Geschichten:Das Land am Arvepass - Die richtige Wahl?

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Dorf Gunnishaag, Markgräflich Arvepass, 20. Ingerimm 1045 BF

Die alte Borchtrud hatte sich in ihren Thanstuhl zurückgelehnt und saß etwas erhöht vom Rest der Dorfgemeinschaft. Hier konnte sie ihrer Gemeinde beim Mahl zusehen und hatte alles im Blick. Das Feuer, auf dem die Speisen zubereitet worden waren, wurde klein gehalten. Es war auch ohne weitere Wärmequelle warm genug im Thanhaus.

Ihre Blicke blieben bei der Gruppe aus Burg Angareth hängen. Garrald, ein entfernter Verwandter, saß dort mit vier seiner Leute, nur der Landvogt fehlte. Die Gruppe um den einäugigen Adligen war vor zwei Tagen vor dem Dorf erschienen und um Gastung gebeten. Eine Bitte, die man ihnen nicht hatte abgeschlagen können und so wurden sie aufgenommen. Natürlich wurde der Besuch des neuen Lehnsherrn kritisch beäugt, meist waren es keine Anstandsbesuche, wenn der Adel sich so tief in die Zacken begab.

Zur Überraschung der Ai’than war Bärfried jedoch nicht hier, um Ungereimtheiten in den Abgaben aufzuklären oder persönlich eine schlechte Nachricht zu überbringen (manche Adlige ergötzten sich bekanntlich am Leid des einfachen Volkes, wenn dieses schlechte Nachrichten überbracht bekam - sagte man sich zumindest). Tatsächlich war er auf der Suche nach etwas oder besser gesagt jemandem.

Ihm wurde gesagt, dass der Troll Grollgump ganz in der Nähe des Dorfs seine Höhle haben sollte. Der Einäugige wollte den Troll aufsuchen, um Rat von diesem einzuholen. Er berichtete von seiner Begegnung mit einem anderen Troll und wie er daraufhin in die benachbarte Baronie reiste, in der Hoffnung Baron Strutzz könnte ihm helfen und erklären, wie er mit dem Troll namens Trosch umzugehen habe.

Tatsächlich kannte die alte Borchtrud Grollgump, hatte sie ihn doch vor gut zehn Götterläufen in diesen Hallen empfangen, mitsamt den Streitern, welche damals das Junkersgut Bergesruh befreit hatten. Seit diesen Tagen kreuzten sich die Wege der alten Kriegerin und des jungen Trolls immer mal wieder. Er lernte von ihr und der Dorfgemeinschaft die Sprache der Menschen und sie lernten von ihm die Geheimnisse der Berge.

Eine gewisse Bitterkeit stieg in ihr auf, als sie sich daran erinnerte, wie sie früher viel öfters den Weg zur Höhle ihres hitzköpfigen Freundes ging. Heute trafen sich die beiden im Grunde nur noch im Dorf, der Troll hatte sogar einen eigenen passenden Stuhl für die Tafel bekommen. Ein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken. Garrald hatte sich neben sie gestellt und blickte ihr entgegen.

“Ah Garrald, ich hoffe das Mahl ist zu deiner Zufriedenheit?”. Der Angesprochene nickte knapp, während er sich auf den Stuhl neben der Ai’than setzte. “Das Bier fließt reichlich und das Essen schmeckt, die Musik ist angenehm und die Leute lachen. Was könnte ich mir mehr wünschen?”. “Und doch bedrückt dich etwas?”, Garrald nickte nachdenklich.

“Unser neuer Herr ist bestrebt, die Geheimnisse des Landes zu erforschen und den Bund zwischen Land und Herrscher zu erneuern. Das ist gut, doch ich frage mich, ob er der Richtige ist? Er kommt zwar aus einer Zackenfamilie, doch sind die Firunslichter uns nicht näher?”. Die Gastgeberin musterte ihren Verwandten eindringlich, ehe sie sich abwandte und in den Raum blickte. Nachdenklich ruhten ihre Blicke auf der Feuerstelle.

“Spricht da aufrichtige Sorge aus dir, oder doch der Wunsch, den Sohn eines alten Freundes in die Fußstapfen des Vaters treten zu lassen?”. Die alte Frau blickte müde, fast schon mit geschlossenen Augen zu ihren Verwandten.

Der Mann stutzte ob dieser Worte und blickte kurz verunsichert zu ihr, schüttelte schließlich jedoch entschieden den Kopf. “Natürlich erachte ich Oswin noch immer als den besseren Kandidaten! Doch davon ab wirkt der neue Landvogt unerfahren, unbeholfen und zu naiv auf mich! Er hat sich im Königreich verdient gemacht, doch hat er denn wirklich das, was es braucht, um zu herrschen?”.

Borchtrud schnaubte belustigt aus. So politisch hatte sie ihr Gegenüber gar nicht eingeschätzt. Ob dieser Wesenszug schon immer in ihm schlummerte oder erst über die Jahre in Angareth herangezüchtet wurde? Sie wusste es nicht und wahrscheinlich würde sie es nie erfahren. “Wir sollten ihm die Möglichkeit geben, sich zu beweisen. Findest du nicht? Ich habe das Gefühl, dass unser neuer Landvogt es versteht die Leute um sich herum zu überraschen”.

Garrald verschränkte missmutig die Arme vor seiner Brust. Das musste die Großmütigkeit des Alters sein. Doch ihm war sowas fremd.