Geschichten:Hirsch, Krähe, Katze – Der Hirsch kommt nach Hause

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Doriant, Ende Phex 1043

Die Reichsforster zogen sich auf den Mühlbach zurück, ohne von den Waldsteinern verfolgt zu werden. Unswin bildete die Nachhut und hatte die ganze Zeit Bolzers Pferd mit der Leiche seines Freundes vor der Nase. Bäuchlings hatte man ihn notdürftig an den Sattel gebunden, die Beine zur einen, den Oberkörper zur anderen Seite leblos herabbaumelnd. Im Nacken steckte noch immer der abgebrochene Schaft des tödlichen Pfeils.

Nach ein paar Stunden hatten die Reichsforster endlich die Brücke über den Mühlbach erreicht. Eine halbe Meile praioswärts zog sich eine Landstraße von Ost nach West durch die Wiesen und wo der Weg aus Doriant auf sie stieß, stand eine kleine Herberge. Unswin ließ die Verwundeten dort unterbringen und schickte Boten nach Luring und in die nächsten Dörfer, um vor dem Überfall der Waldsteiner zu warnen.

Bolzers Leichnam hatte man derweil vom Pferd genommen, den Pfeil entfernt und ihn neben die Verwundeten gelegt, die im Hof der Herberge darauf warteten, ein Quartier zugewiesen zu bekommen. Der Keilholtzer stand eine Weile grübelnd neben dem Toten und dachte auch an die drei Soldaten, die er selbst im Kampf getötet hatte. Die Schützin, die er am Bein erwischt hatte, würde es vermutlich überleben, wenn die Waldsteiner einen halbwegs brauchbaren Feldscher dabei hatten.

Unswin ließ sich auf die Knie sinken, schloss die Augen und sprach leise ein langes Gebet an die Herrin Rondra. Die Verwundeten wurden nach und nach in den Schankraum gebracht, jedoch wagte niemand den in sein Gebet vertieften Ritter anzusprechen. So war er bei Einbruch der Dunkelheit allein mit dem Toten. Als er seine Zwiesprache mit der Göttin beendet hatte, blickte Unswin sich um und erhob sich, um den Branntweinschlauch aus seiner Satteltasche zu holen. Damit kam er zurück zu Bolzer. „Auf dein Wohl, mein Freund. Es war mir eine Ehre an deiner Seite zu streiten.“

Der Greifenfurter nahm einen tiefen Schluck. Dann legte er seinen Trinkschlauch beiseite, zog sein Schwert, stellte sich neben den Nadoreter an die Scheunenwand und begann seine einsame Totenwache.

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Durchgefroren beobachtete Unswin wie am nächsten Morgen die Praiosscheibe aufging. Mit steifen Gliedern ging er eine Runde um den kleinen Hof und besah sich, was alles zur Verfügung stand. Es dauerte nicht lange, da kamen die ersten Soldaten zum Austreten aus der Herberge. Auch die neue Hauptfrau des Haufens ließ sich blicken, um zu besprechen wie es weitergehen sollte. In der Nacht waren zwei weitere der Soldaten ihren Verletzungen erlegen. Nach der gestrigen Niederlage war die Moral der Truppe am Boden. Unswin mochte im Moment nur ein einfacher Greifenfurter Ritter fern der Heimat sein. Doch seine lange Zeit als Laienbruder im Zornesorden und die Erfahrung im Kampf gegen alles mögliche derische und niederhöllische Gezücht, hatten ihm bei den einfachen Reichsforster Soldaten einen Status verschafft, der fast an den eines richtigen Geweihten heranreichte. Zumal es der kleinen Einheit an einer echten Rondra-Geweihten zur spirituellen Erbauung mangelte.

Der Keilholtzer organisierte einen kleinen Rondra-Gottesdienst. Seine segenspendenden Worte mochten aus seinem Munde nur einfache Worte ohne höhere Wirkung bleiben, doch sah er in mehr als einem Gesicht, dass sie den Soldaten Trost und neuen Mut gebracht hatten. Auch für die beiden eilig hinter der Herberge verscharrten Soldaten sprach er ein Totengebet, schärfte dem Herbergswirt aber auf das Dringlichste ein, alsbald nach dem örtlichen Boron-Geweihten zu schicken, um die Gräber göttergefällig einzusegnen.

Danach requirierte er einen kleinen Karren, ließ Bolzers Pferd vorspannen und den Toten auf Stroh gebettet darauflegen. Es behagte ihm nicht die kleine Reichsforster Einheit zu verlassen, zumal in der gefährlichen Situation, in der sie sich befand. Das entsprach eigentlich nicht seiner Vorstellung von Pflichterfüllung. Andererseits war er Greifenfurter, ein Fremder hier, und nur in diese Situation geraten, weil er auf Wunsch seines Vetters Ardo die Interessen der Familie Keilholtz auf der Reichsforster Seite dieser Fehde vertreten sollte. Jetzt überwog sein Pflichtgefühl seinem Waffenbruder Bolzer gegenüber und Unswin sah es als seine Aufgabe, dem Freund ein angemessenes Begräbnis auf heimatlicher Scholle zu ermöglichen. Nach ein paar letzten Anweisungen an die Reichsforster Hauptfrau ließ er sein Pferd satteln. Er nahm Bolzers Pferd mit dem Karren an die kurze Leine und führte den Leichenwagen auf der Straße nach Osten, wo den Beschreibungen seines Freundes nach irgendwo die Burg liegen musste, auf der seine Frau Meara und die Kinder auf ihn warteten.