Benutzer:Robert O./Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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== DEUS VULT ==
 
== DEUS VULT ==
=== Keine goldenen Zeiten ===
 
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[[Nebendarsteller ist::Greifenfurt:Ardo von Keilholtz|Ardo von Keilholtz ä.H.]]
 
 
Baron zu Kressenburg
 
 
|Text=Praios zum Gruße!
 
 
Uns ist durch seine Hochwürden [[Briefspieltext mit::Greifenfurt:Badilak von Praiostann|Badilak von Praiostann]] kund getan worden, dass Ihr in den Euch zum Lehen gegebenen Kressenburger Landen den Neubau eines dem Herrn Praios geweihten und seinem Diener Garafan gewidmeten Tempels in Angriff nehmen wollt. Wir begrüßen dieses Unterfangen ausdrücklich und erteilen Euch dafür den Segen des Götterfürsten.
 
 
Uns wurde ebenso Euer Wunsch mitgeteilt, dass sich die Kirche des Götterfürsten an den anfallenden Kosten Eures Bauvorhabens beteiligen möge. Hierzu sei Euch gesagt, dass die Mittel die der Praios-Kirche in den Landen der Markgrafschaft Greifenfurt zur Verfügung stehen begrenzt sind. Dem gegenüber erscheinen uns die Aufgaben und Verpflichtungen denen Wir Uns derzeit gegenübersehen so mannigfaltig, dass Wir sie nicht in einfache Worte oder Zahlen zu fassen vermögen. Das sorgsame Auge des Götterfürsten liegt derzeit auf den Teilen der Mark, welche die Bürden der vergangenen Götterläufe weniger unbeschadet überstanden haben, als es bei den Kressenburger Landen der Fall ist.
 
 
Wir vertrauen darauf, dass Ihr das Versprochene und Begonnene zu Ehren des Götterfürsten mit der gebotenen Ernsthaftigkeit vorantreibt. Unsere Gebete werden Euch auf diesem Weg begleiten.
 
 
Die Zwölfe mit Euch, Praios voran!
 
 
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[[Hauptdarsteller ist::Greifenfurt:Praiomon Caitmar von Dergelstein|Praiomon Caitmar von Dergelstein]]
 
 
Illuminatus der Mark Greifenfurt
 
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=== Klinkenputzen ===
 
=== Klinkenputzen ===
 
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Baron zu Kressenburg
 
Baron zu Kressenburg
 
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=== Der Wille allein ===
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Ardo beratschlagt mit Phexian und Durac über den Bau des Praios-Tempels
  
 
=== Ein Tempel für Answin ===
 
=== Ein Tempel für Answin ===

Version vom 21. Mai 2013, 06:12 Uhr

Keilholtzer Neuordnung

Unerwartete Nachrichten

Greifenfurt, Gasthaus Grafenhaupt, Anfang Rondra 1036 BF

Das Gasthaus Grafenhaupt war an diesem Abend gut besucht. Nur mit Mühe hatte Wulfhart noch einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke gefunden. Ein halbes Stundenglas lang wehrte er alle Tischnachbarn ab, bis endlich sein Sohn das Lokal betrat. Schneidig sah er aus in seiner Uniform und mehr als eine Frau im Raum warf ihm einen zweiten Blick zu, als er sich durch die Stühle und Bänke seinen Weg bahnte.

"Vater." Fast förmlich neigte Rondwin den Kopf, bevor er sich setzte. Mit einem kurzen Handzeichen gab er bei der nächsten Schankmaid seine Bestellung auf. Sie verstand sofort und beeilte sich, denn der junge höfliche Offizier war ein gern gesehener und häufiger Gast. "Du hast mich wissen lassen, dass du mich noch heute Abend hier sprechen willst?" Wulfhart verließ Kressenburg selten genug, um seinen Sohn ahnen zu lassen, dass er wegen etwas Wichtigem gekommen war. Das machte Rondwin neugierig.

"So ist es. Es gibt ein paar wichtige Sachen, die du erfahren sollst, denn sie betreffen die Familie aber auch dich direkt. Ich war bis vorgestern auf Reisen, sonst hätte ich dich eher aufgesucht, und was ich dir zu sagen habe, wollte ich keinem Brief oder Boten anvertrauen."

"Bitte Vater, rede nicht so lange um den heißen Brei herum. Du siehst mich bereits über die Maßen aufmerksam." Ein mildes Lächeln stahl sich auf die ersten Züge des jungen Keilholtzers. "Du weißt doch, für Geheimnisse war ich schon immer zu haben."

"Nun ja, es ist in diesem Sinne kein Geheimnis und soll es auch nicht sein. Aber die vereinbarten Termine zwingen uns zu einer gewissen Dringlichkeit." Wulfhart unterbrach sich, um von der Schankmaid sein Bier entgegenzunehmen. Sein Sohn schenkte der jungen Frau ein warmes Lächeln, als er seinen Krug nahm, und bat den Vater dann mit einem Nicken fortzufahren. "Gut. Zuerst will ich dir sagen, dass ich wieder heiraten werde. Der Bund wird Mitte Travia in Dreihügeln geschlossen, unten im Nardesfeldschen."

Rondwins Augen weiteten sich und sein Mund blieb ihm vor Überraschung offen stehen. "Nicht möglich! Vater du siehst mich vollkommen überrumpelt. Wer ist sie? Dreihügeln? Ich habe gehört dort soll es eine neue Perlvögtin aus dem Schlund geben, die mit uns entfernt verwandt ist."

Wulfhart nickte leicht. "So ist es. Junkerin Gramhild stammt aus einer Seitenlinie des jüngeren Hauses. Sie ist in etwa in meinem Alter, etwas jünger, und eine alte Bekannte des Barons. So kam sie an das Amt, als der alte Perlvogt verstarb."

"Ich verstehe." Der junge Mann lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sann darüber nach, was es für ihn wohl bedeuten würde eine Stiefmutter zu haben. "Und diese Junkerin Gramhild wirst du nun also heiraten?"

"Nein," antwortete der Ältere schmunzelnd. "Ich heirate ihre Tochter Rahjamunde."

Vor lauter Verblüffung vergaß Rondwin nun vollends den Mund wieder zu schließen. "Die Tochter? Aber wenn die Junkerin jünger ist als du, dann...?"

"Ja, Rahjamunde ist in deinem Alter, etwas jünger sogar noch." Wie schon beim Gespräch mit seinem ältesten Sohn Ardo konnte sich Wulfhart ein leichtes Grinsen ob der Reaktion nicht verkneifen. "Jetzt tu nicht so, als ob dein alter Vater nicht im Stande wäre seinen Travia-Pflichten nachzukommen und gewöhne dich besser schnell an den Gedanken, dass deine Stiefmutter eine ausnehmend hübsche junge Maid ist. Du und deine Brüder werdet uns nämlich vor den Geweihten geleiten."

"Mit dem größten Vergnügen. Ich kann es kaum erwarten sie kennenzulernen." Noch immer vor Unglauben den Kopf schüttelnd trank Rondwin ein paar große Schlucke aus seinem Krug, um die Nachricht zu verdauen. "Das wäre also die erste Botschaft. Verrate mir lieber schnell die nächste, sonst falle ich vor Staunen noch vom Stuhl."

"Die zweite Nachricht, die ich für dich habe, mein Sohn, ist die, dass du noch vor mir den Travia-Kreis beschreiten wirst." Wulfhart bemühte sich seine Gesichtszüge zu bändigen, damit Rondwin seine Aussage nicht als Scherz missverstehen konnte.

"Moment bitte." Der junge Mann stellte den Bierkrug mit zitternden Händen auf dem Tisch ab. Als er feststellte, dass sein Vater sich keinen Spaß mit ihm erlaubte, versteinerte seine Miene förmlich. "Das ist dein Ernst?"

"Ja, das ist es." Wulfhart nickte nachdrücklich und stellte seinen Humpen ebenfalls beiseite. "Der Baron von Sindelsaum, einer unserer Koscher Nachbarn und Waffengefährte deines älteren Bruders, hat uns gebeten, für seine Tochter Yolande einen Ehegatten aus der Familie Keilholtz zu finden. Er wünscht sich einflussreiche Freunde in Greifenfurt und ist gewillt einen nicht unbeträchtlichen Teil seines ebenfalls nicht unbeträchtlichen Vermögens in die Wacht am Finsterkamm fließen zu lassen. Natürlich wird das auch unserer Familie zu Gute kommen."

"Aber warum ausgerechnet ich, Vater?" In Rondwins Stimme lag ein Hauch von Verzweiflung. "Ich habe noch zwei Brüder, die dem sicherlich offener gegenüberstehen würden."

"Ganz einfach," begann Wulfhart ruhig zu erklären. "Für Firnward habe ich bereits andere Pläne und Travhelm steht sowieso nicht zur Debatte. Du und Yolande seid in etwa im selben Alter. Sie hat zuletzt an der Seite ihren Schwertvaters in der Wildermark gekämpft und nach der Märkischen Schlacht dort den Ritterschlag erhalten. Ihr Vater hat sich beim neuen Meister der Mark um ein Lehen für seine Tochter bemüht. Soweit ich weiß, wird sie ein Junkerngut in Weihenhorst erhalten. Du machst also eine blendende Partie." Der Ritter wusste, dass er seinen Sohn böse überrumpelt hatte und versuchte ihm nun alles schmackhaft zu machen. Auch wenn es letztlich nicht darauf ankam, denn Wulfhart war das Familienoberhaupt und seine Söhne hatten ihm zu gehorchen.

"Ich will diese Yolande von und zu Sindelsaum nicht ehelichen, Vater." Mit merkwürdiger Ruhe hatte Rondwin die Worte gesprochen, mit denen er seinem Vater das erste Mal im Leben widersprach. "Wärst du damit vor einigen Wochen gekommen, hätte ich mich deinem Wunsch ohne zu Zögern gefügt, doch jetzt sehe ich mich dazu außerstande."

"Was soll das heißen, Junge?" Jetzt war es Wulfharts Miene, die zu Stein wurde, während er seinen Zweitgeborenen streng musterte. "Hast du dich etwa ohne mein Wissen bereits gebunden?"

"Nein, das nicht. Zumindest nicht vor Travia," wand sich Rondwin verlegen und sah auf die Tischplatte. "Aber es gibt da ein Mädchen, Vater, und... sie erwartet mein Kind. Ich habe ihr versprochen sie zu heiraten, bevor ihr Zustand allgemein bekannt wird." Kaum war es heraus, schaute der junge Mann auf und sah seinen Vater besorgt an. Das letzte, was er provozieren wollte, war ein Familienstreit in einer vollbesetzten Taverne.

Wulfhelm indes blieb für ihn selbst überraschend ruhig. Auch er war nicht auf Streit aus, sondern versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Er atmete dreimal tief durch und lehnte sich dann zu seinem Sohn nach vorn. Um ein wenig Zeit zu bekommen seine Gedanken zu ordnen, stellte er erst einmal nur eine einfache Frage. "Wer ist das Mädchen?"

Rondwin sah sich um und deutete dann mit einem Nicken zu der Schankmagd, die sie beide bedient hatte. "Ihr Name ist Hildelind. Sie und ihre Familie sind aus der Wildermark geflohen und sie arbeitet seit ein paar Monden hier. Ich habe bei der letztjährigen Zwölfgöttlichen Turney im Rahja zu viel getrunken und erwachte am nächste Morgen mit ihr auf einem der Zimmer." Flehend griff er nach des Vaters Hand. "Ich bitte dich, Vater, ich habe es ihr bei meiner Ehre versprochen. Außerdem wird ihr Vater sie zum Stadttor hinausprügeln, wenn er es erfährt. Sie hat furchtbare Angst deswegen. Nachdem sie es mir gebeichtet hatte, konnte ich sie nur mit Mühe davon abbringen sich in die Breite zu stürzen. Hab auch Mitleid mit ihr und lass sie nicht für meinen Fehler büßen. Es ist meine Verantwortung und ich akzeptiere jede Strafe, wenn sie nur nicht darunter zu leiden hat."

"Es ehrt dich, dass du die Verantwortung übernimmst und sie zu schützen versuchst. Doch zu einer rahjagefälligen Nacht gehören immer zwei." Noch immer grübelte Wulfhart über die Folgen des Geschehenen. "Wann hattest du eigentlich vor es mir zu sagen?"

"Ich weiß es selbst erst seit ein paar Tagen. Seitdem habe ich gegrübelt, wie ich dich um deine Segen bitten sollte. Dann kam gestern deine Nachricht, dass du mich treffen willst. Da dachte ich, die Götter hätten es so gefügt und wollte es dir heute offenbaren."

Der Vater betrachtete die Hand seines Sohnes lange, ehe er zu einem Entschluss gekommen war. Er löste den Griff und beugte sich vor, damit er sicher war, dass nur Rondwin ihn verstehen würde. "Hör mir genau zu mein Sohn. Du wirst Yolande von Sindelsaum am 30. Tag des Rondramondes auf der Kressenburg ehelichen und ihr in Travias Namen ein treuer Ehegatte sein, mit allen Rechten und Pflichten. Ich verlange nicht, dass du sie liebst, aber du wirst deine Pflicht tun. Betrachte es meinethalben als deine Strafe. Um dein Liebchen werde ich mich kümmern. Ihr geschieht nichts Böses, das verspreche ich dir. Ich sorge dafür, dass es ihr und dem Kinde an nichts mangeln wird. Doch von dir verlange ich, dass du dich ab sofort und in Zukunft von ihr fernhälst. Du wirst noch heute deine Sachen packen und mich morgen früh zurück nach Kressenburg begleiten. Sollte irgendetwas davon herauskommen und unseren Vertrag mit dem Sindelsaumer gefährden, werde ich das Mädchen wie eine heiße Rübe fallenlassen. Hast du mich verstanden?"

"Klar und deutlich Vater." Rondwins Stimme war leise und tonlos. "Ich bin dein getreuer Sohn und gehorche." Seine Gestalt sackte auf dem Stuhl zusammen bevor er sich daran erinnerte wo er sich befand und um Haltung bemüht den Rücken und die Schultern durchstreckte. "Wenn du mich entschuldigst Vater, ich möchte jetzt zur Garnision zurückkehren und anfangen zu packen."

"Natürlich mein Sohn. Ich erwarte dich bei Sonnenaufgang an Answins Sicht." Mit einem stummen Nicken verabschiedete sich Rondwin vom Vater und verließ eiligen Schrittes das Gasthaus, während Wulfhart sich mit einem schwerem Seufzen wieder seinem Bier zuwandt.

Versöhnung im Garten

Kressenburg, Mitte Efferd 1036 BF

Mit einem Lächeln hatte Wulfhart die Nachricht über das Eintreffen seines Bruder entgegen genommen und war sogleich in den Burghof hinab geeilt um ihn zu begrüßen. Dort angekommen sah er nur den altbekannten Packesel den Roderich zu reiten pflegte. Auf seinen fragenden Blick hin wieß ihn der Stallknecht wortlos den Weg und formte dabei mit seinen Händen einen Spitzhut über dem Kopf. Wie Wulfhart erwartet hatte fand er seinen Bruder im Garten der Burg, wo der Peraine-Geweihte angeregt mit dem Hofmagus seines Sohnes diskutierte. Beim Näherkommen glaubte er sie über eine Knolle aus der bornischen Heimat des Magiers reden zu hören, doch unterbrachen sie ihr Gespräch als sie den Ritter kommen hörten.

"Meister Wasjeff, wenn es keine Umstände macht," sagte Wulfhart ohne in seiner Stimme den Zweifel aufkommen zu lassen, dass es sich nicht um einen Befehl handeln könnte, "würde ich meinem Bruder gerne gebührend und in Ruhe wilkommen heißen."

Der Magier schien einen Moment wegen der Greifenfurter Direktheit irritiert zu sein, fing sich jedoch sogleich wieder als er merkte, dass Wulfhart es durchaus ernst meinte. "Natierlich Eier Wohljeboren. Eier Gnaden, wenn es Eich beliebet wierde ich mich freien unser Jespräch zu ejnem späteren Zejtpunkt in mejnem Turmzimmer zu vertiefen." Mit einer schnellen Verbeugung vor den beiden Keilholtzern zog sich der Norburger diskret zurück.

Wulfhart wartet einige Augenblicke bis die Schritte des Magiers über den Burghof verhallt waren. Dann schlos er seinen Bruder herzlich in die Arme. "Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich freue, dass du meiner Einladung gefolgt bist!"

"Aber das war doch selbstverständlich." Der hagere Geweihte lächelte milde und klopfte dem älteren Bruder sacht auf die Schulter. "Wann erlebt man schon einmal, dass ein geliebter Mensch ein zweites Mal geboren wird. Du siehst um Jahre jünger aus wenn ich das sagen darf. Die junge Dame scheint dir wohl zu tun."

"Fang du nicht auch noch an!" Gespielt genervt verdrehte Wulfhart die Augen und nahm einen Schritt Abstand. "Du glaubst nicht, wie meine Söhne mich deswegen bereits aufziehen. Immerhin haben sie ihren alten Gockel von einem Vater lange nicht verliebt gesehen und jetzt wiehern sie bei jeder Gelegenheit wie die Pferde."

"Lass sie erst einmal in unser Alter kommen, dann werden sie es besser verstehen, Bruder. Es wird mir auf jeden Fall eine Ehre sein dich nach Dreihügeln zu begleiten und der Zeremonie beizuwohnen. Nur leider", sprach er weiter während er entschuldigend die Schultern hob, "war es Brunhilde und den Kindern nicht möglich mitzukommen. Meine Bruni ist wieder von Tsa gesegnet und wird in wenigen Wochen niederkommen. Die anderen sind ja auch noch so klein und der Weg recht weit, da wollte ich deine Reisegesellschaft nicht noch zusätzlich belasten."

Forschend sah Wulfhart den Bruder an. "Du versteckst sie noch immer in deinem Kloster als wären es Bastarde. Du weißt, dass du das nicht musst Roderich. Sie sind Teil der Familie und wir hätten uns gefreut wenn sie mit ihrem Lachen die Kressenburg erfüllt hätten."

"Sind sie das?" Die Augen des Sub-Priors wurden eine Spur traurig. "Ich entsinne mich des Briefes von Onkel Bogumil noch sehr gut. Niemals wollte er eine dahergelaufene Bauerntochter und ihre Bälger in der Familie willkommen heißen. Ich habe nicht gehört, dass er seine Meinung diesbezüglich geändert hatte."

"Das wird er wohl auch nicht. Aber das ist auch nicht länger von Belang." Mürrisch wischte Wulfhart mit der Hand durch die Luft. "Bogumil hat den Bogen einmal zu oft überspannt. Ardo und ich haben ihm letztens in Grambusch zurechtgestutzt und jetzt mag er mit seiner Brut im Finsterkamm versauern. Wir haben uns von ihm losgesagt. Ich bin jetzt das Oberhaupt des Hauses Keilholtz."

"Das kommt, nun, sehr überraschend." Roderich machte große Augen und sah seinen Bruder mit neu gewonnenem Respekt an. "Ich hätte ehrlicherweise nicht damit gerechnet, dass ich diesen Tag noch erleben würde. Natürlich hat es mich recht wenig gekümmert, denn meine Position in der Kirche hat mich immer vor Onkel Bogumils Machtansprüchen geschützt. Aber Vater und du hattet nie für mich und Bruni Partei ergriffen, Wulfhelm ist gar bis in die Wildermark geflüchtet um seinem Zugriff zu entfliehen. Woher der plötzlich Sinneswandel? Die Weisheit des Alters?" Fast schelmisch blickte der sonst so ernste Geweihte auf die grauen Strähnen im schwarzen Haar seines Bruders.

"So kann man es nennen." Grinsend fuhr sich Wulfhart durch die Haare, denn ihm war die Anspielung nicht entgangen. "Eigentlich war Ardo der Mann hinter der ganzen Sache. Seine Machtposition als Baron zusammen mit seinem Unwillen sich weiterhin aus dem Finsterkamm bevormunden zu lassen haben auch mich nachdenklich werden lassen. Als Bogumil dann auch noch meine Lisande für seine Pläne haben wollte, hat das für mich das Fass zum Überlaufen gebracht."

"Die Kinder sind eines Mannes höchstes Gut." Einen Augenblick schaute Roderich sinnend gen Nordosten in den nahen Reichsforst, wo irgendwo versteckt das kleine Peraine-Kloster lag aus dem er angereist war. "Ich verstehe dich nur zu gut Bruder und ich freue mich, dass es endlich soweit gekommen ist. Bogumil und sein Festhalten an Patriarch Boromils merkwürdigen Ansichten haben die Familie fast zerstört. Jetzt aber ist der faulige Zweig abgeschnitten und neue Triebe können an seiner statt sprießen."

"So ist es. Und mit Brunhilde und euren Kindern will ich gerne dabei anfangen." Fest sah Wulfhart dem jüngeren Bruder in die Augen. "Ich nehme deine Frau und die Kinder als vollwertige Mitglieder des Hauses Keilholtz in die Familie auf. Ihnen sollen alle Rechte und Pflichten zuteil werden, die ihnen aufgrund ihrer edlen Geburt gebühren. Sie sollen unser Wappen tragen und keine Kränkung gegen sie soll durch die Familie ungesühnt bleiben."

"Das ist ein großzügiges Angebot Wulfhart und ich danke dir dafür. Tatsächlich ist es das, was ich mir bereits vor sieben Jahren von Vater und Onkel Bogumil erhofft hatte." Der Geweihte war gerührt, dass ihm die Erfüllung seines weltlichen Lebenswunsches hier so plötzlich und unvermittelt ermöglicht wurde. "Bruni wird sicherlich im Kloster bleiben wollen. Sie hat Wehrheim nie vergessen können und braucht die Ruhe und Abgeschiedenheit. Aber die Kinder sind noch jung. Sie werden das Kloster kaum vermissen und sollen die Möglichkeit bekommen mehr aus ihrem Leben zu machen als die Äcker des Klosters zu pflügen. Sicherlich ist es ein Peraine gefälliger Dienst, aber nicht jeder ist dafür geschaffen." Roderich hob den Blick zur Burg und fasste seinen Stecken fester. "Ich werde es mit Brunhilde besprechen wenn ich von deiner Vermählung heimgekehrt bin. Bis dahin lass mich darüber nachdenken. Ich bin mir sicher, dass es deinen Nichten und Neffen gefallen würde durch die Gänge der Kressenburg zu tollen. Doch nun würde ich mich sehr darüber freuen, wenn du mich endlich zum Begrüßungstrunk laden würdest."

"Sehr gerne Bruder." Lachend wand Wulfhart sich zum Burghof um und ging voran. "Ugrimmm hat schon Anweisung bekommen das Starkbier anzuzapfen. Das bringt dich schonmal wieder in Übung, denn mir ist zu Ohren gekommen, dass meine zukünftige Schwiegermutter für die Feierlichkeiten Wagenladungen voll Zwergenbräu erhalten hat."

Ein wilder Märker

Kressenburg, ??? 1036 BF

Heimkehr von Wulfharts jüngerem Bruder Wulfhelm, der mit Ludalf von Wertlingen in der Wildermark war

Schlagwetter

Kressenburg, Ende 1036 BF

Den alten Junker Bogumil trifft der Schlag.

DEUS VULT

Klinkenputzen

An Ihre Wohlgeboren

Turike zu Stippwitz

Burgvögtin zur Praiosburg
 
 
 
 
Werte Base,

schon ist ein Götterlauf geschwind ins Land gezogen, seitdem Ihr mit Eurem Gatten zu Gast auf meinem Hochzeitsfeste in Kressenburg weiltet.

Leider ermöglichen mir meine Geschäfte derzeit keine Reise ins Hartsteensche, doch entsende ich Euch meinen Herrn Vater mit den besten Grüßen. Ich hoffe, dass ich Euch damit eine Freude bereite, begleitet ihn doch Euer lieber Sohn Edelbrecht. Wie ich höre macht er sich ganz hervorragend und versieht seinen Pagendienst mit angemessenem Eifer. Sicherlich wird er Euch viel zu berichten haben. Anbei sende ich Euch ebenso einige Figuren aus den Händen unserer zwergischen Zinngießer. Ich bin mir sicher, dass sie Edelbrechts jüngeren Geschwistern viel Freude bereiten werden.

Zuletzt mag ich Euch darüber in Kenntnis setzen, dass in Kressenburg zum Jahreswechsel mit dem Neubau eines Praios-Tempels begonnen wird. Er wird zu Ehren des großen Sieges unserer Markgräfin in der Schlacht am Stein errichtet und soll dem Greifenfürsten Garafan gewidmet sein, in dessen Namen die Getreuen der Mark den Sieg wider die Verräter erstritten.

Gleichwohl mir die noch immer angespannten Verhältnisse im Hartsteenschen bewusst sind, würde es mich freuen, wenn es Euch oder der Familie Eures Gatten möglich erscheint, mit einer bescheidenen Spende an diesem Bau und dessen Ausstattung mitzuwirken.

Die Zwölfe mit Euch!
 
 
 
 
Seine Hochgeboren

Ardo von Keilholtz ä.H.

Baron zu Kressenburg

Freundschaftsdienst

An Seine Wohlgeboren

Dankwart zu Stippwitz von Bugenbühl

Junker zu Lohengrunde
 
 
 
 
Werter Dankwart,

mit diesem Schreiben werden Dich die ersten Rinder aus Kressenburg erreichen, welche Dir zum Aufbau einer eigenen Herde in Lohengrunde versprochen waren. War der Schachzug des Magiers auch wenig ehrenhaft, so stehe ich doch zu meinem vor Praios gegebenen Wort. Immerhin hat uns der Handel die verdiente Ehre des Marschallsamtes und die Entscheidung für den Ausbau des Elfenpfades eingebracht. Allerdings werde ich Dir nicht alle vereinbarten Tiere auf einmal schicken können, müsste ich Kressenburg dafür doch fast gänzlich seiner eigenen Herden berauben.

In einer gänzlich anderen Sache möchte ich aber Deine Hilfe erbitten. Am ersten Tag des Herrn Praios im neuen Götterlauf 1036 nach Bosparans Fall, wird in Kressenburg der Grundstein für einen neuen Tempel des Götterfüsten gelegt werden. Er wird dem Greifenfürsten Garafan gewidmet sein, in dessen Namen wir gemeinsam den Sieg in der Schlacht am Stein erringen konnten. Da ich vor der Schlacht geschworen habe den Bau zu beginnen und zu einem guten Ende zu führen, bin ich darauf bedacht ihn zügig voranzutreiben. Allein mir fehlen die Mittel. Sicherlich ist ein Anfang gemacht, werden sich doch die Greifin selbst an den Unkosten beteiligen. Dennoch werde ich mit den aktuellen Mitteln kaum ein Viertel von dem bestreiten können, was der Tempel mich letztendlich wohl kosten wird.

Mir ist bewusst, dass Du in Lohengrunde selbst vor schwierigen Zeiten stehst und keine Goldgrube dein Eigen nennst. Aus diesem Grunde bitte ich Dich darum, bei Deiner Familie im Kosch darauf zu dringen, diesen göttergefälligen Bau in Kressenburg zu unterstützen. Ich weiß, dass sie als Händler nicht nur von ihrem Geld, sondern auch von ihrem guten Ruf leben. Spräche die Unterstützung des Tempelbaus auch schon für sich selbst, so wäre ich zusätzlich bereit der Familie Stippwitz in Kressenburg und darüber hinaus mit meinem Einfluss Türen zu öffnen.

Sollte es Dir gelingen, Dein Familienoberhaupt davon zu überzeugen mich zu unterstützen, so wird auch Dein Anteil daran nicht vergessen sein. Der neue Tempel wird auch das spirituelle Heim der Garafanisten sein, denen nicht zuletzt unsere Markgräfin selbst angehört. Deine Unterstützung für den Bund und die Praios-Kirche wird mit Sicherheit wohlwollend aufgenommen werden.

Die Zwölfe mit Dir!
 
 
 
 
Seine Hochgeboren

Ardo von Keilholtz ä.H.

Baron zu Kressenburg

Der Wille allein

Ardo beratschlagt mit Phexian und Durac über den Bau des Praios-Tempels

Ein Tempel für Answin

An Seine Hochgeboren

Ardo von Keilholtz ä.H.

Baron zu Kressenburg
 
 
 
 
Praios zum Gruße!

Die Ereignisse der letzten Monde haben Uns dazu bewogen, erneut über Euer Gesuch nach finanzieller Unterstützung zu entscheiden. Wie in Unserem ersten Bescheid beschrieben, sind die Pflichten der Praios-Kirche vielfältig und eine jede bedarf sorgfältiger und fortlaufender Überprüfung um die Belastungen für die Kirche in einem tragbaren Rahmen zu halten.

Uns stets gegenwärtig ist jedoch auch der Wille des Götterfürsten. Die Ereignisse in Gareth und die Rückkehr des Ewigen Lichts lassen keine Zweifel mehr daran, welchen Weg der Herr Praios für seine derischen Diener vorgesehen hat. Sein Wort zu verkünden und von Seiner Macht zu zeugen soll Unser oberstes Gebot sein.

Aus diesem Grund werden Wir Euch großzügigerweise im selben Maße unterstützen, wie es Euch die Markgräfin bereits von Seiten der Mark zugesichert hat. Seid gemahnt, dass wir Uns des zügigen Fortschritt stets versichern werden und weder Verzögerung noch Schlendrian an diesem praiosgefälligen Bau dulden werden.

Da Ihr bereits mit Eurem Vorhaben des Neubaus Eure praiosgefällige Gesinnung bewiesen habt, wollen Wir Euch ein weiteres Anliegen des Götterfürsten ans Herz legen. Praios' Wunsch ist es, dass dem Heiligen Answin in den zwölfgöttlichen Landen eine größere Verehrung zuteil werde, damit ein jeder die wahre Größe des in weiten Teilen des Reiches noch immer als Reichsverräter verleumdeten Heiligen erkenne. Aus diesem Grunde werden Wir dem neuen Tempel in Kressenburg eine Reliquie des Heiligen Answin stiften und möchten diese in dem Bau entsprechend gewürdigt wissen.

Die Zwölfe mit Euch, Praios voran!
 
 
 
 
Seine Ehrwürden

Praiomon Caitmar von Dergelstein

Illuminatus der Mark Greifenfurt

Sertiser Sonnenstände

Abendmahl

Die junge Praios-Geweihte und ihre Begleiter, der Bannstrahler und der junge Breitenhainer Ritter, wurden von Burgvogt Reo Rondriol vom Wirsel auf der Pfalz Breitenhain empfangen. Wortreich entschuldigte sich der Kastellan für die Abwesenheit des Pfalzgrafen, sei dieser doch zur Grafenkrönung seines Anverwandten nach Hartsteen unterwegs. Auf einen Wink hin eilte der Stallknecht herbei und nahm die Pferde der Neuankömmlinge in Empfang.

"Wenn Ihr gestattet Euer Gnaden, so werde ich Euch sogleich das beste Zimmer der Burg herrichten lassen und Euch einen persönlichen Diener zuweisen. Verzeiht wenn Ihr mich in unangemessener Eile seht, doch ich habe ein dringendes Hilfegesuch aus Baronie Linara erhalten, welches ich im Namen seiner Hochwohlgeboren noch heute beantworten muss."

"Was hat es denn damit auf sich?" Neugierig und ein wenig misstrauisch forschte die Greifenfurterin sogleich nach.

"Oh, nur eine unbedeutende Kleinigkeit Euer Gnaden. Die Baronin von Linara ist letzte Woche bei einem Turnier schwer gestürzt. Ihr treuer Vasall Junker Irberod hat derweil die Geschäfte übernommen und hat sogleich einige verdächtige Gestalten aufgegriffen, die er der Hexerei und der Schwarzen Magie verdächtigt."

"Und das nennt Ihr eine Kleinigkeit?" Praiodanes Stimme klang in ehrlichem Zorn laut über den Burghof. "Warum wendet sich der Junker an den Pfalzgrafen? Gibt es in Linara denn keinen Vertreter des Götterfürsten der sich der Sache annehmen kann?"

"Ich fürchte nein, Euer Gnaden," sagte Wirsel kleinlaut. "Die Baronin herrscht nun seit gut zweieinhalb Jahrzehnten über ihre Lande doch ein von Praios gesegnetes Bauwerk werdet ihr dort nicht finden." Leise raunte der Kastellan der Geweihten zu. "Sie ist eine Halbelfe müsst Ihr wissen, die von Kaiser Hal dort eingesetzt wurde."

"So, so, eine Halbelfe also sagt Ihr," wiederholte Praiodane laut. "Das erklärt natürlich die Zustände die Ihr beschreibt."

Wirsel zuckte kurz zusammen und blickte unsicher über den Burghof. "Ja, so ist es Euer Gnaden. Und weil der werte Herr Junker meinen Herren als praiosfürchtigen Mann kennt und schätzt, hat er ihn um Hilfe gebeten."

Die Greifenfurter Geweihte überlegte kurz und fällte dann eine schnelle Entscheidung. "Da seine Hochwohlgeboren noch eine zeit auf Reisen ist, kann ich hier vor Ort sowieso nichts ausrichten. Schreibt Junker Irberod, dass ich persönlich nach Linara kommen werde um über die Verdächtigen Gericht zu halten. Sendet den Boten noch heute. Wir haben eine lange Reise hinter uns und werden eine Nacht ruhen bevor wir morgen in aller Frühe aufbrechen."

"Sehr wohl Euer Gnaden. ich werde es genauso einrichten wie Ihr es wünscht." Artig machte Wirsel einen Diener. "Wenn Ihr mir dann bitte nach drinnen folgen wollt? Das Abendessen wird in etwa einem Stundenglas serviert werden."

Die Blaue Sau

Kressenburger Aufruf zur Jagd

Baron Ardo läd seine Freunde zu einer Jagdgesellschaft in den Kressenburger Forst.

Rückkehr eines Barons

Ein verschollen geglaubter Adliger kehrt aus den Tiefen des Reichsforstes zurück.

Wiederaufnahme der Geschäfte

Stänkereien

Stänkereien auf Burg Gnitzenkuhl
Baronie Gnitzenkuhl, Ingerimm 1035 BF

Teil 1

Fassungslos starrte Geshla auf das Missgeschick, das sich soeben ereignet hatte. Sie war an einen der Eimer gestoßen, in dem die Windeln zuerst in Wasser eingeweicht wurden bevor man sie auskochte. Entsetzt starrte sie auf die teuren Schuhe, auf denen sich langsam ein unfeiner Fleck ausbreitete, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.

„Bitte sagt nicht, dass dies nun auch wieder meine Schuld sei Hochgeboren!“ kam trocken von ihrem Gegenüber, die gerade dabei war ihre zweitgeborene Tochter zu betten. „Ich war wirklich nicht vorbereitet, dass Ihr Euch zu so später Stunde in unsere Räume gesellen möchtet. Und natürlich riecht es hier streng, wenn wir gerade damit beschäftigt sind…“

Energisch hob die Baronin zu Gnitzenkuhl ihre Hand, und gebot damit Stille. Erstaunlicher Weise verstummte dabei sogar der einjährige Greifwart, der soeben von seiner Amme frisch gemacht worden war und lautstark dagegen protestiert hatte, war es doch empfindlich kalt. Doch nun erwartete er von der dunkelhaarigen Frau wohl eines der Spiele, die Unswin, sein Vater, sonst mit ihm trieb.

„So kann das hier nicht weiter gehen!“ presste die Baronin hinter vorgehaltenem Spitzentuch hervor, was Greifwart zum Glucksen brachte, hielt er es doch für eine neue Variante des „Guckucks- DA“ Spieles seines Vaters und grinste erwartungsvoll Geshla von Gnitzenkuhl an. Seine Amme musste sich ein Schmunzeln verkneifen.

Leomara von Keilholtz, die erste Ritterin am Hofe brachte nur ein müdes „Ganz wie ihr meint!“ hervor und hoffte, dass man ihr endlich ihre Ruhe ließ. Erst dieses früh morgendliche Malheur mit der zerstörten Vase Olmergas von Gnitzenkuhls. Greifi konnte wirklich nichts dafür, dieser Tisch war einfach schon in die Jahre gekommen und hatte dem Ansturm des Jungen nichts entgegen zu setzen gehabt. Da war die Vase eben polternd zu Bruch gegangen. Angeblich ein Geschenk Olmergas an Geshla. Häßlich war sie trotzdem- die Vase! Dann hatte sie für die Landwehr die Waffenkammern inspiziert und eine Inventur mit dem Waffenmeister erstellt, sowie gemeinsam mit dem Vogt besprochen wie man vorzugehen gedachte, beim Erfassen der Wehrfähigen. Die Schulzen und ansässigen Adligen würden dabei eine Rolle spielen und bald hier vorstellig werden müssen. Immer, wenn sie sich mit dem Gemahl ihrer Mutter auseinander setzen musste, war es anstrengend. Doch seine Sachlichkeit führte allmählich dazu, dass sie einfach zusehends vergaß, dass er einmal eine Rolle in ihrem Leben gespielt hatte. Jetzt noch dieser unangemeldete Besuch in Räumen, die kaum für eine Familie ausreichten.

„Ich gedenke am morgigen Abend mit Hochwürden Travidan von Firunslicht, Hochwürden von Wasserburg sowie einigen Adligen, dem Vogt und Eurer Frau Mutter zu speisen. Wir haben uns lange nicht gesehen.“ Leomara nickte desinteressiert, waren ihr diese Verpflichtungen einer Baronin doch meist eher notwendiges Übel, denn eine Freude. „Ich erwarte Euch nebst Unswin ebenfalls!“

„A…!“ Leomaras Widerrede blieb ihr im Halse stecken, als sie in Geshlas Miene blickte. Darin stand zu lesen, dass es keine Einladung, sondern ein Befehl gewesen war. Nach einem Moment der Stille kam ein gepresstes „Sehr wohl!“ aus ihrem Munde. Die Baronin nickte nur kurz und entfernte sich dann schleunigst. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, erhob sich sogleich wieder enttäuschtes Gebrüll, war doch der kleine Keilholtzer um sein neckisches Spiel gebracht worden und forderte es nun lautstark ein.

Teil 2

Torandir von Darben-Dürsten stand hoch aufgeschossen hinter seiner Schwertmutter und hatte bereits Leomara von Keilholtz sowie deren Gemahl Unswin bedient, da Chaantrea am heutigen Abend frei hatte. Nun blieb ihm die Zeit in aller Ruhe den Blick schweifen zu lassen. Es war eine Weile her, dass die Tafel in Geshlas Burg derart gefüllt gewesen war. Wie immer war der alte Oblodor von Mistelstein mit seiner Gemahlin für ihn ein Ereignis der besonderen Art. Er kannte sonst keinen, dessen Temperament mit dem seiner Schwertmutter mit halten konnte. Allerdings bedauerte er sehr, dass Hochwürden von Wasserburg nicht zugegen war. Seine übertriebene Fürsorge gegenüber der Baronin wirkte bisweilen derart belustigend auf ihn, dass er sich auf den Abend mit dem Tempelvorsteher des hiesigen Praiostempels gefreut hatte. Doch jener hatte sich bereits am Nachmittag durch seinen Novizen wegen Unpässlichkeit entschuldigen lassen. Als die Baronin dies kundt getan hatte, war vom Mistelsteiner so etwas wie „…aus der Ferne glänzt sie am meisten!“ zu hören gewesen. Zu schade aber auch!

Hamardan von Rotfurt hatte man leider ans andere Ende der Tafel gesetzt, wo er neben Wohlgeboren Ginaya von Alxertis kaum Schaden anrichten konnte. Die beiden kannten sich scheinbar gut, zumindest wirkte ihr Gespräch recht vertraut und wortreich. Ganz anders Derendan von Zillingen, der als Vertreter seiner Familie zugegen war, und mit seinem Nachbarn aus der Familie Bergstamm jediglich ein paar wenige Worte zur Begrüßung gewechselt hatte.

Während der Knappe so schaute, fiel sein Blick auf das noch wenig vertraute Gesicht eines jungen Knaben- der Novize des neu erbauten Travia Tempels. Konzentriert hatte dieser den noch vollen Krug zwischen seinem Tempelvorsteher Travidan von Firunslicht-Oppstein und der Herrin Palinai von Isenbrunn hindurch bugsiert, in Richtung des Kelches. Doch dann begann seine Hand auch schon zu zittern. Ob der Krug zu schwer, oder der Bursche zu aufgeregt war, beides war möglich dachte Torandir so bei sich. Jaja, aller Anfang war schwer. Wenn sie entlassen wurden, weil die Herrschaften alleine sein wollten, würde er sicher Gelegenheit haben den Knaben einmal näher kennen zu lernen. Über seine Familie wusste er nichts. Wie sein Alltag wohl im Vergleich zu dem eines Knappen aussah? Seine schier zügellose Neugier begann sich zu regen, und so wartete er ungeduldig die Zeit ab, zu der man sie entlassen würde.

Teil 3

„…darum möchte ich am heutigen Abend, nachdem wir ein so gedeihliches Beisammensein verleben durften, verkünden, dass ich mich entschlossen habe, meiner ersten Ritterin Leomara von Keilholtz für ihre herausragenden Dienste um die Belange in Gnitzenkuhl - ich erinnere hierbei nur um den wagemutigen Einsatz bei dem Kampf wider das sogenannte Untier am Darpat - ein Rittergut als Lehen zu überlassen.“

Gut gelaunt, und scheinbar gänzlich unempfänglich für das frostige Schweigen von Seiten ihres Vogtes, lächelte die Baronin in die Runde und erhob ihren Kelch in Richtung der soeben ernannten nun lehnspflichtigen Leomara von Keilholtz. Travidan kam ihr sogleich nach, konnte er es doch nur gut heißen, dass die junge Familie endlich ein eigenes Heim bekommen würde. Die Baronin war eben eine wirklich götterfürchtige Frau. Der Ruf, der ihr im hiesigen Raum nachgesagt wurde war völlig haltlos. Oblodor grunzte ein „..das hat se verdient, bei Rondra!“, während sein Sohn Anshelm von Mistelstein Leomara über die Tafel hinweg nur zuzwinkerte.

Unsicher, was Geshla damit im Schilde führte, räusperte sich die Rittfrau kurz, bevor auch sie überrascht lächelnd den Kelch erhob. Ihre Frau Mutter, Palinai von Isenbrunn, hatte noch vor ihr sogleich strahlend den Kelch erhoben und lächelte, als hätte man ihr persönlich den Dank ausgesprochen.

‚Von welchem Lehen spricht sie bloss?‘ grübelte die Rittfrau in Gedanken weiter. ‚Stadtritter vielleicht? Welches Gemäuer wollte sie mir damit nur zukommen lassen? Innerhalb der Stadt gab es keine Gebäude welche aufgrund mangelnder Erben wieder in Geshlas Besitz gefallen wären. Auch habe ich seit dem Bau des Travia Tempels kein Wort davon gehört, dass Aurentian von Feenwasser weitere Aufträge erhalten soll…!‘

„Auf die Hohe Dame Leomara, möge das Rittergut Mittstätten von nun an ihr, und ihrer Familie ein neues Zuhause sein, so wie es uns Travia gebietet.“ Kam dann schließlich von Seiten Geshlas, die zu diesem Augenblick die Aufmerksamkeit aller auf sich wusste. Überrascht riss Leomara die Augen auf. ‚Das Erbe der Familie der Roten Hand. Diese Schlange…!‘

Kurz herrschte Schweigen, und alle Ortskundigen bis auf Geshla blickten aus unterschiedlichsten Gründen auf den Tisch, bis Palinai in die Stille hinein sprach was vermutlich einige dachten: „Aber Hochgeboren, ihr wisst doch so gut wie jeder hier in der Gegend, dass man sich sagt, dass die Geister der Alten nicht ruhen, und das Gemäuer noch immer heim suchen! Nicht umsonst steht es seit… damals leer.“

Kühl musterte Geshla die in die Jahre gekommene Frau, und ehemalige Geliebte ihres Vaters, des Barons Seraminor von Gnitzenkuhl. Was nur hatte er an dieser blassen, farblosen Frau gefunden? Sie konnte nicht aus Ihrer Haut heraus. Nie würde sie Freundlichkeit für diese Person aufbringen können, derentwegen so viel Unheil entstanden war. Ihre besten Jahre waren vorüber, verblüht wie eine Primel, oder am falschen Platze um weiter zu gedeihen.

„Uuuund? Wer, wenn nicht Eure rondragefällige Tochter, nebst ihrem wackeren Gatten, seines Zeichens Mitglied im Orden des Zorns, sollten es schaffen diese dummen Gerüchte zu zerstreuen. Wäre an dem Gemäuer wirklich etwas götterlästerliches, so hätte das zweifellos Hochwürden von Wasserburg ausgemerzt. Oder zweifelt ihr etwa an …?“

„Sicher nicht Hochgeboren!“ Fiel ihr Leomara da ins Wort und funkelte streitlustig ihre Mutter an. „Wir sind wirklich außerordentlich erfreut, geradezu sprachlos, ob dieser Großzügigkeit Eurerseits.“ Leomara hatte sich wieder gefangen, und war sich sicher, dass egal was dieses Gemäuer für Geheimnisse barg, kaum Grund sein konnte, das Lehen auszuschlagen! Sie schubste Unswin an, damit auch jener seinen Dank bekunden konnte…

Das schwer vernarbte Gesicht des Ordensritters zeigte ein Lächeln, dass je nach Blickwinkel süffisant, freundig oder nachsichtig wirken konnte, und wohl in diesem Moment tatsächlich eine Mischung all dieser Facetten war. Bedächtig griff der junge Mann mit der Linken zu seinem Kelch, erhob sich und strich dabei mit der Rechten sein Wams zu recht. Dann hob er das Glas mit ernstem Blick in Richtung der Baronin.

"Euer Hochgeboren! Frau Travia wünscht von uns Mildtätigkeit und Gastfreundschaft. Ich bin in Eurem Hause häufig Gast gewesen. Ihr habt Euch mir, meinem Orden und nicht zuletzt meiner Familie so freigiebig gezeigt, wie man es sich nur wünschen kann. Nun gebt Ihr meiner Familie ein eigen Heim, einen Platz zum Leben und zum Wachsen. Dafür gebürt Euch Travias Dank." Er machte eine Pause und die Baronin setzte gerade ein strahlendes Lächeln auf, im Begriff dem Ritter zu antworten, als Unswin mit ruhiger Stimme fortfuhr. "Herr Praios fordert von uns aber auch Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Deshalb kann ich nicht verhehlen, dass ich ob des schlechten Leumunds des Gemäuers in Sorge bin, dessen Herrin meine Frau nun ist und das meine Kinder zukünftig beherbergen wird. Auch ist mir Euer wachsender Unmut über die derzeitige Situation in Eurer Burg bewusst, der mich zuletzt fürchten ließ Eure Gastfreundschaft über die Gebühr beansprucht zu haben." Das Lächeln Geshlas schmolz sichtbar dahin, doch Unswin hatte noch immer nicht geendet. Er spürte wie Leomara neben ihm unruhig auf dem Stuhl herumrutschte und legte ihr die freie Hand auf die Schulter. "Frau Rondra verlangt zudem von uns sich den Aufgaben aufrecht und mutig zu stellen die Dere für uns bereit hält. Ich werde meine Frau also mit Freuden und nach Kräften dabei unterstützen, sich den Herausforderungen zu stellen die dieses Lehen mit sich bringt. Ganz so wie Ihr es gesagt habt." Unswin führte seine Rechte nun zum Herzen während er in seiner Rede zum Ende kam. "Nicht zuletzt aber will ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass Ihr, Euer Hochgeboren, meine Frau als würdig befunden habt dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Denn dieses Lehen bedeutet nicht nur Heim und Herd für unsere Familie, sondern auch Verantwortung. Den Menschen gegenüber deren Herrin Leomara von nun ab sein wird, aber auch Euch gegenüber, der sie fortan nicht nur Waffentreue sondern auch Rechenschaft schuldet. Ich entbiete euch daher meinen aufrichtigen, von Herzen kommenden, Dank." Unswin hob sein Glas noch ein Stück höher, nahm einen Schluck des köstlichen Weines und setzte sich dann zufrieden wieder auf seinen Platz.

Nervös nahm Leomara einige tiefe Schlucke. Das war knapp, doch er hatte noch den rechten Ton getroffen wie sie unschwer an Geshlas Miene sehen konnte. Sie griff nach seiner Hand und sah ihn liebevoll an. Unswin erwiderte den Blick, legte dann die Hand auf ihren Bauch und küsste sie zärtlich auf die Stirn, was ihm einen säuerlichen Blick seines Schwiegervaters einbrachte. Seit er den Rahjabund mit seiner Frau geschlossen hatte, beugte der Ordensritter die Regeln der Etikette gerne einmal, was die körperliche Nähe zueinander in Gesellschaft anging.

"...nachdem wir das also geklärt haben, die Formalitäten werden wir wann anders erledigen, würde ich sagen, dass wir nun hinüber gehen ins Kaminzimmer!"

Teil 4

Auf dem Weg dorthin sprach sie jemand von hinten an. Es handelte sich um den Führer der hiesigen Nebachoten, Hamardan von Rotfurt.

"Mögäh Rondrra waita eurer baida Schwärrtarm führen! Isch bin froh, dass nun ändlich ainä starke Hand wieder das Sagen übernähmen wird in Midstätten. Es wird ja auch Sait, nicht wahr! Oirä Tochter wird sicher ebenfalls eine wackere Streiterin werden." Bei diesen Worten schaute er allerdings vor allem Unswin und nicht Leomara an.

Der Ritter war von der ungewohnten Aufmerksamkeit einen Moment überrascht, ergriff dann aber das Wort, als Hamardans Blick auf ihm hängen blieb. "Kor mit Euch, Mar'olum han Rohd'far." Unswin führte zum Gruß die rechte Faust an seine Brust und sah dem einen halben Kopf größeren Nebachoten fest in die Augen. In den Götterläufen die er nun schon zwischen den Nebachoten Perricums zugebracht hatte, hatte er gelernt dieses kämpferische Volk zu respektieren und bemühte sich ihren Sitten zu entsprechen wenn er mit ihnen verkehrte. Lediglich mit diesem unsäglichen Kelsensteiner aus Wasserburg, der seiner Meinung nach mehr Ferkina als Nebachote war, hatte der Ordensritter bisher nicht warm werden können. "Ich danke Euch für Eure Worte. Wenn die Kleine später einmal so kämpft wie sie diese Nächte über schreit, dann wird sie dereinst wohl als große Kriegerin gelten." Er verzog bei diesem Gedanken amüsiert das Gesicht, was seine Narben beunruhigend in Bewegung brachte. "Doch was die Zukunft für uns bereit hält wissen allein die Götter. Diese plötzliche Belehnung zum Beispiel ist nicht unbedingt das Naheliegendste womit wir gerechnet hätten. Ich denke wir werden eine gewisse Zeit brauchen um in Mittstätten alles herzurichten bevor wir endgültig übersiedeln können. Zumal Ihro Hochgeboren keine Eile mit dem Lehnseid zu haben scheint." Fragend sah der Ritter zu Leomara um zu erfahren, was diese wohl zu dem Verlauf der Dinge zu sagen hatte.

Die ignorierte aber einfach den Blick ihres Gemahls, funkelte statt dessen aber Hamardan an, der nun endlich auch die Güte hatte ihr einen Blick zu schenken.

"So, EINE starke Hand wird Mittstätten bald führen." Sie lächelte den imposanten Mann keineswegs schüchtern an. Ihr stand momentan zwar nicht der Sinn nach Streit, aber wenn er sie, oder Unswin schon mit den ohnehin nicht ernst gemeinten Worten behelligte, würde sie sicher nicht dazu schweigen.

"Schön, dass ihr erkannt habt, dass wir beide eine Einheit bilden." Verwundert musste sie fest stellen, wie sich ein Lächeln in des Mannes Züge schlich, der bislang kaum ein freundliches Wort für sie übrig gehabt hatte. Er blickte ihr geradewegs in die Augen und senkte auch nicht beim weiter sprechen den Blick.

"Nachbarschafltliche Bande sind in den jetzigen Zeiten wichtig zu pflegen- einerlei ob es sich nun um das Nachbargut handelt, oder um eines im Raschtullswall..." er legte hier eine kleine Pause ein und trank einen Schluck aus dem Kelch, den er noch immer mit sich führte. "...darum hoffe ich, dass wir unsere kleingeistigen Dispute der Vergangenheit überlassen und statt dessen im Hier und Jetzt leben. Feinde bedrohen unsere Heimat, ist es da nicht Zeit gewissen Unstimmigkeiten zu vergessen?"

"Das ist ein Gedanke den ich nur gutheißen kann", ergriff Unswin wieder das Wort. "Die zwölfgöttliche Gemeinschaft beschäftigt sich schon viel zu lange mit den Streitereien untereinander, im Kleinen wie im Großen. Unser Widerstand gegen unsere wahren Feinde wird dadurch geschwächt, brauchen wir doch Einigkeit um erfolgreich gegen ihre verderbte Macht zu bestehen." Wieder blickte er seine Frau an. Er wusste um ihre Vorbehalte und ihre offene Art mit Streitereien umzugehen. Hier und jetzt bot sich aber eine Gelegenheit zur Versöhnung mit einem nebachotischen Nachbarn, eine der ersten Aufgaben die ihm vom Orden damals mit auf den Weg nach Perricum mitgegeben worden waren. "Du weißt, ich war nie ein Freund der Nebachoten, Leomara, und ich bin mir sicher, dass wir die Aufgaben in Mittstätten allein lösen können. Doch wir haben ohnedies genug Feinde denen wir uns zu stellen haben. Niemand verlangt herzliche Freundschaft, doch ein vernünftiges Miteinander kann uns alle nur stärker machen." Der Ordensritter wusste, dass er seiner Frau nur einen Rat geben konnte. Es war ihr Lehen, Perricum ihre Heimat, wo er nach nur wenigen Götterläufen für viele noch immer ein Fremder war. Er würde ihre Entscheidung in dieser Sache bedingungslos akzeptieren, doch hoffte er, dass seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren.

Haltung bewahren! Nur keine Miene verziehen... Die Gedanken der Rittfrau überschlugen sich fast. Was im Namen der Götter wusste dieser Fuchs? Oder wusste er nichts und der Vergleich mit dem Gut im Raschtulswall war ein Zufall? Warum sprach er Unswin ausgerechnet auf Yppolita an? Warum nicht auf den Erstgeborenen, der traditionell mehr Gewicht hatte? Ihr wurde ganz übel beim Gedanken daran, dass Marnions Bote unter Umständen bei Hamardan genächtigt haben mochte, und das Schriftstück...! Aber nein, es war doch gesiegelt gewesen, und das Siegel ungebrochen. Um Zeit zu gewinnen täuschte sie einen Husten vor, der ihr ein wenig Zeit verschaffte ihre Fassung wieder zu finden, zumindest nach aussen hin.

"Sicher, ich werde alle unsere Nachbarn mit gleichem Maß messen, oder", sie setzte ein Lächeln auf, "...vielmehr die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Als erste Ritterin der Baronin war ich es, die ihren Willen nach draußen trug, und damit ihr Sprachrohr. Diese Aufgabe wird vermutlich nun jemand anders übernehmen." Sollte er glauben, sie würde sich erpressen lassen, hatte er sich mächtig getäuscht. Geshla würde an ihrer Meinung fest halten, die sie zu den Nebachoten hatte. "Doch ich denke, dieser Abend sollte allen Adligen aus Gnitzenkuhl zeigen, dass Hochgeboren die Bedrohung ernst nimmt, und sich nun zuallererst den Aufgaben stellt, die wichtig sind um dem Feind zu trotzen und ihn zu besiegen."

Der passionierte Pferdezüchter nickte nur kurz zustimmend Leomara zu, ehe er dann zu Unswin gewandt sprach: "Wohl gesprochen. Ein gelungener Abend, und es freut mich ausserordentlich zu hören, dass ihr erkennt, dass Perricum mit seinem bunten Bild an Völkern und Meinungen erhalten werden muss, und nicht eine der Sichtweisen die allein Rechte ist! Wenn ihr mich nun entschuldigt?"

Unswin ließ dem Nebachoten mit einem höflichen Nicken den Vortritt. So recht wusste er Harmardan und sein Verhalten nicht einzuordnen, aber die für Feinheiten der Gesellschaft, seien es die der Nebachoten oder die der Raulschen, hatte er nie viel Sinn gehabt. Im Grunde hatten sie nur einige belanglose Nettigkeiten ausgetauscht. Das Einzige was er sich davon erhoffte war ein entspanntes Verhältnis mit den zukünftigen Nachbarn, damit er und seine Frau sich den wichtigen Dingen widmen konnten ohne in kleinliche Streitereien verwickelt zu werden. Mit einem Blick auf Leomara erkannte er im von Kerzen erhellten Halbdunkel, dass ihr einige Schweißperlen auf der Stirn standen obgleich es an diesem Abend weder zu warm noch zu schwül war. Sofort gewann seine Besornis wieder die Oberhand.

"Ist dir nicht wohl mein Herz? Soll ich uns bei Geshla entschuldigen? Die Gesellschaft ist ja groß genug, da wird sie es sicherlich verschmerzen können, wenn wir den Abend etwas früher ausklingen lassen."

"Danke, ... es geht schon. Diese unerwartete Neuigkeit will erst einmal verdaut werden." Deutlich leiser fügte sie hinzu: "...und glaube nicht, dass es ein Leichtes wird das Gut wieder zu alter Blüte zu führen! Man sagt sich sogar die Böden wären verdorben von der Brut die dort hauste!" Entschlossen blickte sie aber in Richtung ihrer Frau Mutter, die unterdessen ein paar Worte mit dem jungen Tempelvorsteher der Travia wechselte, derweil der Medicus und Alchemist Geshlas mit weingeschwängertem Blick unverholen der Zofe Fiorella nachstierte. "Aber ich bin aus anderen Holz geschnitzt als meine verzagte Frau Mutter. Wir werden das schon schaffen, wenn auch" sie blickte hinab auf den leicht gewölbten Bauch, "die Zeit etwas ungünstig ist um in ein marodes Gemäuer zu ziehen. Ich hoffe ja, dass uns ein wenig Unterstützung zuteil wird beim Umzug."

"Geshla wird uns sicherlich nicht gleich vor die Tür setzen", versuchte Unswin sie zu beruhigen, "zumal der Lehnseid formal noch gar nicht geleistet wurde. Bis das Kind geboren ist werden wir sicherlich noch hierbleiben können und in der Zwischenzeit lassen wir das Gut von den Handwerkern herrichten. Wenn wir erst einmal ein stabiles Dach über dem Kopf haben, können wir uns den anderen Problemen widmen die das Gemäuer bereiten sollte." Eherne Zuversicht sprachen aus der Stimme des Ordensritters. Seit er in Warunk nur knapp Golgari von den Schwingen gesprungen war, ließ er sich nicht mehr so leicht wie früher aus der Ruhe bringen. "Wenn es dann soweit ist wird Chaantrea auf jeden Fall mit zupacken und ich wenn Alfred in der Nähe ist, wird er es sich sicherlich auch nicht nehmen lassen zu helfen. Zudem kannst du auch ein paar deiner zukünftigen Untergebenen mit Karren zur Friedburg bestellen und unsere Sachen abholen lassen."

Reise mit Yppolita

Reisestrecke: Kuslik – Punin – Gerbaldsberg – Gareth – Perricum – Seereise nach Festum

Dramatis Personae:

Von Kuslik nach Punin

Auf einem Flußschiff auf dem Yaquier, Ende Ingerimm 1034 BF

Balrik saß in seiner Kabine und blätterte in einem grüneingebundenen Hesinde-Büchlein, das er sich in Kuslik besorgt hatte.

Vor einigen Tagen war er mit dem gerbaldsmärker Pfalzgrafen und dem Magier Anaxios von Ochs aus Kuslik abgereist und begleiteten die Schwester der Kaiserin, Yppolita von Gareth, nach Punin. Dort wolle sie endlich ihre Adeptenprüfung ablegen, wie sie auf dem Magierkonvent verlauten ließ, und anschließend wieder zurück in ihren Exil nach Festum reisen.

Sie beschloßen bis nach Punin auf einem Flußschiff zu reisen, das den Yaquier flußaufwärts fuhr. Der Kapitän war ein stämmiger Mittvierziger namens Phedro Neander, ein Horasier, der sich sehr umgänglich und von der Anwesenheit der Kaiserinschwester sehr geehrt zeigte. Zu seiner Mannschaft aber war er streng und er ließ keinen Zweifel daran, daß er hier das Sagen hatte.

Eigentlich wollte auch der greifenfurtener Baron Ardo von Keilholtz Yppolita auf der Reise begleiten. Doch hatte er kurz vor der Abreise den Zorn eines Magiers auf sich gezogen, der ihn kurzerhand mit einer Art Teleportzauber verschwinden ließ – zumindest war das Balriks erster Gedanke.

Erst nachdem Anaxios sich mit diesem Magier auseinander setzte, erfuhren sie, daß dieser Magier Thargelion von den Nebelwassern war, ein Zeitmagier, der Ardo einfach kurzerhand einige Monate in die Vergangenheit setzte!

Balrik hatte schon während seiner Zeit an der Kriegerakademie viele Sagen von einem Magier gehört, der in einem Turm in Weiden wohnte, dem sogenannten Nachtschattenturm, der in der Lage war durch die Zeit zu reisen – und da war auch der Name dieses Zeitmagiers gefallen.

Nachdem Anaxios ihnen versichert hatte, daß Ardo kein Leid zugefügt wurde, und derzeit wohl wieder in Greifenfurt weilte, und Balrik und Giselbert geraten hatte, den Magier nicht weiter zu behelligen, gaben sie sich mit der Antwort zufrieden. Dennoch hatte sich Balrik vorgenommen, eine Nachricht ins Kressenburgsche zu schicken um sich zu vergewissern. Auch Yppolita hatte ihnen später geraten, den Magier in Ruhe zu lassen. Auch sie vertraute hier Anaxios' Rat.

Es klopfte an der Tür.

"Hoher Herr", hörte Balrik die Stimme eines Matrosen. "Wir erreichen bald Punin."

"Danke. Ich komme gleich."

Balrik steckte das Büchlein weg und packte seine Sachen. Auf dem Deck angekommen sah er bereits die almadanische Fürstenstadt vor ihnen auftauchen. Es war ein sonniger Tag und die Eslamidische Residenz ragte auf dem Goldacker in einem strahlenden Weiß reinsten Eternienmarmors hervor. Auch die Magierakademie der Stadt, ihr Ziel, ragte über die Häuser der Stadt empor und war gut zu erkennen. Vor nicht einmal einem Jahr, hätten sie es sich nicht erlauben können, so offensichtlich durch das Fürstentum zu reisen. Als noch Selindian Hal die Kaiserkrone beanspruchte und von Punin aus Hof hielt, war es nicht ungewöhnlich, daß Adlige, die zu Kaiserin Rohaja standen, als Geiseln genommen wurden.

Doch nun war Selindian Hal tot und Almada wieder unter der Kontrolle Rohajas, und diese hatte Gwain von Harmamund zum neuen Fürsten von Almada ernannt.

"Eyne bejachtliche Stadt, njecht wahr?", sagte Igor Wasjeff im bornischen Aktzent und trat neben ihn. Auch er war beim Magierkonvent zugegen gewesen und reiste mit ihnen seit Kuslik auf dem Schiff. "Und das Wissen erst, das hier zu finden ist! Eier Schützling hat eyne jute Wahl jetroffet, hier ihre Prüfung abzulegen."

Balrik sagte nichts darauf. Der Grund warum Yppolita Punin wählte, war nicht das Wissen das hier zu finden war, sondern weil diese Magierakadmie die einzige Graue innerhalb des Reiches war. Andererseits, wenn es sich Balrik recht überlegte, Yppolita hätte trotz allem wohl kaum eine Akademie gewählt, in der sie nichts erlernen könnte ...

Allmählich kamen auch die anderen an Deck, die in Punin aussteigen wollten. Giselbert hatte seinen Lederhut auf dem Kopf und einen Rucksack geschultert. Anaxios war in einer Lektüre vertieft, die er in Händen hielt, und halb abwesend aus dem Schiffsinneren kam.

Nur Yppolita war bereits an Deck gewesen und betrachtete die Landschaft.

Auch ein fünfzehnjähriges Mädchen und ein neunjähriger Junge kamen auf das Deck; ebenfalls mit Rucksäcken geschultert. Das Mädchen trug sogar ein Kurzschwert.

"Habt ihr alle Eure Sachen?", fragte Balrik.

"Ja, wir haben alles", antwortete das Mädchen.

Das Mädchen und der Junge waren Mechthild von Kieselhom und Firnwulf von Hirschfurten, die Knappin und Page Ardos von Keilholtz. Balrik hatte sich den beiden angenommen, nachdem Ardo auf solch übernatürliche Weise verschwand.

Schließlich machte das Schiff an der Pier fest und Yppolita bezahlte den Kapitän für die Reise aus. Anschließend begaben sie sich in die Magierakademie.