Geschichten:Die Ratte im Gebälk - Vom Schließen eines Bundes

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Kaiserturnier zu Gareth, 1. Praios 1044 BF

Es war ein sonniger Neujahrstag und wie jedes Jahr lud die Kaiserin zum Turnier nach Gareth. So kamen von Nah und Fern Ritter aus dem ganzen Reich und auch darüber hinaus in die Kaiserstadt um dort ihr Können zu zeigen und Ruhm und Ehre zu gewinnen. In diesem Jahr mehr aus der Ferne als aus der Nähe, denn die Fehde zwischen den Grafenhäusern erlaubte es den wenigsten, bei solch einem Spektakel teilzunehmen. Nichtsdestotrotz waren dennoch einige Fehdeteilnehmer der Einladung (und mit dem damit verbundenen freien Geleit) gefolgt und nahmen am glanzvollen Turnier der Kaiserin teil. Es war unter den Garetiern zwar nicht das angesehenste Turnier aber zweifellos das prestigeträchtigste.

So sah man hier zum Beispiel Nimmgalf von Hirschfurten, der stolz an der Spitze der wenigen Reichsforster ritt oder auch den jungen Grafen Odilbert von Hartsteen im Kreise seiner Ritter. Obwohl beide zur Zeit verbündet, fanden sich beide an den gegenüberliegenden Enden der Tjostbahn ein.

Aber nicht nur Ritter erschienen, sondern auch Barden, Händler, Schausteller, Patrizier und viele mehr, die sich am Rande der Bahn einfanden um ein Blick auf die Ritter werfen zu können.

Einer dieser Ritter, obwohl dieser den Ritterschlag noch nicht erhalten hatte, erregte besondere Aufmerksamkeit unter dem Volk. "Er ist edel", "er verkörpert das Idealbild eines Ritters", "die Kaiserin kann stolz sein, so jemandem als Untertan zu haben"; das sind die Worte, die man hörte: Prinz Sigman von Gareth-Firdayon saß auf einem weißen Roß unter seinen Rittern, dem Fuchsrudel. Mit seiner Anwesenheit beflügelte er seine Gefolgsleute und mit wenigen Worten machte er jedem seiner Ritter Mut bevor er auf die Tjostbahn ritt.

"Hast du eine Idee, warum sie die Vereinbarung doch nicht umsetzen möchte?", fragte Arinya und folgte Gerion, der sich in Richtung Tribüne begab. Hinter ihnen war ihre Tochter Larissa, die sich mit großen Augen umblickte und ihre Zofe Saria.

"Ich kann es nur vermuten", antwortete er und sah sich nach der Frau um, die er suchte. "Wahrscheinlich hat sie erkannt, daß die Vereinbarung ihr zu wenig Vorteile bringt."

Dann hat er sie entdeckt: Fridega vom Berg saß im oberen Bereich der Tribüne, knapp unter der Kaisertribüne.

"Denkst du wirklich, daß es klug ist, sie jetzt darauf anzusprechen?", fragte Arinya skeptisch.

"Genauso gut wie jeder andere Zeitpunkt", sagte Gerion lapidar. Doch dann wandte er sich ihr zu und lächelte sie an. "Keine Sorge, Arinya. Ich weiß schon was ich tue."

Kurz bevor sie die Tribüne erreichten, entdeckte Larissa diesen Prinzen von dem so viele reden und wandte sich sogleich an ihre Eltern.

"Darf ich das Turnier von dort aus sehen?", fragte sie bittend und deutete auf die Menschenmenge am Rand der Tjostbahn in die Nähe des Prinzen. "Ich will die Ritter aus nächster Nähe sehen. Bitte-bitte."

Gerion blickte dort hin und sah die vielen Menschen, die sich dort zusammendrängten. "Das ist keine gute Idee, Larissa. Auf der Tribüne hast du einen besseren Blick."

"Ach, bitte Papa", flehte sie mit unschuldigen Augen, aber Gerion ließ sich nicht erweichen.

"Was soll schon passieren, Gerion", warf Arinya ein und faßte Larissa an den Schultern. "Ich passe schon auf sie auf. Ich weiß schon was ich tue", zwinkerte sie Gerion zu.

"Nun gut", nickte Gerion und begab sich dann auf die Tribüne.

"Warum ist er immer so ernst", fragte Larissa ihre Mutter. "Mache ich irgendwas falsch?"

"Aber nein", beruhigte Arinya ihre Tochter. "Dein Vater tut sich einfach nur schwer Gefühle zu zeigen. Glaub mir, er liebt dich so wie du bist."

Es war tatsächlich sehr eng und man rempelte sie von alles Seiten an, Arinya und die Zofe bahnten sich einen Weg, in dessen Fahrwasser Larissa folgte, doch wurde die Mühe letztlich belohnt. Larissa hatte von hier den besten Blick auf die Tjoster. Doch um einen Blick auf den Prinzen werfen zu können, mußte sie sich auf die Zehenspitzen stellen.

Er war älter als sie, vielleicht zwanzig? Eigentlich schon viel zu alt. Aber er war ein Prinz! Auf einem edlen Schimmel! Und er sah sooo gut aus ... Larissa versuchte näher heran zu kommen und schob sich vorsichtig durch die Menge.

Doch dann kam plötzlich Bewegung in die Menge, in der sie sich befand. Warum und woher diese Bewegung kam, konnte sie nicht erkennen. Aber es hatte zur Folge, daß sie von ihrer Mutter und von Saria getrennt wurde und sie sich mit der Menge mitbewegen mußte um nicht zu stürzen. Sie versuchte wieder zurück zu kommen, doch gegen den Strom der Menge anzukämpfen gelang ihr nicht. Sie stürzte und landete im Dreck. Sie schrie erschreckt auf - sie fürchtete, daß die Menge über sie hinweg trampeln würde, doch dies blieb aus, denn sie hörte wie irgendwer die Leute verscheuchte.

"Geht es Euch gut, edle Dame?"

Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie zwei Stiefel vor sich stehen und eine Hand, die ihr half aufzustehen. Sie nahm diese dankend an und richtete sich auf. Als sie sich dann bei ihrem Retter bedanken wollte, machte ihr Herz einen Hüpfer und ihr versagte die Stimme: Es war der Prinz, der vor ihr stand!

"Euch geht es gut?", wiederholte er seine Frage und Larissa fiel nichts Besseres ein, als zu nicken.

"Gut", sagte der Prinz mit einem Lächeln. "Paßt auf Euch auf." Mit diesen Worten wandte er sich wieder zu seinen Rittern, die sie mißtrauisch oder erheitert ansahen.

Larissa blickte ihm hinterher - er hat sie angelächelt! - und dann, einem Impuls folgend, an sich hinunter. Augenblicklich wollte sie vor Scham im Boden versinken: Ihr ganzes Kleid war ruiniert und dreckig vom Schlamm und auch ihre Frisur war ruiniert. Sie sah aus wie ihre Schwester! Und noch schlimmer: So stand sie vor dem Prinzen! Er hat sie so gesehen!

Als ihre Mutter und Saria sie erreichten und froh waren, daß ihr nichts passiert war, wollte sie am liebsten weinen, doch tapfer hielt sie ihre Tränen zurück.



Währenddessen hatte Gerion die Tribüne betreten und sich neben Fridega vom Berg gesetzt.

"Ah, Herr Gerion. Ihr seht Euch auch das Turnier an?"

"Um offen zu sein, komme ich wegen unserem Bündnis", sagte er.

"Das habe ich mir schon gedacht", meinte Frigeda.

Als sie nichts weiter darauf sagte und den Lanzengang eines Bregelsaumers folgte, hakte Gerion nach dessen Sturz vom Pferd nach: "Ich war der Annahme, daß Ihr mit unserer Vereinbarung ganz zufrieden wart. Was hat sich geändert?"

Frigeda antwortete nicht gleich: „Wißt Ihr“, sagte sie. „Ihr habt eine Art an Euch, Gerion, die es einfach unmöglich macht Euch zu widersprechen. Nicht nur, weil Eure Worte Sinn ergeben, sondern auch weil Ihr mit dem Selbstbewußtsein auftretet, das keinen anderen Schluß zuläßt, als daß Eure Worte wahr sind." Fridega blinzelte verwirrt und biß sich auf die Zunge. Hatte sie das gerade wirklich laut gesagt?

"Wie auch immer!“ Sie schüttelte den Kopf und fuhr energischer fort. „Ich habe nochmals darüber in Ruhe nachgedacht, und ich komme nicht umhin zu sagen, daß für mein Geschmack dabei zu wenig für meine Familie herausspringt. Versteht mich nicht falsch! Ich bin noch immer an einem Bündnis interessiert. Doch bin ich der Meinung, daß wir dieses Bündnis fester gestalten sollten."

Gerion hob fragend eine Augenbraue.

"Wir sollten das Bündnis mit einer Heirat festigen", sagte sie.

Es war immer recht schwer eine Regung in Gerions Gesicht zu erkennen, doch Fridega glaubte hier eine zu sehen.

"Mein Bruder Ugdalf ist noch ungebunden und Ihr habt eine Tochter. Ich weiß, daß es Gespräche mit einem Hochadligen aus den Nordmarken diesbezüglich gibt, doch vergesst nicht, daß auch unser Zweig der Familie beste Beziehungen in die Nordmarken hat. Nur bekommt Ihr durch uns zusätzlich den Waffenarm, den Ihr benötigt. Die anderen Bedingungen bleiben."

Gerion antwortete nicht gleich. Er ließ sich das erst durch den Kopf gehen. "Ist das eine Bedingung?", fragte er.

"Nun, es ist das Angebot, das Ihr uns bereits geboten habt. Den Waffenarm für mehr Einfluß in der Kaisermark. Ich denke, das kann am Besten mit einer Heirat arrangiert werden. Also ja, es ist eine Bedingung."

Doch Gerion musste auch an das Fortbestehen seiner Familie denken. Von seinen Geschwistern erwartete er keine Nachkommen. Das lag an ihm, beziehungsweise nun an seinen Kindern. Und da schätzte er bei Larissa die besten Chancen ein. Ja, es gab Verhandlungen mit einem Pfalzgrafen, doch eine Voraussetzung, die Gerion hatte, sorgte dafür, daß man zu keiner Einigung kam.

"Einverstanden, Fridega", sagte er schließlich. "Aber eine Bedingung habe auch ich: Es wird eine matrilineare Hochzeit."



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1. Pra 1044 BF zur mittäglichen Ingerimmstunde
Vom Schließen eines Bundes
Ein Bruder kehrt heim


Kapitel 2

Zwei Besucher im Fuchsrudel
Autor: Balrik