Heroldartikel:Vom Reichskongress zu Perricum

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Reichsstadt Perricum. Im Ingerimmmond des vergangenen Götterlaufes 1033 BF hatte Ihre Kaiserliche Majestät den Adel ihres Reiches in die stolze Stadt am Perlenmeer geladen, um über das Haffaxsche Ultimatum und entsprechende Gegenmaßnahmen zu beraten.

Auch dieses Mal waren Vertreter aus allen Provinzen des Reiches im prächtig heraus geputzen Perricum erschienen, wo sie der Herr der gleichnamigen Provinz, Markgraf Rondrigan Paligan, sowie die Kaiserin willkommen hießen.

Die rondrianisch Gesinnten unter den Versammelten maßen sich vor dem Beginn des Reichstages in einer Turnei miteinander, deren Reglement von vielen Teilnehmern und Zuschauern bestenfalls als ‚aberwitzig‘ bezeichnet wurde (manche Personen fanden noch weitaus drastischere Worte). Gewinner des Wettkampfes sollte nicht etwa der Streiter werden, der die meisten Siege erringen konnte oder im Ausschlussverfahren als letzter übrig blieb und somit obsiegte, nein, für den Ablauf hatte man sich etwas ganz ‚Besonderes‘ ausgedacht! Der erste Streiter, der in das Kampfesrund trat, sollte dort solange verbleiben und einen Zweikampf nach dem anderen gegen von ihm erwählte Gegner bestreiten, bis er von einem seiner Kontrahenten bezwungen wurde, für den dann das Gleiche galt. Dieses seltsame Regelwerk führte daher zu solchen Stilblüten, dass ein Adliger aus dem Albernischen, Annlair Crumold, etwa zehn Kämpfe in Folge gewann – mehr als jeder andere – bevor er dann, sichtlich erschöpft, von einem Perricumer Adligen, Baron Wallbrord von Löwenhaupt-Berg zu Vellberg, besiegt werden konnte. Herrn Wallbrord ereilte nach drei weiteren erfolgreichen Begegnungen das gleiche Schicksal. Mittendrin änderte die Turnierleitung gar die Regeln und ließ ohne vorherige Ankündigung auch die anwesenden Knappen zu. Einer von ihnen mit Namen Reto und dem Ordens der Schwerter zu Gareth angehörend, bezwang im letzten Kampfe einen anderen halbwüchsigen Knappen und ebnete sich so den Weg zum Turniersieg. Ohne die Kampfeskünste der beiden schmälern zu wollen, muss doch festgehalten werden, dass keiner von ihnen mehr als zweimal den Kampfplatz betreten musste und so gegen Ende der Turnei ausgeruht antreten konnte. Nach einen symbolischen Kampf gegen die ‚Verderbnis‘ – der obligatorische Schwarze Ritter – war das Turnier mit der Ehrung des Siegers abgeschlossen. Manch ein Adliger meinte hinterher mehr oder weniger im Scherz, dass, wenn der Reichstag genauso gut organisiert sei wie diese Farce von einer Turnei, Anlass zu größter Sorge um das Reich bestünde.

Für einen Eklat sorgte am Folgetag ein Streuner, der behauptete, während seiner Wanderung zufällig auf den Hohen Herold der Kirche der Leuin getroffen und von diesem damit beauftragt worden zu sein, die versammelten ‚Abenteurer‘ – gemeint war der anwesende Adel des Rauschen Reiches! – auf für Kirche und Reich wichtige Missionen zu entsenden! Man mag es kaum glauben, aber dieser Kerl sprach, wie sich leider rasch herausstellte, die Wahrheit! Nicht wenige Adlige waren ob dieses ‚unkonventionellen‘ Vorgehens des Herolds äußerst ungehalten und es sollen im Anschluss an den Kongress auch diverse geharnischte Protestnoten an das Schwert der Schwerter (Heilig!) gesandt worden sein, in denen das seltsame Vorgehen eines ihrer höchsten Geweihten scharf kritisiert wurde.

Vor den eigentlichen Beratungen wurden noch andere Punkte weniger gewichtiger Natur behandelt, die jedoch auch nicht frei von Skurrilitäten waren. Ein winziges Nest bei Hôt-Alem – das man bisher nicht einmal dem Namen nach kannte – sagte sich wortreich (wohl der einzige Reichtum dieses Ortes) von „Kaiser“ Selindian los und schwor stattdessen Ihrer Kaiserlichen Majestät Rohaja die Treue. Wer würde es jetzt noch wagen, sich dieser geballten Macht entgegenzustellen?

Aber nichts kann offenbar seltsam genug sein, als dass es nicht von noch größeren Seltsamkeiten übertroffen werden kann. In einer ebenso weitschweifigen wie konfusen Rede verlangte eine albernische Adlige die Verurteilung eines ehemals kaiserlich-albernischen Offiziers wegen Mordes und anderer schwerer Untaten. Die Versammelten, welche ohnehin den Ausführungen nur mit großen Mühen folgen konnten (oder sie lieber gleich geflissentlich ignorierten), horchten erst dann erstaunt auf, als die Adlige die Bestrafung des Offiziers post-hum(!) verlangte, da dieser zwar bereits seit mehreren Monden tot sei, seine Verbrechen aber so gravierend seien, dass sie auch mit seinem Flug über das Nirgendmeer nicht als gesühnt betrachtet werden könnten. Man mochte es kaum glauben, aber offenbar schienen manche Leute in der derzeitigen desperaten Lage des Reiches keine anderen Sorgen zu haben als derlei Narreteien!

Erwähnenswert war noch der Streit um die „Lodenbach-Affäre“ – der Aventurische Bote und der Darpatische Landbote berichteten – der erneut vor der Kaiserin Ohr vorgetragen und danach nicht etwa entschieden, sondern an einen Kanzleirat zur weiteren Bearbeitung verwiesen wurde. Mit einer zeitigen Klärung der Angelegenheit innert der nächsten fünf oder zehn Götterläufe kann somit gerechnet werden.

Wirklich entschieden wurde seitens des Markgrafen nur die Schaffung und Besetzung des Postens eines markgräflichen Heermeisters; hier fiel die Wahl auf den einstigen darpatischen Offizier Landvogt Aldron von Firunslicht zu Arvepass. Für einige Spötter war dies die einzig gute Entscheidung während der gesamten Zusammenkunft.

Die eigentlichen Beratungen, welche danach begannen, unterlagen der Geheimhaltung. Bekannt wurde lediglich, dass man irgendwelche mythischen Waffen des alten Nebachots gefunden habe und das Zusammenfügen von Fragmenten einer uralten Steintafel eine Prophezeiung auslöste, die dem Vernehmen nach ob der schlechten Akustik der Versammlungshalle jedoch kaum einer der Anwesenden verstand. Auch soll der Konflikt mit Almada – der geneigte Leser erinnert sich gewiss an das bald auslaufende Ultimatum, dass die Kaiserin ihrem Bruder auf dem vergangenen Reichstag übermitteln ließ – nicht einmal am Rande angesprochen worden sein. Dies aber erscheint kaum vorstellbar, ist es doch das derzeit drängendste Problem des Reiches, innerhalb seiner Grenzen für Ordnung zu sorgen, um dem Verräter Haffax dereinst geeint gegenübertreten zu können. Hoffen wir also, dass unsere Informanten sich, was diesen Punkt betrifft, geirrt haben und die Kaiserin sehr wohl über Almada beratschlagen ließ.

Zu den militärischen Beratungen Haffax betreffend nahm auf Nachfrage der bereits erwähnte Herr Wallbrord mit einem Zitat Kaiser Nardes´ Stellung: „Ex nihilo nihil fit!“ (bosp. „Von nichts kommt nichts!“) bevor er ohne weitere Erläuterung mit säuerlicher Miene entschwand.

Alles in allem war es wohl ein Reichskongress der ungewöhnlichen Art. Bleibt zu hoffen, dass hinter den verschlossenen Türen weit mehr beraten und entschieden wurde, als das wenige, dass uns bekannt wurde.