Geschichten:Rote Schöpfe, Schwarze Schafe

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Unerfreuliche Nachricht und mißliebige Anverwandte


Uslenried, einige Wochen vor den Ereignissen am Königsweiher

In der Hohen Halle von Burg Greifenklaue saß man in großer Runde zum Abendmahl zusammen, wie man es für gewöhnlich an jedem zweiten Rondratag eines Mondes zu tun pflegte. All jene, die »innerhalb des jüngeren Hauses Streitzig etwas zu melden hatten« - wie Ardo von Streitzig j.H., der auf dem Greifenzug gefallene Heermeister der Ritterschaft des jüngeren Hauses Streizig, es immer genannt hatte – waren versammelt: Ardos Bruder Ralbert, welcher seine Nachfolge angetreten hatte, und dessen Sohn Garwin, Bannerträger der Ritterschaft, Schwertschwester Rondrina, Yalinda und einige andere mehr sowie natürlich Baron Wulf mit seiner Gemahlin Sinya und Söhnchen Corian.

So speiste man vom schmackhaften Wildbret, frischem Brot mit Kräutern und Schmalz, trank Met, Wein und das gute Uslenrieder Rotbier. Als gerade die Bediensteten damit beschäftigt waren, Käse und Obst aufzutischen, trat eine schlanke, edel gekleidete Frau durch die Tür der Hohen Halle. Gekleidet in Stulpenstiefel, Lederhose, ein rüschenbesetztes Hemd und eine Samtweste trat sie auf die Versammelten zu und hob grüßend die in Stulpenhandschuhen steckende Rechte.

Wulf, der am Kopfende der langen Tafel saß und von dort am besten zur Tür blicken konnte, hielt als erster inne. Sodann erhob er sich und eilte der Besucherin entgegen.

»Sei gegrüßt, Hochgeboren«, lächelte sie ihm entgegen.

»Kira«, sagte Wulf und schloß seine Base in die Arme. »Wie lange habe ich Dich nicht gesehen ...«

Nun wurde auch die anderen auf Kira aufmerksam. Begrüßungsrufe schallten durch die Halle, und etwas verlegen strich sich die junge Frau durch das dunkelrote Haar. Sodann streifte sie die Handschuhe ab, marschierte um den Tisch herum und reichte ihren Verwandten die Hand.

»Nun laßt sie doch erst einmal Platz nehmen«, ließ Wulf verlauten, »wo bleibt denn da die traviagefällige Gastfreundschaft? Nimm Platz, iß und trink mit uns, es ist reichlich da!«

So wurde das Abendmahl schließlich noch zu einer kleinen Wiedersehensfeier; schließlich war Kira schon annähernd fünf Jahre nicht mehr auf der Burg gewesen. In Albernia hatte sie vor einigen Jahren das Handwerk der Schwertgesellen erlernt und hatte danach noch eine Weile die Westküste Aventuriens bereist und war letztmalig vor zwei Jahren unweit von Bredenhag mit Wulf und Sinya zusammengetroffen, als sich jene auf der Heimreise* zurück nach Garetien befanden. Viel gab es daher zu erzählen, und so dauerte das Abendmahl etwas länger als gewöhnlich...

Es war bereits weit nach Mitternacht, und die Runde war um etliche Köpfe geschrumpft; nur Wulf, Yalinda, Garwin und Kira saßen noch in der hohen Halle. Die Bediensteten waren schon zur Nacht entlassen, und zwei halbvolle Krüge Wein waren noch übrig geblieben.

»Und, was gibt es sonst noch zu berichten?« fragte Wulf beiläufig, während der den Weinbecher in der Hand rotieren ließ.

»Nichts, was zu dieser späten Stunde noch erzählt werden müßte; schlechte Nachricht kann bis morgen warten«, entgegnete Kira.

»Das kommt immer darauf an, wie schlecht sie sind«, warf Garwin ein, und Yalinda nickte.

»Ach, es sind nur die üblichen Familienangelegenheiten«, wiegelte Kira ab, »oder wollt ihr euch tatsächlich zu dieser späten Stunde mit den schwarzen Schafen befassen?«

»Nicht wirklich«, bemerkte Garwin, langte nach dem Krug und schenkte sich noch etwas Wein ein.

»Mich würde schon interessieren, was Fianna** wieder ausgefressen hat«, gab Yalinda lachend zu bedenken, und Wulf grinste, während sich Garwin bemühen mußte, seinen Wein nicht über den Tisch zu prusten. Nur Kira blieb seltsam still.

»Es geht nicht um Fianna?« stellte Wulf schließlich fest, und sein Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an.

»Nein, das heißt, eigentlich ja, oder viel besser auch« entgegnete Kira, und auch ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Wulf begann nervös mit den Fingern auf die Armlehne zu trommeln und hoffte inständig, nun nicht das zu hören, was er befürchtete. Yalinda blickte währenddessen nachdenklich in ihren Weinbecher. Schließlich hob sie den Kopf. »Rot?« Kira nickte, und von Wulf war ein genervtes Stöhnen zu vernehmen.

»Bernfried als«, sagte er nur, und wieder nickte Kira. »Was in der Zwölfe Namen hat der Bursche jetzt schon wieder angestellt?«

»Zuviel, als das ich an einem Abend davon berichten könnte«, antwortete Kira. »Er hat den guten Ruf unserer Familie beschmutzt, wieder einmal. Es heißt, er habe sich vor einigen Wochen unten in Eslamsgrund verbotswidrig duelliert, noch dazu mit einem Vetter des Junkers Jendor von Hellenwald, welcher dieser Tage dort weilte, und diesen dabei schwer verletzt. Dom Jendor ist reichlich wütend, wenngleich sein Vetter wohl wieder genesen ist. Es wäre vielleicht auch gar nicht der Rede wert gewesen, wenn es dabei nicht um ein Weibsbild gegangen wäre, noch dazu nicht einmal von Stand, wie man munkelt...«

»Dieser verdammte Hitzkopf! Ausgerechnet bei verbündetem Hause muß er wieder über die Stränge schlagen. Als ob in Almada nicht schon genug dicke Luft wäre, wenn ich nur an Gendahars Rede denke, mit welcher er Grifo damals in Albernia sämtliche Chancen auf den Grafenthron zerredete ... Seitdem sind freundschaftliche Bande nach Almada ohnehin rar. Und was macht dieser Narr! Verärgert einen unseren besten alamdanischen Vertrauten, und das noch im heimaltichen Königreich. Ich könnte ihn...«

»Ganz ruhig, Vetter«, meinte Garwin und legte Wulf beruhigend die Hand auf den Arm.

»Und was war nun mit Fianna?« fragte Yalinda.

»Fianna habe ich vor wenigen Tagen in Gareth getroffen. Sie war ihm kurz zuvor zufällig über den Weg gelaufen. Er hat sie wohl irgendwie übers Ohr gehauen; etwas genaues habe ich aber nicht aus ihr herausbekommen können und wollte sie auch nicht bedrängen. Und es heißt, er habe sich auch mit dem Krugelberger angelegt ...«

»Junker Abelmir von den Freunden der Kurtzweyl?« fragte Garwin.

»Eben der«, nickte Kira.

Wulf knallte den Becher auf die Tischplatte. »Genug davon! Um diesen Bastard kümmern wir uns morgen in aller Ruhe. Schließlich müssen wir sehen, dass wir den angerichteten Schaden beseitigt bekommen!« Wütend langte Wulf nach dem Weinkrug, füllte seinen Becher und leerte ihn in einem Zug. Anschließend füllte er auch die Becher seiner Verwandten noch einmal, und es heißt, dass der Baron danach höchstselbst in den Weinkeller hinabgestiegen sei, um die Krüge noch einmal zu füllen...



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20. Pra 1025 BF
Rote Schöpfe, Schwarze Schafe


Kapitel 1

Ein Rotschopf benimmt sich daneben


Kapitel 1

Gerüchte und ihre Folgen
Autor: CD