Geschichten:Auf wirrenden Pfaden - Falbingers letzte Worte

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Pfalz Breitenhain, Ende Praios 1042 BF

Auf dem Innenhof der Kaiserpfalz war mächtig viel Trubel. Fässerweise wurden Wein und Bier in die Keller des verwunschenen Schlosses in den Tiefen des Reichsforsts gerollt, zusammen mit ganzen Wagenladungen an Gemüse und Säcken voller Getreide. Die Vorbereitungen zur großen Hochzeit zwischen Pfalzgraf Trisdhan Ulaman von Hartsteen und der Witwe seines Vorgängers, Rondrian von Hartsteen, liefen auf Hochtouren und kaum jemand beachtete die drei windigen Gestalten, die sich im Schatten eines der großen Türme lümmelten.

Sie hatten sich als Söldner verdingt, die Teile der Vorräte aus Hirschfurt und Gareth bis nach Hornbeil begleitet hatten, und nichts unterschied sie von den anderen üblichen Heldengruppen, die für gutes Gold in jeder zweiten Taverne angeworben werden konnten.

»Watt jenau machen wir hier eigentlich?«, raunzte der Tobrier in seinen Schafspelzen sichtbar unwirsch in die Runde. »Khunschom liegt doch nich im Norden Garetiens. Jedenfalls beim letzten Mal nich, als ich da unten die Töchter der Sonne jeschändet habe. Hehehe.«

»Beim großen Bart des grimmen Angrosch«, murmelte der Zwerg in seinen geflochteten Bart und fingerte an seinem Bolzenköcher herum, »Butterfett wird sich was dabei gedacht haben.«

Mit finsterer Miene nickte der große Utulu nur zustimmend, was die Knochen an seiner Halskette leise zum klickern brachte.

Sie ließen ihren Blick schweifen über die sie umgebende Hektik. Gerade erreichte eine Gruppe Reiter die Pfalz. Lachend warfen sie den Stallknechten ihre Zügel zu, und machten ein paar abschätzige Bemerkungen über den Zustand der Gemäuer, die nur notdürftig vom Wuchs des wuchernden Reichsforst befreit worden war. Plötzlich spannten sich die Muskeln der drei Männer an, denn nun erkannten sie die Wappen der Adligen. Rot-schwarz geviert mit dem silbernen Kerkertor im oberen rechten schwarzen Feld. Höllenwall. Und offensichtlich hatten die Eslamsgrunder die drei Kopfgeldjäger ebenfalls erspäht.

Einer von ihnen löste sich von der Gruppe und schlenderte lässig in ihre Richtung, schritt an ihnen vorbei und stellte sich unbemerkt von den herumwuselnden Dienern hinter einen Mauervorsprung.

»Was habt ihr hier verloren?«, zischelte Malphias von Helburg leise die drei Söldner an. »Ihr sollt die Ratte von Sertis finden und kalt machen, nicht den neuen Waschlappen hier.«

»Informationen«, tönte es blechern neben ihnen.

Unbemerkt hatten sich die beiden anderen Kopfgeldjäger dazugesellt. Mit seinem verbeulten Topfhelm und seiner vor Dreck starrenden Rüstung sah Butterfett aus wie eine Gestalt aus ein Witz aus einer lustigen Kindergeschichten, in welcher sich der große Widersacher immer als dummer Tölpel herausstellte. Nur war es in diesem Fall immer Butterfett, der zuletzt lachte, wenn seine Gegner vor ihm in ihrem eigenen Blut lagen. Neben ihm stand die zierliche Tulamidin, das Gesicht mit einer feinen Maske verborgen.

»Eure Spur ist so kalt, dass nicht einmal eure Bluthunde die Fährte nach eurem Opfer aufnehmen konnten«, bemerkte die Magierin eisig. »Ihr habt Euch daher für die Besten entschieden, diesen Auftrag auszuführen, zu dem ihr Euch offenkundig als unfähig erwiesen habt.«

Verärgert wollte Malphias der unverschämten Südländerin ins Wort fallen, aber er besann sich noch rechtzeitig, als sein Blick in die hier versammelte Runde fiel. Keiner dieser Verbrecher würde auch nur einen kurzen Moment zögern, sein Leben zu beenden und seinen abgetrennten Kopf bei einem der zahlreichen Feinde der Familie Helburg zu gutem Gold zu machen.

Ruhig fuhr die Magierin, die alle nur Bluthand nannten, fort: »Und es ist auch keine Schande, einem solchen Auftrag nicht gewachsen zu sein. Ihr habt halt andere Qualitäten, die Eurem Herrn wichtig genug sind, dass er Euch am Leben lässt.«

»Wir brauchen mehr Informationen über das designierte Opfer«, wiederholte Butterfett. »Der Hass Eures Herren macht in blind für eine klare Einschätzung seines Gegners. Er verachtet ihn, hält ihn für töricht und unfähig. Und doch ist er ihm entwischt, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Wo, wenn nicht hier, sollten wir besser in Erfahrung bringen können, wer Hilbert von Hartsteen ist.«

»Was habt ihr herausgefunden?«, fragte der Utulu mit dröhnender Stimme. Auch die anderen warteten gespannt auf den Bericht ihrer Kameraden, und Malphias beugte sich leicht herüber, um die leise Stimme der Tulamidin genau zu verstehen.

»Ich habe eine kurze intime Unterredung mit dem Kastellan der Pfalz, Reo Rondriol vom Wirsel, führen können, gedankt sei den arkanen Künsten der Täuschung und Betörung. Ein Mann, so naiv wie ein Kind und ohne nennenswerte Urteilskraft. Er lässt sich leicht von starken Persönlichkeiten einschüchtern und hinterfragt nur sehr wenig. Er hielt nur sehr wenige Informationen für uns bereit, bis auf eine noch zu untersuchende Spur nach Almada. Ganz anders eine andere Person aus dem Schloss.«

Die Augen der Magierin begannen zu funkeln.

»Hoch oben, dort in diesem dem Wald zugewandten Turm, hat der alte Schreiber der Pfalz, Noralec Falbinger, sein Gnadenbrot bekommen, völlig erblindet und so alt und tattrig, dass er die Schwingen Golgaris seit längerem schon längst deutlich hört. In den Namenlosen Tagen hat er sich ein Fieber geholt, dass ihn bis heute bis ins Delirium quälte. Ich musste ihn nicht täuschen oder verzaubern, er hielt mich von sich aus in seinem Wahn für sein früheres Liebchen. ,Griselda, Liebste, bist du aus Borons Hallen auferstanden, um mich abzuholen?‘ Und da hat er angefangen zu erzählen, von seinem Leben auf der Pfalz, von seiner Arbeit für den kauzigen Perz und den umtriebigen Valposhof. Von dem alten Hartsteener Schwerenöter, der so bitter dahingesiecht ist, und dessen kluger Tochter Lydia Yasmina, in deren Diensten er nochmal aufgeblüht war. Und dann von ihrem missratenen und hinterhältigen Bruder Hilbert, der die Reichsvogtei erst durch eine schändliche Intrige gemeinsam mit seinem zwielichtigen Kameraden aus dem Süden gegen seine Schwester bekommen haben soll. Wie sehr er unter diesem schrecklichen Menschen gelitten hatte, der - das waren seine letzten Worte - ,in einer schrecklichen Nacht erst seine eigenen Diener gemeuchelt, und dann seine eigene Frau und seine vier Kinder eigenhändig ermordet hat‘.«

Malphias traute seinen Ohren kaum. »Das soll Hilbert getan haben? Das klingt mir sehr unglaubwürdig.«

Die Magierin zuckte nur mit den Schultern. »Das habe ich ihn auch gefragt, aber es kam nur noch ein leises Röcheln aus ihm heraus. Ich habe ihm dann das Kissen vor das Gesicht gehalten, um ihn von seiner Qual zu erlösen.«

Butterfett rückte seinen Topfhelm zurecht. »Wir wünschen Euch noch eine schöne Feier hier. Ich hörte übrigens Gerüchte, dass der Fürst von Albernia persönlich erwartet würde. Aber das kann auch nur der dumme Tratsch im Diensttrakt gewesen sein.«

Mit einem Handzeichen gab er den anderen zu verstehen, dass es Zeit war, aufzubrechen und die Spur ihres Opfers aufzunehmen.

Malphias blickte den fünf zwielichtigen Gestalten hinterher, sah wie sie durch das Schlosstor im Reichsforst verschwanden. Er musste dringend Malepartus diese Geschichte zu Ohren kommen lassen, und, so dachte er weiter, schaden würde es auch nicht, wenn er sie auch nach Mor'Tres bringen würde.