Geschichten:Rollende Steine - Nachspiel auf Barbenwehr

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Burg Barbenwehr in ksl. Gerbenwald, Ende Ingerimm 1037 BF

Schon wieder ein großer Appell auf dem Hof, den die Kasernengebäude umschlossen. Der sonst eigentlich recht ruhige Soldatenalltag auf Burg Barbenwehr wurde dieser Wochen verflixt häufig durch unangekündigten Besuch unterbrochen, befand Bärtrave, während sie versuchte, zumindest oberflächlich den Eindruck soldatischer Tugend zu erzeugen. Während die Herren Offiziere sich allmählich auf der Freitreppe zeigten, drifteten ihre Gedanken ab zu dem Tag, an dem die Unruhe Barbenwehr zuerst erreichte...

Hornstöße und Trommeln durchbrachen die Stille des Traumes. Irgendein Wahnsinniger brüllte: "Aus den Säcken, ihr Faulpelze! Freiwache fällt aus - alles aufrödeln und rottenweise auf dem Hof antreten und das ganze ein wenig zackig. Bärtrave, brauchst du eine Sondereinladung? Wenn du nicht in Tritt kommst, darfst du persönlich zum Einlauf antanzen - der Heermeister wartet nicht gern." Heermeister! Hatte der Weibel das wirklich gesagt? Zusammen mit den anderen ihrer Geschützmannschaft trabte sie wenig später die Treppe zum Hof hinunter. Was war los? Waren die Gerüchte von Steinriesen und Ferkinakriegszug doch richtig und der Heermeister war gekommen, sie in den Kampf zu führen? Das Erste, was sie bemerkte, als sie hinaushetzte, war, dass es viel zu hell war für ihre verschlafenen Augen. Als das vorbei ging, folgte die ernüchternde Erkenntnis, dass die Laffen vom Eliteregiment schon da standen in Reihen wie mit dem Lineal gezogen, die großen Schilde eng am Körper und die Wurfspeere vor sich leicht gewinkelt aufgestützt. Ungerecht - die hatten nicht gerade Nachtwache hinter sich! Und dann fiel ihr Blick auf die Gestalt, die neben dem Hauptmann der Infanteristen stand und gerade in einem großen Buch blätterte, dass einer der Soldaten ihm vorhalten durfte: Auch ohne das Wappen auf dem gelb-schwarz gevierten Rock zu erkennen, konnte sie sofort aus der Haltung der Offiziere erkennen, wer das sein mußte. Außer dem eigenen Oberst - der aber gerade auf Inspektion zu den anderen Burgen ausgeritten war - gab es gewiss nicht viele Personen, vor denen der Hauptmann derart kuschte. Es musste der Heermeister sein, der Firunslicht persönlich - und er wirkte nicht sonderlich gut gelaunt.

Inspektion! Und hoher Besuch. Lyn von Brendiltal hatte sich mit der Vogtin getroffen, hieß es. Und die Namen Gallstein und Höllenwall waren gefallen - da hatte man auch schonmal was von gehört. Immerhin waren die Herrschaften so gerecht gewesen, nicht nur die einfachen Leute aufzuscheuchen, sondern auch die Gattin des Oberst aus dem Schlummer zu reißen! Und jetzt nach den ganzen Hochgeborenen von letzter Woche schon wieder fürchterlich wichtiger Besuch aus der Stadt. Oder von Perlenblick. Was auch immer. Und dafür wurde man aus dem verdienten Schlaf gerissen. Schon wieder! Am liebsten hätte sie ihren Unmut mit einem Spuckestrahl auf das Pflaster des Hofes herausgelassen, aber sie riss sich gerade noch zusammen, als die Offiziere vor die versammelte Besatzung der Burg traten. Ohne den Kopf zu bewegen ließ sie den Blick über die an den Seiten des Hofes aufgestellten Einheiten der Burgbesatzung gleiten. Bei den Göttern, die Grenzreiterschwadron war echt klein geworden nach dem Strauß, den sie versucht hatten, mit diesem Steinviech allein zu fechten. Ein Schauer lief über ihren Rücken, als sie an den Tag zurück dachte, als das Ding plötzlich vor den Toren stand und anklopfte...

Staub war in ihre Lunge gekommen und machte das Atmen schwer. Die mächtigen Mauern des Turmes knirschten und der Wind ließ den Staub, den der Gegner aufwirbelte die Mauer entlang ziehen und hüllte die Verteidiger ein. Der Gegner! Was für ein unzureichender Begriff für ein über fünf Schritt messendes Ungetüm aus aneinanderhaftendem Geröll von der Größe eines Ogerkopfes bis hin zu veritablen Findlingen in Ochsengröße. Selbst von den mächtigen Mauern der Festung herab wirkte das Ding einschüchternd. Einer von diesen Findlingen , der in etwa die Position einer Faust hatte am Ende des "Armes" krachte gerade erneut gegen den Torturm. Steine lösten sich von seinen Zinnen und fielen polternd auf das Steinungeheuer, ohne dass sie Wirkung zu haben schienen. Verdammt, was sollten sie mit ihren Geschossen ausrichten, wenn eine ganze Zinne dem Ding nichtmal ein Schütteln abverlangte? Dennoch maß sie noch einmal den Wind mit dem Finger und kniff die Augen zusammen. "Fertig geladen!", kam der Ruf Jorgrimms und sie wandte sich um. "Zwei Drehungen hoch und ein Zahn links..." Das Holz und die Eisenteile gaben kurz ein Quietschen und Knarzen von sich, als sie die Kurbeln drehten. Frisch geölt ging das sehr viel leichter von der Hand als sonst. Inspektionen hatten auch was Gutes... "Schuss!" Mit den Augen verfolgte sie die Flugbahn der Kugel und stellte befriedigt fest, dass sie wohl treffen würde. Auch zwei andere Mannschaften brachten ihre Geschosse gerade ins Ziel - und mit erstaunen sah Bärtrave, dass das Ding zu wanken begann. Und dann knallte ihre Kugel - das Geschoss von dem Geschütz, dass sie selbst eben eingerichtet hatte - dem Biest an den Kopf... oberen Teil des Körpers... wasauchimmer und es kippte um, begann zu zerbröseln. Steine flogen wie losgelöst in die Richtungen fort, in die die Arme gerade schwangen. Eine der Fäuste schlug nochmal in den Turm ein, dessen obere Hälfte der Frontseite mit Krachen und Poltern abging und den Steinkoloss unter sich begrub.

"...und Korporalin Bärtrave Spillending - vortreten." Mit einem Mal waren die Tagträume verflogen. Verflixt, was hatte sie jetzt verpasst? Eben noch hatte der junge Hauptmann vom Stab doch nur allgemeines Gefasel von Sorgfältigkeit, Ordnung und dem guten Eindruck des Zustandes der Truppe von sich gegeben, wohl irgendwas von wegen der Inspektion durch den Heermeister. Und nun stand sie plötzlich mit den Geschützführern der Vierten und Sechsten und einem von den Grenzreitern zusammen vor ihm. Hauptmann von Birkenbruch entrollte ein gesiegeltes Pergament. "Perlenblick, 17.Ingerimm 1037 nach dem Falle Bosparans, gegeben durch Aldron von Firunslicht, Heermeister: Die Besatzung der Festung Barbenwehr hat im Angesicht eines nahezu unverwundbaren, mächtigen Feindes tapfer ihre Pflicht erfüllt und sich dem Gegner gestellt. Für die Überwindung des Steinwesens, dass auch als Gaftarions Fels bekannt ist, sprechen wir den Männern und Frauen unser Lob aus. Besondere Anerkennung gilt dem Mut der dritten und vierten Lanze der fünften Grenzreiter-Schwadron, die den Gegner unter Nichtbeachtung der eigenen Todesgefahr im direkten Angriff angegangen sind, sowie der Präzision und Hingabe der Mannschaften Vier, Sechs und Acht der siebten Kompanie des Bombardenregimentes, die trotz direkter Bedrohung der eigenen Stellung schlußendlich die entscheidenden Treffer zur Vernichtung des Feindes erzielten. Die Überlebenden der genannten Einheiten erhalten jeweils drei Silberstücke als zusätzliches Handgeld sowie das Anrecht auf zwei Tage Urlaub..."

Urlaub! Von einem Marschall persönlich zugeteilt! Das war annähernd unglaublich. In ihrem Kopf rauschte es, als Sie das hörte. Kein Offizier würde da noch aus dringenden Gründen anders entscheiden können. Die Worte zur Versorgung der weniger Glücklichen unter den Reitern und derer Angehörigen überhörte Bärtrave schon wieder, bekam aber dank jahrzehntelanger Übung den Befehl zum wieder Eintreten doch rechtzeitig mit.