Heroldartikel:Ein stilles Haus zu Waldfang

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Die Weihe des Borontempels auf dem Gebeinhügel

Ein Freudentag sollte er sein. der 5. Praioslauf des Phexenmondes, wenngleich schon der Anlss das Fest dazu bestimmte, ein eher ruhiges zu sein. Dennoch wollte bei den meisten Bürgern Waldfang nicht so rechte Freude aufkommen, denn zu düster sind die Schatten in den Gemütern, zu schwer lasten die Erinnerungen an die Ereignisse der letzten zwei Götterläufe auf den Herzen und den Seelen derer, die ihre Liebsten während des Aufstandes der Rubinbrüder und den schrecklichen Ereignissen der Namenlosen Tage verloren haben. Auch der Ort, welcher nunmehr der Stille und der Einkehr im Gedenken an die Gefallenen dienen soll, vermochte kaum jemanden aufzuheitern, denn zu nahe ist der Geruch des Todes in den Hallen des Herre Boron, ja es scheint fast, also spüre man seinen Hauch auf den Wangen. Dennoch hatten sich an diesem Tage unzählige Menschen vor den Toren der Stadt versammelt, um der Weihe des neu errichteten Tempels beizuwohnen und um den Seelenfrieden ihrer verstorbenen Anverwandten zu bitten,

Bereits Ende des Tsamondes trafen die Geweihten, die fürderhin im Tempel ihren stillen Dienst versehen werden, an ihrer neuen Heimstatt ein. Schweigend betraten Sie in den Morgennebeln des 27. Tsa das graue Gebäude und luden alsbald ihre wenigen Habseligkeiten, eine schwere, goldbeschlagene Kiste mit Ritualinstrumenten und mehrere Weihrauchsäcke von ihrem Wagen ab.

In den folgenden Tagen ward der Tempel sodann borongefällig hergerichtet. derweil draußen auf den Hängen des Gebeinhügels, auf welchem der Tempel errichtet ward, einige Bauersleute mit bleichen Gesichtern ihren Frondienst verrichteten und Frühlingsblumen in das karge Gras pflanzten.

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Just in den Morgennebeln des 4. Phex trafen schließlich, annähernd ebenso schweigsam wie die Geweihten, zwei in schwarze Gewänder gehüllte Krieger auf schwarzen Rappen in Waldfang ein. Mit wenigen Worten erkundigten sie sich bei einem Bauersmann nach dem Weg, der zum neuen Tempel führt, und gaben ihren Pferden alsbald darauf die Sporen, während das Bäuerlein verwirrt am Wegesrand zurückblieb. Ihr Geheimnis sollte vorerst ungelöst bleiben, wenngleich allerlei Gerüchte die Runde machten. Am folgenden Weihetag schließlich war alles Volk schon früh auf den Beinen. Frau Tsaburga hatte Befehl gegeben, dass alle Einwohner Waldfangs an den Feierlichkeiten der Tempelweihe teilnehmen sollten und darob die Arbeit auf den Feldern an diesem Tage ruhen sollte. So versammelte sich die Menschenmenge denn kurz nach Sonnenaufgang vor dem Stadttor, manche bleich, manche in freudiger Erwartung des Festes, wieder andere mit Tränen in den Augen. Als letzte trat denn Baronin Tsaburga von Waldfang-Angerwilde vor die Tore, an ihrer Seite, wie schon während der Nächte der lebenden Toten, wie der letzte Jahreswechsel von vielen Waldfangern mittlerweile genannt wurde, Junkerin Rahjane von Hornbach und ihr Hofkaplan Jorsam Praifolk. Letzterer hielt sein Sonnenszepter mit beiden Händen hoch über dem Haupt erhoben, und das Rotgold der aufgehenden Praiosscheibe strahlte hell davon wider, ein Zeichen von der Macht des Götterfürsten. Vergessen waren da alle Zweifel, welche die Waldfanger und auch seine Gnaden Praifolk geplagt hatten, nachdem während der Tage des Gottes ohne Namen das alte Szepter von der finsteren Macht vernichtet worden war.

Hinter der Baronin reihte sich ihre Dienerschaft ein, und in ihren Händen trugen sie zwölf schwarze Kerzen, wohl einen Schritt hoch und so stark, dass zwei große Männerhände sie gerade umfassen konnten. Dahinter folgten die Kindlein der Bürgerschaft, und in ihren Händen befanden sich unzählige weiße Kerzen mit schwarzen Schleifen darum, die als Opfer der gütigen Frau Marbo dargebracht werden sollten, im Gedenken an die Gefallenen.

Mit einem Wink bedeutete Ihre Hochgeboren ihren Untertanen, Schweigen zu waren, und trat den Weg zum Tempel an. In borongefälliger Stille folgte ihr das Volk, eine Prozession, wie sie feierlicher und dem Herrn des Todes wohl kaum gefälliger hätte sein können. Am Fuße des Gebeinhügels verharrte der Zug, doch nach einigen Augenblicken stieg Frau Tsaburga festen Schrittes den mittleren Pfad zum Hauptportal des Tempels empor, denn zu Füßen des Gebäudes ward ein Weg angelegt, welcher die Form eines Boronrades hat und in dessen Mitte anstellte der Nabe sich der Tempel erhebt. Das Volk verteilte sich auf diesem Weg; und in der Stille schien es, als ob die Menschlein vor Ehrfurcht gar das Atmen aufgegeben hatten.

Vor dem Portal warteten bereits die Geweihten, ihnen zur rechten und zur Linken die beiden fremden Krieger, nun in die Farben der Golgariten gewandet, und ihre Harnische blitzen im Sonnenlicht. Stumm, doch obgleich der Anwesenheit der Golgariten sichtlich erstaunt, grüßte Frau Tsaburga die Borondiener mit einem Kopfnicken, welche den Gruß ebenso schweigsam erwiderten. Auf einen Wink der Baronin hin traten die Diener mit den Kerzen vor, und eine jede ward an die Geweihten übergeben und sogleich in den Tempel hineingetragen.

Als die letzte Kerze in den Mauern verschwunden war, brachten die Geweihten einer Feuerschale heraus und entzündeten darin ein Kohlefeuer. Nach einer unendlich langen Zeit, als die Flammen schließlich kaum mehr züngelten und nur noch Glut vorhanden war, warf die Geweihte, die in der Mitte stand, die Kapuze ihrer Robe zurück und erhob das Antlitz gen Alveran. Sodann griff sie mit den Händen in eine Schale, die ihre gereicht wurde, und entnahm dieser vom Weihrauch, den sie vorsichtig in die Glut fallen ließ und hiernach kräftig hineinblies. Sofort stieg weißer Rauch aus der Feuerschale empor, und der betörende Geruch des Weihrauchs breitete sich auf dem Tempelplatz aus. Dann geschah etwas, was die Bevölkerung doch in Staunen versetzte, denn mit einem leisen Sang erbat Alyssea Thambarin, die künftige Vorsteherin des Tempels, den Segen Borons auf dieses neue, zu seiner Ehre errichtete Haus hinab. Sodann trat einer der Geweihten in den Tempel hinein und entzündete auch dort die Feuerschalen, so dass sich alsbald der gesamte Tempelraum mit dem Weihrauch füllte und aus einer Öfung im Dach emporstieg.

Als der weiße, heilige Rauch in die Lüfte stieg, erhob ihre Gnaden das Wort und rief der Menge zu: »Sehet dieses Haus, dass dem Herre Boron wohlgefällig ist, sein Segen ruht darauf, seine Hand hält er über diesen Hügel. Alles Unbill sei von hier verbannt. So wie es ihm gefällt, so sei hier nun Schweigen.« Mit diesen Worten schlug sie ein Boronrad. Sodann drehte sie sich um und trat in den Tempel hinein, ihre drei Mitbrüder, eine Novizin und die Golgariten folgten ihr.

Als die Borondiener im Inneren des Tempels verschwunden waren – die Tore ließen sie geöffnet, damit alsbald das Volk zum Gebet eintreten könnte – erhob sich Frau Tsaburga und bedeutete der noch immer andächtig knienden Menge, sich zu erheben. »Ihr habt es gehört: Des Herre Boron Auge wacht fortan über diesen Ort und kein Unbill soll mehr von hier ausgehen. Die Toten, die hier zur Ruhe gebettet wurden, mögen die Ruhe finden und ihre Seelen Einlass in die Zwölfgöttlichen Paradiese finden.«

Sodann rief auch seine Gnaden Jorsam Praifol.k den Segen des Götterfürsten auf diesen Ort herab, dessen Macht die Untoten Leiber, die nun unter dem Tempel ruhten, vernichtet hatte, und es schien, als ob es etlichen Waldfangern nach dem gewohnten Praiossegen ein wenig wohler zumute war an diesem Ort des Schweigens.

Ihre Hochgeboren enthüllte sodann zu Füßen des Tempels einen Gedenkstein, welchen sie eigens zu diesem Tage hatte anfertigen lassen. Jener Stein soll an die Gnade des Herrn Boron gemahnen und dem Gedenken an jene dienen, die unter der Herrschaft der verderbten Rubinbrüder und während der Nächte der lebenden Toten ums Leben gekommen waren.

Dennoch blieben die meisten Waldfanger dem Tempel fern und suchten lieber den Marbo-Schrein auf, welcher auf der Tempelwiese errichtet ward. Inmitten der schwarzen und weißen Blumen fanden denn unzählige Kerzen gleicher Farbe als Opfergabe an des Borons gütige Tochter ihren Platz. So ist die Gefahr zu Waldfang denn nun wohl endgültig gebannt, so dass nach fast drei Jahren dorten wieder Ruhe und Frieden herrschen.



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Texte der Hauptreihe:
5. Phe 1022 BF
Ein stilles Haus zu Waldfang
Achte ritten gegen Punin


Kapitel 53

Ein stilles Haus zu Waldfang
Autor: CD