Geschichten:Der uralte Bund (Prolog) – Nurinai ni Rian

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„Eine Hochzeit?“, fragte Nurinai ni Rían in die Stille der Nacht hinein, „Ach, ich weiß nicht...“

Yolande von Raukenfels lachte: „Für solche Überlegungen ist es jetzt doch reichlich spät, Narzisschen. Morgen sind wir da. Was sorgst Du Dich?“

Die Geweihte schmiegte sich noch enger an ihre Liebste: „Brauchen wir dazu nicht... hm... eine Einladung?“

Erneut lachte sie: „Darum sorgst Du Dich doch nicht wirklich?“

Zuerst schwieg Nurinai. Sie schwieg eine geraume Zeit, ehe sie mit brüchiger Stimme erklärte: „Was soll ich denn da? Wir kennen doch keinen von beiden...“

„Zerstreuung suchen“, erwiderte die Raukenfelserin schlicht, „Ich sehe doch wie die Fehde Dich zermürbt. Ich sehe, wie Du leidest, wie Du zweifelst, wie Du mit Dir selbst und Deiner Bestimmung ringst.“

„Ich dachte immer, ich könnte die Menschen verstehen, aber...“, gestand sich Nurinai ein, „... aber irgendwie verstehe ich sie nicht mehr. Sie sind mir fremd geworden. Sie haben so viel Leid und Verderben über sich selbst gebracht und wofür? Für Macht und noch mehr Macht. Für Aufstieg und Fall. Für Leben und Tod. Dabei schätzt es mein Herr ganz und gar nicht, wenn er sie zu früh holen kommen muss...“

Yolande hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn: „Ach, Narzisschen. Der Adel ist nun einmal so. Er giert unablässig nach Macht, Einfluss und Reichtum. Es ist seine Natur. Und allein die Aussicht auf einen Aufstieg lässt so manchen seine eigene Sterblichkeit vergessen.“

„Bist Du Dir denn Deiner bewusst?“

„Ich berate den Grafen doch nur“, beschwichtigte die Raukenfelserin, „Und zu den bedeutenden Beratern gehöre ich auch überhaupt nicht. Damit ist es fast ausgeschlossen, dass mir etwas zustößt.“

„Fast“, erwiderte die Geweihte da nur äußerst trocken, „Eine Ritterin bist du aber dennoch und sind es nicht gerade die Ritter höchst selbst, die nach Blut und noch mehr Blut dürsten?“

„Aber hör mal, Narzisschen, was hast Du erwartet?“, sie hielt einen Moment inne, „Der Harsteener hat billigend in Kauf genommen Lechmin und ihr Kind zu töten oder willst Du mir etwa erzählen, er hätte nicht gemerkt, dass das keine richtige Turnierlanze war?“

„Ist dem so?“, wollte Nurinai da wissen, „Und überhaupt, warum hätte er das tun sollen?“

„Weil der garetische Adel sich gegenseitig nach dem Leben trachtet. Sie wollen den anderen stürzen, um selbst aufzusteigen. Es ist, wie du sagtest: Macht und noch mehr Macht. Und je höher man den Blick hebt, desto eitler werden die Gecken. Und was ist der Hartsteener anderes als ein eitler Geck?“

„Er hat Niope vom See geheiratet. Sie ist nicht nur Koscherin, sondern sie ist auch...“

„... ein armes Ding“, entfuhr es der Raukenfelserin, „Irgendwann wird auch sie hinter die Fassade ihres Gatten blicken und dann...“ Wieder Schweigen. „Graf Drego konnte sich das nicht gefallen lassen, das verstehst Du doch? Was war ihm also anderes übrig geblieben?“

„Und was hat er bisher erreicht? Seine Grafschaft wird aufgerieben! War es das denn wirklich wert? Verzeih mir, aber Graf Drego ist schwach...“

„So wie auch Fürst Anshold...“

„Nur das er nicht Mitten in einer Fehde steckt, die ihm über den Kopf zu wachsen droht“, verteidigte die Koscherin ihre Heimat, „Du kannst mir sagen, was du willst, aber im Kosch hätte es der Fürst – ganz gleich ob nun Blasius oder sein unerfahrener Sohn Anshold – nie so weit kommen lassen. Er hätte nicht zugelassen, dass seine Untertanen sich gegenseitig abschlachten. Nein, das hätte er gewiss nicht...“

„Der Kosch mag da anders sein. Garetien ist es eben auch. Es ist die Kaiserin, Narzisschen, sie hätte schon längst für Ruhe sorgen können, ja sogar müssen, aber sie hat es nicht getan. Und das kann nur eines bedeuten: Es spielt ihr in die Karten. Warum soll sie sich um die Streitigkeiten ihrer Untergebenen kümmern, wenn die das selbst regeln?“, meinte Yolande da nur, „Das Kaiserhaus ist auch nicht mehr das, was es mal war oder... sein sollte.“

„Das geht mich ohnehin alles nichts an. Ich bin nur meinem Herrn und seiner Kirche verpflichtet und daneben dem Fürsten treu ergeben, wie ein jeder aufrechter Koscher“, erwiderte die Geweihte schlicht.

„Aber die Kaiserin ist doch auch Königin des Kosch?“, hakte die Ritterin nach.

„Mag sein. Das ändert aber nichts: Wir Koscher stehen treu zu unserem Fürsten. Daran wird kein Kaiser, der sich König über den Kosch und auch keine Kaiserin, die sich Königin über den Kosch nennt je etwas ändern. So sind wir nun einmal. Wir sind Koscher. Das werden wir immer bleiben.“

„Und doch bist du nun in Garetien und...“

„... und deswegen fällt es mir leichter keine Seite zu ergreifen, obgleich ich eingestehen muss, dass ich das Leid im Reichforst deutlicher vor Augen habe, als jenes anderenorts. Deswegen fällt es mir leicht zu verurteilen und zu mahnen. Vor den Göttern ist jede Seele gleich viel Wert, Honigkringelchen, ganz gleich woher sie stammt.“

Yolande strich ihr das Haar aus dem Gesicht: „Ich wünschte, es wäre so leicht, wie Du sagst. Leider ist es das nicht. Ich glaube, dass Du das weißt, schließlich kennst Du die Abgründe, in die viele von uns blicken nur zu gut. Du kennst sie sogar besser als ein jeder von uns, weswegen Du Dich nicht nur nicht fürchtest sondern auch genau weißt, was zu tun ist. Manchmal beneide ich Dich darum.“

Der Geweihten entfuhr ein kehliges Lachen, dann war es eine geraume Zeit lang still. Eng schmiegten sie sich aneinander, lauschten dem Herzschlag der anderen, fühlten ihre Wärme.

„Hast Du... Angst?“, hauchte Nurinai mit zaghafter Stimme.

„Wovor?“, wollte Yolande ebenso leise wissen.

„Davor, dass Du jemand treffen könntest, der Dich kennt.“

„Und weiß, dass ich verheiratet bin? Weil es das erste Mal ist, dass wir zusammen irgendwo auftreten?“, die Raukenfelserin schüttelte ihren Kopf, „Nein, ich habe keine Angst.“

„Gut“, meinte die Geweihte da nur, „Ich nämlich schon.“

Da stutzte ihre Gegenüber: „Du trittst furchtlos dem Tod gegenüber, aber das dumme Geschwätz derer da draußen ängstigt Dich?“

„Mein Herr wird nicht umsonst der Schweigsame genannt. Abgesehen davon, will ich nicht, dass Du ärger bekommst?“

„Mit wem? Etwa mit Olruk?“, sie lachte, „Olruk entlockt das gewiss nur ein müdes Lächeln, wenn ihm jemals jemand erzählen sollte, dass seine Gattin eine Liebschaft mit einer Frau hat. Und überhaupt, wer sollte denn da sein, der seine Stimme erhebt? Die eitlen Gecken des Fuchsrudels etwa?“ Sie lachte. „Ein toller Haufen ist das. Bei ihrem ganzen Bestreben nach besonders viel Ritterlichkeit, drehen sie sich vor allem um sich selbst, versuchen sich ständig gegenseitig zu übertreffen und haben das Wichtigste doch vergessen: Mäßigung und Demut.“ Sie hielt einen Moment inne. „Nun aber sollten wir schlafen. Auch Du, Narzisschen, schließlich will ich, dass du die best aussehendste Boron-Geweihte auf der ganzen Hochzeit bist.“

„Was nicht schwer sein wird“, gähnte die Rían da, „weil ich sehr wahrscheinlich die einzige sein werde.“

„Du bist die einzige für mich, das ist alles was zählt.“

Und während die Geweihte kurz darauf in den Armen ihres Herren ruhte, lag Yolande noch lange wach. Der Raukenfelserin war klar geworden, dass dieser erste gemeinsame Auftritt mit ihrer Liebsten sie durchaus in große Schwierigkeiten bringen konnte. Ihr Gatte Olruk war dabei gar nicht das Problem. Ihm würde das ganze gewiss nur ein müdes Lächeln abverlangen. Ein Verhältnis mit einer Frau? Angst vor Bastarden brauchte er also nicht zu haben. Brauchte er auch so nicht mehr, aber das brauchte er nicht zu wissen. Sie hatte ihm vom Verlust ihres letzten Kindes nichts gesagt. Es war besser so. Er war damals ja auch bereits fort gewesen. Wenn man es genau betrachtet, hatte er sich einfach davongestohlen. Wie oft hatte er ihr geschrieben? Das Problem war auch nicht seine Familie. Seine Schwester Helidora konnte ihn ohnehin nicht leiden und war abgesehen davon viel zu sehr mit ihrem Leben beschäftigt, als dass sie sich für Yolande interessierte. Nein, das Problem war ein anderes. Das Problem waren ihre Eltern. Nicht nur, dass Yolande auf ihre Bestreben Olruk geehelicht hatte, sie hatten diese Ehe auch vor Travia höchst geschlossen: Ihre Eltern waren beide Geweihte der Herrin Travia.



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Autor: Orknase