Geschichten:Große Kaliber - Im Maulwurfsbau

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Südquartier, Kaiserstadt Gareth, 21. Praios 1045 BF

Auf dem Kasernenhof herrschte reges Treiben, einige Geschütze wurden gerade gewartet und begutachtet, ein paar Söldner standen im Halbkreis vor einer Frau, die ihnen gerade etwas erklärte und in einer Ecke des Hofs übten sich die Söldner im Schwertkampf.

Bärfried von Hardenstatt saß auf seinem Pferd, flankiert von zwei Reiterinnen der perricumer Grenzreiter, und ließ seinen Blick schweifen. Die ganze Szenerie erinnerte ihn an seine Zeit auf Angareth. Auch dort hatte er das ein oder andere Mal den Wartungsarbeiten beigewohnt, hatte mit kritischem Blick die Geschütze beäugt und fachmännisch genickt und gebrummt. Tatsächlich hätte er lediglich Auskunft darüber geben können ob eines der Geschütze brannte, zusammengebaut oder zerlegt war. Weswegen er immer wieder verstohlene Blicke zu seinem Fähnrich geworfen hatte, um sich rückzuversichern, ob denn wirklich alles in Ordnung war.

„Den Zwölfen zum Gruße, hoher Herr! Wie kann man Euch helfen?“, rief eine Frauenstimme dem Einäugigen zu und riss diesen damit aus seinen Gedanken. Überrascht blickte sich der Reichsvogt um und sah eine Frau vor ihnen stehen, die einen gelben Wappenrock trug, auf dessen Brust ein schwarzer Turm prangerte.

„Den Zwölfen zum Gruß!“, erwiderte er mit einem Nicken. „Mein Name ist Bärfried von Hardenstatt und ich habe eine Unterredung mit…“, weiter kam er schon nicht mehr denn die Frau nickte zufrieden und fiel ihm ins Wort. „Ah, Euer Wohlgeboren, der Reichsvogt der neuen Rabenbrücke! Ja, Ihr werdet schon erwartet, wenn Ihr mir bitte folgen würdet?“, sie drehte sich um und rief drei Männer zu sich, die sich um die Pferde des Besuchs kümmerten.

Unterdessen führte sie den Adligen über den Platz, hinein in das dreistöckige Gebäude. Hatte der Zustand der Außenanlage den Reichsvogt schon verblüfft, überraschte ihn das Innere des Hauses umso mehr. Die Gänge waren gesäumt mit Gemälden von Festungsanlagen und Schlachtenszenen. Abwechslungen brachten Banner und Fahnen, die Bärfried jedoch keinem Haus, Einheit oder Bund wirklich zuordnen konnte. Andererseits war Heraldik nie sein Steckenpferd gewesen.

Die Frau, die sich nicht namentlich vorgestellt hatte und von der er ausging, dass sie wohl im Rang eines Weibel sein musste, führte den Perricumer vor eine schwere Holztür und bat ihn dort stehen zu bleiben. Sie würde ihn kurz ankündigen und dann hereinholen. Während die Söldnerin also hinter der Tür verschwand, wurde es Bärfried plötzlich unangenehm warm. Es schoss ihm abermals in den Kopf, dass selbst wenn die Garether Maulwürfe wirklich all seine Sorgen lösen könnten, er sich noch gar keine Gedanken zur Finanzierung gemacht hatte. Weder wusste er, ob das Heer für diese Lösung zahlen würde, noch wie er die Anzahlung (die mit Sicherheit zu leisten sein würde) aufbringen sollte.

Weitere Gedanken konnte er sich nicht machen, denn die Tür ging auf und er wurde hereingebeten. Das Zimmer war Licht durchflutet und schwere Edelholzmöbel gaben ihm eine wohlhabende Ausstrahlung. An den Wänden hingen Armbrüste oder zumindest das, was Bärfried an Armbrüste erinnerte. Ein hüfthoher, langegezogener Schrank, der mit reichen Verzierungen bedeckt war und auf dem silberne Becher und Kannen standen, stand gegenüber eines ausladenden Tisches, hinter dem eine Frau saß und ihren Gast eindringlich musterte.

„Den Zwölfen zum Gruß, Euer Wohlgeboren von Hardenstatt! Bitte setzt Euch“, die Stimme der Frau ließ erkennen, dass sie es gewohnt war Befehle zu geben, die ohne Widerworte befolgt wurden. Ein rauer und durchsetzungsstarker Unterton schwang mit und Bärfried musste unwillkürlich an Hauptfrau Linneweber denken. Er setzte sich auf den gepolsterten Stuhl und kam zu dem Entschluss, dass er entweder die falsche Stelle hatte oder die Garether Maulwürfe auf eine monetär erfolgreiche Vergangenheit blicken konnten.

„Mein Name ist Wiede Rappelstein und ich bin die Vorsteherin der Maulwürfe, schön Euch persönlich kennenzulernen“, begann sie das Gespräch. „Wie ich vernommen habe, habt Ihr Interesse an unseren Fähigkeiten? Ihr sucht nach Leuten die Feldgeschütze herstellen können, wie man mir sagte“. Bärfried nickte. „Dann seid Ihr hier bei uns genau richtig! Im ganzen Königreich gibt es wohl niemanden der sich besser mit der Konstruktion, Wartung und Bedienung von Geschützen aller Art auskennt, wie wir! Mit Ausnahme von Besuchern aus dem Rahja“, fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.

„Aber mit dem Bau und der Wartung von Geschützen ist es ja nicht getan. Ihr werdet auch Leute brauchen, die die Gerätschaften bedienen können. Glücklicherweise verstehen wir uns aber nicht nur auf den Bau, sondern auch auf die Bedienung der Geschütze!“, Wiede reichte Bärfried einige Schreiben über den breiten Tisch, welche er entgegennahm und überflog.

„Nun, Bedienmannschaften sind nicht halb so wichtig wie die Geschütze selbst. Ich denke, wenn Ihr einigen der kaiserlichen Soldaten eine kurze Einführung in die Bedienung gebt, würde das sicherlich ausreichen“. Der Perricumer legte die Schreiben vor sich.

Die Vorsteherin der Maulwürfe lehnte sich mit einem verwunderten Gesichtsausdruck zurück, „hm, das verwundert mich nun aber. Wenn Ihr schon das Geld für solch hochkomplexe Gerätschaften wie Hornissen oder Rotzen ausgebt solltet Ihr nicht an den Bedienmannschaften sparen, Euer Wohlgeboren! Als Angehöriger des Bombardenregiments“, sie deutete auf Bärfrieds Wappenrock, „solltet doch gerade Ihr von der Wichtigkeit des Zusammenspiels zwischen Geschütz und Bedienmannschaft einerseits und den Bedienmannschaften der ganzen Einheit andererseits bestens im Bilde sein? Was nutzen Euch die tollsten und durchschlagskräftigsten Geschütze, wenn ihre Geschosse sonst wo hinfliegen?“.

Wiede tippte sich an die Unterlippe, „wenn Ihr, verzeiht den Ausdruck, Bauern zum Bedienen nehmt, gebe ich Euch mein Wort, dass Eure Geschosse alles treffen werden, nur nicht ihr eigentliches Ziel“. Bärfried biss sich in Gedanken auf die Unterlippe. Das was sie da sagte stimmte natürlich, mit den Geschützen war es ja nicht getan, das war ihm selbst bewusst. Doch er hatte gehofft nicht ganz so abhängig von den Maulwürfen auftreten zu müssen, allein schon, um den Preis drücken zu können.

„Selbstredend werde ich keine Bauern an die Geschütze stellen, sondern Angehörige des Bombardenregiments. Aber ich verstehe was ihr meint“, erwiderte der Einäugige und so wog das Gespräch hin und her. Es wurden Argumente ausgetauscht, untermauert, verworfen und wiederaufgenommen. Das Verhandlungsgespräch dauerte den halben Tag und am Ende hatte Bärfried nicht einmal eine feste Zusage, sondern nur, dass man sich Wiede nochmal beraten wolle und ihm dann am nächsten Tag Bescheid geben wolle.

Der einäugige Reichsvogt nutzte die Zeit, um einen Wechsel bei der Nordlandbank zu beantragen, mit dem er die Anzahlung leisten wollte. Eine wahrlich unangenehme Erfahrung, wie er meinte, musste er doch vor einer fremden Frau im Grunde sein gesamtes Leben ausbreiten. Woher kam er, welchen Stand hatte er, wie sahen seine Einnahmen und finanzielle Situation aus. Erst als er sein Junkertum als Sicherheit bereitstellte, war die Dame bereit einen entsprechenden Wechsel auszuhändigen.