Geschichten:Wut, Zorn und ein neuer Plan

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Wut. Wut und Zorn loderten immer noch hell in des Seneschalls Herzen, obgleich das auslösende Ereignis nun bereits fünf Tage zurücklag. Fünf Tage, in denen es Zordan von Rabicum nur mit größter Mühe vermocht hatte, sich diese starken Regungen nicht anmerken oder gar offen Bahn brechen zu lassen. Dann, endlich, konnte er unter einem Vorwand für eine Weile in seine Baronie reisen, ohne dass sein Umfeld dies als ‚Flucht‘ nach seiner unerwarteten – Niederlage? Brüskierung? Demütigung? – auffassen konnte. Der Alte wusste selbst noch nicht so recht, welcher dieser Begriffe die Ereignisse auf Perringrund am treffendsten beschrieb. Vermutlich passten alle drei gleichermaßen gut. Nach der Ankunft in seinem Lehen hatte der Baron seine in der Provinz weilende Verwandtschaft nach Thannfest bestellt – sicherheitshalber mit einem zeitlichen Versatz, um keinen Argwohn bei seinen Gegnern zu wecken – um mit ihnen die Lage und das weitere Vorgehen zu beraten. Als ob das etwas hülfe, geschweige denn brächte, konstatierte er mit einem bitteren Zug um die Lippen. Aber seine Verwandtschaft und mittelbar seine Verbündeten erwarteten dies von ihm; und wollte er nicht weiter an Reputation und Boden verlieren, so war eine solche Zusammenkunft unvermeidbar.

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Ein paar Tage später hatten sich die Geladenen im Salon der Burg versammelt. Zordan hatte schon bei deren Ankunft gespürt, dass sich etwas in ihrer Grundstimmung verändert hatte, so sehr seine Anverwandten auch versuchten, sich nichts anmerken zu lassen. Er hatte bei ihnen an Respekt, schlimmer noch, an Autorität verloren. Bitter, aber nach dem Desaster vor gut einer Woche zu erwarten. Zeit, die Zügel wieder anzuziehen und das Heft des Handelns erneut in die Hand zu nehmen!
„Es freut mich, dass ihr alle so relativ kurzfristig meiner Einladung gefolgt seid. Ich denke, ich muss den Grund hierfür nicht groß erörtern; einige von Euch waren bei diesem Trauerspiel ja zugegen. Vorweg: Ich übernehme für dieses Debakel selbstredend die Verantwortung, denn ich hätte es kommen sehen können, es aber leider nicht getan. Dafür entschuldige ich mich bei euch.“

„Das ist doch nicht nötig, Großvater!“, entgegnete dessen Enkeltochter Geldana, „Niemand hätte das vorher wissen, geschweige denn voraussehen können, was seine Erlaucht aus einer Laune heraus entscheidet. Aber wir sollten uns ohnehin weniger der Vergangenheit denn der Zukunft zuwenden.“

Zordan nickte seiner Enkelin mit der zarten Andeutung eines Lächelns zu. Das Mädchen spielte seine Rolle außerordentlich gut! Mit ihrer Antwort hatte Geldana den Druck von ihm genommen und zugleich dem mittelmäßigen Rest der Anwesenden elegant die Grundlage für eigene Kritiken entzogen.
„Gut, sei es wie es sei. Wir haben eine Niederlage erlitten, oder, wenn man es etwas martialischer ausdrücken will, eine Schlacht verloren, doch beileibe nicht den Krieg! Der Markgraf wollte wohl jemanden als neuen Landvogt auf dem Arvepass, der allein ihm verpflichtet ist. Und wenn ich es richtig verstanden habe, war es der Heermeister, der seiner Erlaucht den Floh ins Ohr gesetzt hat, diesen Hinterwäldler aus den Zacken zum Vogt zu bestallen. Wir dürfen uns nicht noch einmal derart überrumpeln lassen, sonst wird aus diesem kleinen Buschfeuer sehr schnell ein ausgewachsener Waldbrand, der uns alle verzehren kann.“

„Ich verstehe nicht ganz, was Du damit meinst, Vater. Unsere führende Position sowohl bei Hofe als auch in der Provinz ist doch immer noch unangefochten, trotz dieses Rückschlags. Ich sehe die Gefahr für uns jetzt nicht.“, warf Rukus ein.

Der Seneschall rollte sichtlich genervt mit den Augen und wollte gerade zu einer – eher unwirschen – Erwiderung ansetzen, doch kam ihm seine Enkelin zuvor.

„Die Gefahr sehe ich sehr wohl, Vater. Die übrigen Familien und Fraktionen haben die Ernennung und ihre Folgen ganz gewiss registriert und ihre Schlüsse daraus gezogen. Ob nun die sturen Ochsen oder die fast schon omnipräsenten kriecherischen Alxertis: Sie alle haben ohne Zweifel realisiert, dass dieser Bärfried nicht der Kandidat unserer Familie war. Und daraus lesen sie vermutlich zuvörderst nur eines: Schwäche. Und wer schwach wirkt – egal, ob er es tatsächlich auch ist – lädt seine Gegner, die vorher nur im Verborgenen gemurrt hatten, dadurch ein, nun offener und aggressiver aufzutreten. Und dieser Gegner sind wir, Vater. Im für uns schlimmsten Fall verbündeten sie sich dazu zeitweise sogar gegen uns, was wir auf keinen Fall zulassen dürfen.“

„Hm, da ist natürlich was dran, dennoch-“

„Dennoch sollten wir uns davon nicht beirren lassen,“ schnitt der Patriarch seinem Sohn recht rüde das Wort ab. „Wir sind weiterhin die erste Familie der Markgrafschaft und werden dies, solange wir fest zusammenstehen, noch sehr lange bleiben. Konkret dürfen wir uns nicht anmerken lassen, dass wir einen Rückschlag hinnehmen mussten. Wie Geldana schon so ähnlich ausführte: Schwäche kann man riechen und wer schwach wirkt, der ist schwach. Soweit darf es nicht kommen. Wir sollten unsere Gegner nicht unterschätzen und sie stattdessen verstärkt unter Beobachtung nehmen, jeden ihrer Schritte im Auge behalten und dabei überlegen, wie wir sie entweder zu unserem Vorteil nutzen oder zumindest sabotieren können. Für den Markgrafen darf es hier nur eine Familie geben, auf die er sich uneingeschränkt verlassen kann und die in der Lage ist, seinen Willen im ganzen Land durchzusetzen: Unsere! Nun genug der Diskussionen und an die Arbeit!“

Eine Stunde später hatte Zordan seinen Sohn Rukus und dessen Tochter Geldana zu sich bestellt. Während ihn das Auftreten der einen freute, trieb ihm das des anderen immer noch Zornesfalten auf das mittlerweile deutlich vom Alter gezeichnete Antlitz. Wie konnten Klugheit und Dummheit nur so ungleich verteilt sein? Aber es half nichts; der Patriarch musste mit dem ‚Material‘ arbeiten, dass er zur Verfügung hatte, egal wie gut oder schlecht es war. „Ich will es kurz machen. Für euch beide habe ich noch zwei Sonderaufträge. Rukus: Du wirst Dich wieder verstärkt den Rittern und Knappen des Hofes widmen. Vorrangig, um sie in Übung zu halten, respektive, ihre Ausbildung voranzubringen. Insgeheim, um sie entweder als Informanten für uns zu gewinnen oder die Ritter und Knappen zumindest diskret auszuhorchen, soweit es unsere Familie und Stellung bei Hofe betrifft. Die kleine Aimar-Gor wird Dir dabei helfen.“

„Wieso? Steht sie etwa auch in Diensten unserer- ah, ich verstehe!“

‚Das wage ich zu bezweifeln.‘ schoss es dem Alten durch den Kopf.
„Gut. Doch zunächst schlägst Du Nedime zur Ritterin. Alt genug dafür ist sie und ich hatte ihr unlängst versprochen, dass sie für ihre bisherigen Dienste angemessen belohnt werden wird. Und ich pflege meine Versprechen zu halten. Daher wirst Du ihr noch die Rüstung meines Urgroßvaters zum Geschenk machen; die sieht ganz hübsch aus, setzt hier nur Staub an und Du kannst Dir eine ebenso hübsche Geschichte zu dem Teil ausdenken, um Nedime zu vermitteln, dass diese Rüstung etwas ganz Besonderes sei.“

Rukus nickte beflissen mit dem Kopf. Zwar war er verärgert, erst jetzt zu erfahren, dass Nedime eine Zuträgerin seines Vaters war, doch war er diesmal klug genug, seine Meinung für sich zu behalten.

Geldana: Du hingegen wirst Dich zukünftig verstärkt als meine Leibsecretaria am Hofe aufhalten, dort meine Augen und Ohren sein und mich so ein wenig entlasten. Es ist wichtig, dass Du möglichst viele der relevanten Leute dort näher kennenlernst und wie Du sie zu handhaben hast. Zugleich soll auch seine Erlaucht zukünftig nicht nur Deinen Namen sondern auch Dein Gesicht parat haben und das geht am besten, wenn Du in meiner Nähe weilst. Alles unerlässlich, wenn Du dereinst in meine Fußstapfen treten wirst.“

„Ich verstehe, Großvater. Aber dann müsste jemand anderes für die Dauer meiner Abwesenheit die Verwaltung Bergthanns übernehmen. Ich schlage vor, diese Aufgabe einen der hiesigen Niederadligen zu übertragen und sie so enger an uns zu binden. Und da alle wesentlichen Entscheidungen das Lehen betreffend auch weiterhin bei Dir lägen, bestünde auch keine Gefahr, dass dort irgendetwas passiert, was unseren Interessen zuwiderliefe.“

„Klingt sinnvoll und vernünftig. Wen schlägst Du vor?“

Aldruna von Klingweiler. Sie ist für die Aufgabe erfahren, kompetent und loyal genug. Außerdem steht sie mit den anderen Familien in Bergthann auf hinreichend gutem Fuße, dass ihre Ernennung bei diesen keine Unruhe auslösen wird.“

„Gute Wahl. Veranlasse alles Nötige.“

„Mache ich. Noch eine andere Sache, Großvater. Was ist mit Eboreus? Als Leibmagier des Markgrafen könnte er doch eine sehr wertvolle Unterstützung bei unseren Bemühungen sein.“

„Könnte er, ist er aber nicht. Dein Vetter ist durch und durch ein Absolvent des Rommilyser Informationsinstituts und geht vermutlich nicht einmal auf den Abort, ohne vorher zu prüfen, ob dies mit den Regularien seiner Gilde und Akademie vereinbar ist. Und durch seine, hm, eher ungesellige Art meidet praktisch jeder am Hofe seine Nähe, was es zusätzlich erschwerte, durch ihn mehr über die anderen Adligen und Familien dort zu erfahren. Aber wenn Du magst, kannst Du gerne mit ihm darüber sprechen.“, schloss Zordan mit einem dezent angedeuteten Lächeln.

„Ich, äh, ich verzichte dankend. Eboreus ist mir so schon unheimlich genug.“

„Dachte ich mir. Doch genug geplaudert; wir wollen die anderen beim Abendessen nicht warten lassen.“


 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Bergthann.svg   Wappen Baronie Bergthann.svg  
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12. Bor 1045 BF
Wut, Zorn und ein neuer Plan
Die Ablösung


Kapitel 4

Zacken & Marschen
Die Ablösung


Kapitel 22

Zacken & Marschen
Autor: Wallbrord