Geschichten:Die Rückkehr der Pfortensteiner - Nach hundert Jahren unvergessen

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17. Rondra 1044 BF, Schloss Sonnenfeld, Kaiserlich Randersburg, am Abend

Wulfhelm hatte sich gerade vom Gastgeber der Feierlichkeit verabschiedet, als er aus Richtung des Ballsaals laute Stimmen vernahm. Es waren zwei Frauenstimmen, die sich recht vernehmlich stritten. Wie er zu seinem Leidwesen feststellen musste, war Jeswines Stimme eindeutig dabei. Ihre Stimmung war schon den ganzen Abend nicht die beste gewesen, nachdem sie hatte feststellen müssen, dass ihr wegen der Schwangerschaft nicht nur ihr geliebtes Bier, sondern zu allem Überfluss auch der gute rote Almadaner des Junkers nicht bekam.

Eilig ging der Greifenfurter zum Ballsaal und fand tatsächlich seine Frau im Streit mit einer der anderen anwesenden Adligen wieder. Wenn er sich recht an den Namen erinnerte den Jeswine ihm bei der Ankunft zugeflüstert hatte, handelte es sich um eine Dame aus der Familie Erlenfall. Lechmin von Erlenfall, kam es ihm wieder in den Sinn. Eine Kriegerin, ohne Ritterschlag wie Jeswine betont hatte, die unweit des Schlosses das Rittergut ihrer Schwester verwaltete, seit diese zur Landvögtin von Rubreth ernannt worden war.

„Wer sagt, dass ich endlich einen Mann brauche?“, giftete die Erlenfallerin gerade lautstark. „Nur weil du Angst davor hattest, keinen mehr abzubekommen und dich verzweifelt diesem Halbork angebiedert hast, musst du nicht von dir auf andere schließen!“

Der Keilhotzers stöhnte innerlich auf und versuchte sich eilig einen Weg durch die Umstehenden zu bahnen ohne dabei allzu sehr anzuecken oder jemandem das Weinglas aus der Hand zu stoßen. Derweil gab zwischen den beiden Frauen weiter ein Wort das andere.

„Im Gegensatz zu dir hat mein Mann wenigstens eine ritterliche Erziehung genossen!“ Unüberhörbar schwang Stolz in Jeswines Stimme mit. „Wage es also nicht, so über jemanden zu sprechen, der seinen Ritterschlag empfangen hat!“

„Komm du mir nicht mit Ritterlichkeit, Pfortenstein!“ Das letzte Wort spie Lechmin förmlich aus. „Mögen auch hundert Götterläufe vergangen sein, so hat doch niemand hier vergessen, wie deine Familie damals zu Perval übergelaufen ist und Reichsforst feige verraten hat!“

Wulfhelm sah seine Frau erst erblassen und dann puterrot anlaufen, während sie unbewusst an ihre linke Seite griff, wo sich normalerweise das Schwert befand. Im Moment musste man wohl von Glück reden, dass es gerade genauso wie die Waffen der übrigen Gäste in der Rüstkammer des Schlosses aufbewahrt wurde. Auch im Großen Saal, wo man den Streit bisher unter missbilligendem Kopfschütteln oder amüsiertem Gemurmel verfolgt hatte, wurde es plötzlich totenstill.

„Genug jetzt!“ Junker Kesselstein zwängte sich durch die erstarrten Umstehenden und trat mit einem gehetzten Gesichtsausdruck zwischen die beiden Frauen. „Ihr seid Gast in meinem Haus in Travias und Tsas Namen. Also benehmt Euch entsprechend. Dies ist weder die Zeit noch der Ort für Händel!“ Dabei sah er seine Vasallin, die Vögtin von Dahlen, streng an. Mit einem milderen Gesichtsausdruck wandte er sich dann an Ritterin Jeswine. „Ehrenwerte Frau von Pfortenstein, bitte nehmt meine aufrichtige Entschuldigung für diese Unannehmlichkeit an.“

Ritter Wulfhelm war inzwischen hinter seine Frau getreten und legte ihr behutsam die Hand auf den Arm. Er konnte spüren, wie sie vor Wut zitterte. Der Keilholtzer hatte natürlich schon von der Reichsforster Fehde gegen Kaiser Perval gehört. Nicht zuletzt im vergangenen Götterlauf, als die ihm unterstellten Reichsforster Kämpfer die einfallenden Kaisermärker immer wieder einmal mit Pervals Schergen von damals verglichen hatten. Er war mit der Geschichte der Grafschaft aber nicht vertraut genug, um die Rolle der Familie Pfortenstein dabei sicher beurteilen zu können. Ihm war auf Grund der Reaktionen aller Anwesenden aber sehr wohl bewusst, dass die Erlenfallerin einen wunden Punkt getroffen haben musste. Als er versuchte sie am Arm ein wenig zurückzuziehen, machte sich Jeswine unwirsch von ihm los.

„Ich trage Euch nichts nach, Ritter Kesselstein“, presste die Pfortensteinerin schmallippig und mühsam beherrscht hervor und zwang sich den Blick für einen Moment von Lechmin abzulassen, um ihn anzusehen und den Kopf zu einem knappen Nicken zu beugen. Reto mochte inzwischen zum Junker von Sonnenfeld erhoben worden sein, doch waren er und seine Vorfahren seit Generationen als die Ritter von Kesselstein in der Grafschaft bekannt. Obschon Jeswine ihren Gastgeber also mit dem geringeren Titel angesprochen hatte, kam dies tatsächlich einer Respektsbekundung gleich. Ein Umstand, der allen Reichsforstern im Raum durchaus bewusst war und mit Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde.

Dann jedoch drehte sie sich wieder zu der Erlenfallerin um und trat bis auf einen halben Schritt an sie heran. „Hast du mir noch etwas zu sagen?“, fragte sie lauernd.

Betont lässig verschränkte Lechmin von Erlenfall die Arme vor der Brust und blickte in die Runde der versammelten Adligen, bevor sie in bissigem Tonfall antwortete. „Ich wüsste nicht, was ich noch hinzufügen sollte. Ich stehe dazu was ich gesagt habe. Das nennt man Ehre, das solltest du als Ritterin doch wissen.“

Wulfhelm spannte die Muskeln und war bereit jeden Moment nach vorn zu springen und Jeswine festzuhalten. Die Halsschlagader der Pfortensteinerin pumpte und sie schien drauf und dran der Erlenfallerin an die Gurgel zu springen.

„Dann sind der Worte genug gewechselt. Dann sehen wir uns auf dem Feld der Ehre.“ Jeswine von Pfortenstein wurde plötzlich sehr ruhig und trat zwei Schritte zurück. „Du hast es so gewollt, Erlenfall. Aber ich werde dafür sorgen, dass du es bereust.“ Demonstrativ wandte sie Lechmin den Rücken zu und verließ gemessenen Schrittes den Saal.

Der Kesselsteiner warf seiner Vögtin einen fast flehentlichen Blick zu, doch die Erlenfallerin schnaubte nur hochmütig, drehte sich um und verließ den Saal durch eine Tür auf der entgegengesetzten Seite.

„Was soll das bedeuten“, fragte Wulfhelm etwas perplex den Gastgeber. Kaum das Lechmin den Raum verlassen hatte, war heftiges Getuschel zwischen den Umstehenden ausgebrochen. Er hatte eine Ahnung und fürchtet die Antwort bereits zu kennen.

„Das bedeutet, dass erneut Reichsforster Blut fließen wird.“ Gequält sah Junker Reto den Greifenfurter Ritter an und fuhr sich mit der Hand über das plötzlich sehr müde wirkende Gesicht. „Als hätten wir nicht genug andere Probleme.“