Heroldartikel:Des Heermeisters Entscheidung

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Des Heermeisters Entscheidung


Der Heermeister der Mark weilte zu Weihenhorst im Kartenzimmer, als das Ersuch um Hilfe eintraf. Dort, am offenen Fenster, wo im letzten Moment ihres Lebens die alte Meisterin der Mark gestanden haben muss, blickte er über das Land. Daher wurde er auch des eiligen Boten gewahr, der in die Burg ritt und sofort darauf drängte, den Heermeister persönlich sprechen zu dürfen. Als die Wachsoldatin fragend zum Turm blickte, nickte der derzeitige Hausherr der Burg kurz und begab sich dann in den Rittersaal.

Die ihm übergebene Nachricht las Reto von Schattenstein minutiös, dann musste ihm der Bote Rede und Antwort stehen. Der Bote machte seine Sache gut und schilderte eindringlich den Kampf im Versteck der Habichtbande und beschwor die Orkgefahr für Kieselborn. Der Heermeister und ein anwesender Hauptmann hörten genau zu. Jedoch, je länger diese Befragung dauerte, desto mehr stand dem Boten der Schweiß auf der Stirn. Offenbar bezweifelte Reto von Schattenstein die Aussagen gefangener Räuber über den drohenden Orküberfall. Schließlich hob der Schattensteiner die Hand, als ob er klaren Tisch machen wollte.

”Überbringt Baron Genzmer und Baronett Lydia meine Glückwünsche und Anerkennung für den Schlag gegen den Blutigen Habicht. Was die Gefahr für Kieselborn angeht: Natürlich steht die Wacht am Finsterkamm wacker und fest, wie es der Kriegsrat beschlossen hat. Deshalb sind derzeit alle verfügbaren Truppen gebunden, weswegen ich leider keinen einzigen Soldaten hier entbehren kann. Sagt eurem Herren ...!”

An dieser Stelle brach der Heermeister seine Antwort für den Baron von Finsterrode ab, erhob sich von seinem Lehnstuhl und ging bedächtig auf ein Fenster zu. Eine geraume Weile verging, bis der Heermeister weitersprach: ”Nun, sagt Baron Genzmer, dass zwölf Markgräfliche Ritter und zwölf Leibbogner zu Pferd Euch auf dem Fuß in die Vogtei Kieselborn folgen werden. Er soll dem Schwarzpelz das Fell gerben und den Flüchtenden nachsetzen. Auch hat er meine Erlaubnis, weitere Marodeure zerschlagen zu dürfen, so er auf solche Mordbrenner treffen sollte. Ich erwarte von ihm allerdings regelmäßig einen Bericht über Lage und Vorgehen. Hauptmann von Krähenklamm, ihr werdet die Truppe gen Kieselborn führen! Wegtreten!...”

Der angesprochene Hauptmann und der Bote verließen den Rittersaal. Zurück blieb ein nachdenklicher Reto von Schattenstein. Er zollte Genzmer von Radulfshausen Respekt, da er sich umgehend um Verteidigung des Nachbarn kümmerte. Nach dem Tod des Barons von Plaue war Beldenhag ohne führende Hand. Aber es blieben Fragen: ”Wenn nun der Blutige Habicht tatsächlich mit den Orken kollaboriert? Dann hätte der Ork in der Tat eine Klaue im Land hinter den Wachtürmen. Dann wäre es fast so, als ob die Kette der Wachtürme eine Lücke hätte. Aber: Seit wann tut er dies? Und vor allem: Warum tut er dies?” Der Heermeister rieb nachdenklich seine Stirn. ”Vielleicht ist das alles nur ein gefährliches Gerücht. Zu gefährlich, um ignoriert zu werden. Der drohende Orküberfall auf Kieselborn mochte es zeigen. Besser wäre es, er bliebe aus. Dann allerdings würde die Dergelsteinerin ihn schelten, weshalb er kostbare Truppen in eine kleine Vogtei entsandt hätte. Solch eine Gelegenheit wird sie sich nicht entgehen lassen.” Der Heermeister konnte schon förmlich ihren Grimm im Nacken spüren.

Mit nachdenklicher Miene und ohne ein weiteres Wort verließ der Heermeister den Rittersaal von Burg Markgräflich Weihenhorst, um wieder ins schicksalhafte Kartenzimmer zu steigen.


Gegen Abend

Einige Zeit später fand die Baronin von Dergelstein den Oberst. ”So, hier seid ihr also”, meinte sie, als sie in das Turmzimmer trat. ”Sagt, Heermeister, entspricht es der Wahrheit, dass Ihr eure Leibgarde entsandt habt?” Reto nickte, blieb aber stumm und wartete zunächst einmal ab, was noch kommen mochte.

Die Baronin von Dergelstein strich mit der Hand über die große Karte und berührte einzelne Figuren mit den Fingerspitzen, als sie um den großen Tisch ging.

“Ihr habt also eure gesamte Leibgarde weggeschickt, um einer potentiellen Orkgefahr zu begegnen, von der Ihr aus dubioser Quelle erfahren habt?”

“Ich würde den Baron von Finsterrode nicht als dubiose Quelle bezeichnen”, entgegnete Reto und bemühte sich, gelassen zu klingen.

“So habe ich das nicht gemeint und das wisst Ihr auch”, wischte Gunilde von Dergelstein den Einwand beiseite. ”Alle Achtung, Ihr müsst Euch hier sehr sicher fühlen.”

Nachdenklich und recht deutlich blickte Gunilde zum bewussten Fenster hin. ”Gebt auf euren Rücken acht; vielleicht solltet Ihr Euch auch wieder öfter auf dem Übungsplatz blicken lassen. Einen weiteren Fenstersturz können wir zurzeit nicht verkraften!” Sprach’s, drehte sich um und rauschte aus dem Kartenraum.



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Texte der Hauptreihe:
Autor: Falkenblick,Wildsau, S. Stabenow