommandos, hastige Schritte, das harte Schlagen von Stiefeln auf Stein. Dieses Geräusch, das sich nicht mit Heimkehr verband, sondern mit Mühe.
Sie öffnete die Tür, ohne sich Zeit zum Richten zu lassen.
Zwei Gestalten trugen Korwin zwischen sich. Nicht bewusstlos – aber schwer. Sein Kopf hing zur Seite, dunkle Schlieren aus Schlamm und Blut zogen sich über Wange und Schläfe. Der Lederwams war an der Schulter aufgeschlitzt, ein Ärmel zerfetzt.
Ugdane blieb einen Augenblick lang stehen.
Ein Herzschlag. Zwei.
Dann bewegte sie sich.
„Hierher“, sagte sie tonlos und schob das Tor zum inneren Gang auf. Die Männer folgten ihr wortlos, legten Korwin auf die Bettbank in der Kammer und verschwanden ebenso schweigsam, wie sie gekommen waren.
Nun war es still.
Korwin atmete schwer, aber gleichmäßig. Sein Blick flackerte, suchte Halt, fand sie schließlich.
„Du siehst aus, als müsstest du kämpfen und nicht ich“, murmelte er.
Ugdane presste die Lippen zusammen. Statt zu antworten, kniete sie vor ihm und öffnete die Schnallen seines Wams. Der Geruch von kaltem Eisen, Farn und getrocknetem Schweiß hing an ihm – der Geruch der Brache. Ihr Alltag.
„Setz dich“, sagte sie und half ihm aus dem Leder. Unter dem Hemd schimmerte bereits ein dunkler Bluterguss über die Schulter, breit wie eine Hand.
Sie tastete kurz, prüfend.
Er zuckte. „Empfindsam wie eh und je.“
„Empfindsam warst du nie.“ Ugdane stand auf, holte Wasser und Leintücher. „Du bist nur zu dickköpfig, um rechtzeitig aus dem Weg zu gehen.“
Während sie ihn wusch, rannen ihre Gedanken dahin, wo sie in den vergangenen Stunden schon gewesen waren – draußen, bei ihm. Sie hatte den Tag über gearbeitet, in der Küche mit der Magd gewerkelt, Anweisungen verteilt, als wäre nichts. Doch in Wahrheit hatte sie jede Bewegung mechanisch vollzogen. Jeder Schritt dorthin, wo er nicht war.
Jetzt war er da.
Verwundet, müde – aber lebendig.
Das Hemd löste sich von seinem Oberkörper, und die Nähe traf sie härter als erwartet. Die gespannte Linie seiner Brust, der warme Atem unter ihren Fingern, die vertraute Schwere seiner Präsenz.
„Hast du auf mich gewartet?“, murmelte er.
„Ich tue selten etwas anderes“, entgegnete sie leise.
Die Salbe kühlte auf seiner Haut, ihre Hände arbeiteten sicher, routiniert – doch ihr Herz schlug unruhig. Als sie fertig war, bandagiert, wischte sie sich unbewusst die Hände an ihrem Kleid trocken.
Sie standen sich gegenüber.
Keiner sprach.
Die Stunden davor drängten sich zwischen sie – die unausgesprochenen Sorgen, die verschluckten Ängste, die Sehnsucht, die sich nicht mehr zügeln ließ.
Ugdane trat näher.
„Du machst mir Angst“, sagte sie.
Korwin hob den Blick. Seine Stimme war rau. „Und du bist der Grund, warum ich trotzdem gehe.“
Sie lachte trocken auf und grinste. „Verdammt eigennützig.“
Die Worte lösten etwas.
Ohne Vorwarnung zog sie ihn zu sich. Nicht zart, nicht vorsichtig. Seine verwundete Schulter war egal auch wenn er kurz zischte; alles war egal außer diesem dichten Ziehen zwischen ihnen, das zu lange unbeachtet geblieben war.
Korwins Kuss war heiß, ein wenig ungestüm, ein metallischer Geschmack noch auf seinen Lippen. Ugdanes Finger vergruben sich im Rest seines Haars. Sie spürte ihn ganz – nicht nur als Mann, sondern als Antwort auf all die einsamen Stunden.
Das Liebesspiel entfaltete sich langsam, beinahe forschend. Kein hastiges Greifen, sondern ein Abtasten von Grenzen, die längst bekannt und doch noch immer neu waren – gefühlt nach nach Tagen der Trennung, Wochen der Spannung. Ugdane ließ sich führen und führte zugleich, bestimmte Tempo und Nähe, zog ihn an sich, ließ ihn wieder gehen, bis beide in diesem leisen Auf und Ab gefangen waren.
Es war nichts Rohes daran.
Mehr ein bewusstes Sich-Verlieren.
Seine Hände zeichneten Wege über ihre Haut, folgten vertrauten Linien, hielten inne, wo sie ein Zögern spürte. Sie genoss seine Aufmerksamkeit ebenso wie die Macht darüber, sie zu lenken. Ihr Atem verdichtete sich, Herzschläge wurden lauter, Stimmen nur noch geflüstert.
Als sie sich schließlich auf der Stute vereinten, war nichts Hastiges mehr dabei – nur dieses tiefe, drängende Verschmelzen zweier Körper, die sich nicht nur begehrten, sondern brauchten.
Danach blieben sie liegen, eng ineinander verschränkt.
Korwins Atem beruhigte sich, seine Hand ruhte schwer auf ihrem Rücken. Ugdane lauschte dem gleichmäßigen Rhythmus, der ihr fremdes und vertrautes Leben zugleich war.
Sie wollte etwas sagen.
Doch die Worte blieben hängen.
Die Müdigkeit kam schneller, als sie erwartet hatte – ein weiches Wegsacken in seine Wärme.
Der Traum begann ohne Übergang.
Formen lösten sich aus der Dunkelheit, verschoben sich wieder. Gesichter erschienen – ihr eigenes, Korwins – doch zerschnitten in unvereinbare Fragmente. Augen standen dort, wo Münder sein sollten, Nasen krümmten sich in unmöglichen Winkeln, alles verschoben, verzerrt wie in den absurden Bildern eines fahrenden Malers.
Der Himmel spannte sich in kaltem Violett über diese Landschaft ohne Boden. Die Brache war nur noch eine Silhouette, zerbrochen in kantige Farben.
Korwin stand dort – geteilt in Schatten und Licht –, während seine Gefährten zu bloßen Linien schrumpften, kaum mehr als Andeutungen im Hintergrund. Ugdane wollte zu ihm treten, doch ihre Beine endeten in geometrischen Formen, in Dreiecken und Vierecken, unfähig, Vorwärtsbewegung zuzulassen.
Zwischen ihnen hing ein Band aus blassem Gold, ragte aus ihren Herzen wie gespanne Drahtseile, vibrierte unter einer unsichtbaren Spannung.
Aus dem Himmel stürzten schwarze Kreaturen, drachenähnlich verzerrt – keine wirklichen Wesen, sondern Formen aus Angst: breite Mäuler, zu große Augen, Flügel wie zerbrochenes Glas.
Doch sie griffen nicht an.
Sie flogen nur kreisend über der Szene, lautlos schreiend.
Ugdane wusste im Traum: Sie waren nicht Feinde – sie waren Warnungen.
Dann begann alles zu fließen.
Die scharfkantigen Körper wurden weich, Linien zerflossen, Gesichter fanden wieder Gestalt. Der Himmel verlor seine giftige Farbe, wurde warmes Dämmerblau.
Und Korwin trat vor.
Ganz.
Ungeteilt.
Er streckte die Hand nach ihr aus.
Er erreichte sie.
Die Drahtseile lösten sich.
Ugdane erwachte mit seinem Atem im Ohr.
Seine Hand lag noch immer auf ihrem Rücken, ruhig, schwer, schützend.
Keine Angst war mehr da.
Nur dieses dunkle, feste Wissen:
Sie hatte sich längst entschieden.
Und diesmal wartete sie nicht mehr nur.
Sie blieb – und stand an seiner Seite.