Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Leichenschmaus mit Leiche III

Aus GaretienWiki
Version vom 5. Oktober 2019, 09:15 Uhr von Bega (D | B)
(U) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (U) | Nächstjüngere Version → (U)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Wehrkloster Sankt Henrica, Baronie Zweiflingen, 4. Rondra 1040 BF:

Es war bereits früher Abend, die Praiosscheibe stand schon tief am Horizont. Nicht mehr lange und sie würde ganz verschwinden und der borongefälligen Nacht Platz machen und ein lauer Sommertag würde zu ende gehen. Es war ein besonderer Tag, das war überall zu spüren.

Gisborn trat aus dem Kapitelsaal in den Säulengang, der den Innenhof wie ein Ring umschloss. Drinnen spielte gerade die waldsteiner Hofmusikerin Rohalia von Feenwasser auf ihrer Harfe. Alle waren wie gebannt von der Musik, doch Gisborn war es zu viel gewesen, er musste raus an die frische Luft. Er atmete tief ein. Der Innenhof war auch noch gut gefüllt. Die einfache Bevölkerung wurde hier mit Speis und Trank verköstigt und gedachten auf ihre Weise ihrem verstorbenen Baron. Zwei Musiker spielten auf ihren Fiedeln und - Gisborn musste schmunzeln – Iserion spielte auf seiner Flöte. Der junge Magier war im Gefolge von Leomar nach Sankt Henrica gereist. Scheinbar hielt dieser ein wenig magischen Schutz für sinnvoll. Gisborn jedenfalls freute sich sehr seinen Freund wiederzusehen. Beide verbrachten auf der Hochnjerburg viel Zeit miteinander, sei es im Studierzimmer von Meister Salpion Hoogensiel, oder aber im verwunschenen Garten auf der Odilbert-Bastion bei dem etwas verschrobenen Hüter des Lebens Ealdur von Siandes. Der nur wenige Sommer ältere, überaus charismatische Jungmagier war schon eine Erscheinung, denn egal wo er hinkam, er konnte sein Umfeld für sich einnehmen. Seine unverwüstliche Frohnatur war einfach ansteckend.

Nicht nur die einfache Bevölkerung ließ sich von den schwungvollen Melodien mitreißen, auch einige junge Adlige konnten dem ungezwungeneren Umgang hier draußen mehr abgewinnen. Zumal es in Waldstein gute Sitte war, sich nicht voller Standesdünkel über die Untertanen zu erheben. Gisborn erkannte Tybald von Zorbingen und Yendara von Quellgrund. Beide kannte er noch aus seiner Zeit als Page bei Landrichterin Yalagunde. Die anderen Personen konnte er nicht zuordnen.

Nachdem die Darbietung geendet hatte, sprang Iserion von dem hölzernen Podest und lief flink zu Gisborn herüber. „Na, ist es da drinnen genau so lustig wie hier?“ Der Halbelf zwinkerte seinem Freund zu.

„Viel stickiger, aber trotzdem auch viel frostiger zugleich.“ Gisborn schmunzelte.

„Für die garstige Wetterfels und die olle Sturmfels muss es ja wie der Vorhof zu den Niederhöllen sein“, Iserion packte seine Flöte sorgfältig in ein kleines Ledertäschchen, „den ganzen Tag müssen die aneinander hängen und das obwohl sie sich abgrundtief hassen.“

„Du hast ja keine Ahnung, die würdigen sich keines Blickes. Onkel Leomar und Rondriga werfen sich auch die ganze Zeit böse Blicke zu.“

„Die spinnen doch alle … hier draußen“, Iserion breitete seine Arme aus, „ist das wahre Leben. Aber was solls … so und nun lass uns mal etwas hier im Kloster umschauen.“

„Bist du dir sicher? Ich weiß nicht ob wir hier einfach überall rumlaufen dürfen.“

„Ach, mach dich locker.“

Gisborn ließ sich nur zu gern überreden. Er hatte tatsächlich Lust auf etwas Abwechselung, also stiefelten sie los. Unweit der Aborte passierten sie Baroness Rondriga und Baron Felan, die in einem Gespräch vertieft waren. Die beiden Jünglinge grüßten artig und zogen amüsiert weiter.

So liefen die beiden Burschen die langen Gänge des uralten Klosters entlang, versuchten Türen zu öffnen oder geheime Gänge zu finden. Die meisten Türen waren verschlossen, doch eine, die zu einer kleinen Kammer führte, ließ sich öffnen. Vorsichtig schauten die beiden in den nur durch ein schmales Fenster erhellten Raum. Gisborn konnte nicht viel erkennen, es war für ihn nicht hell genug und wollte sich wieder abwenden, doch Iserion hatte scheinbar etwas entdeckt.

„Warte, da ist jemand.“

„Was sagst du da? Wo? Ich sehe nichts?“

„Dort hinten.“ Iserion stieß die Tür weit auf und zog Gisborn weiter in den Raum.

„Bei den Göttern!“, erschrak Gisborn und erstarrte. Neben dem Bett lag eine Frau. Iserion rannte sofort zu dem leblosen Körper. Er kniete nieder, legte seine Hände über den Brustkorb und murmelte ein paar Worte, doch konnte nichts mehr tun. Kein Lebenshauch war mehr zu erkennen, die Lippen hatte sich seltsam verfärbt und es roch ein wenig säuerlich, wie der junge Magier mit dem exzellenten Geruchssinn erkannte.

„Sie ist tot“. Iserion wandte sich von der Toten ab und schaute sich um. Neben dem Körper lag ein Weinbecher. Auch dieser roch säuerlich streng. „Wer ist das?“

Gisborn näherte sich vorsichtig. „Das ist Thalea die Keusche … also so hat sie Onkel Leomar mal genannt. Ich kenne sie nicht wirklich. Was sollen wir jetzt tun?“

„Wir müssen Hilfe holen. Ich glaube nicht das sie eines natürlichen Todes gestorben ist.“

„Was? Wir dürfen aber keine große Sache draus machen… .“

„Ja ja, du hast ja recht. Wir gehen zu deinem Onkel.“

Die beiden verließen vorsichtig die kleine Gästekammer als auf einmal eine Person vor ihnen stand.

Isida“, platzte es aus Gisborn heraus, „äh was machst du denn hier?“

„Das könnte ich euch auch fragen, oder? Ich bin euch gefolgt, es ist viel zu langweilig da unten.“

„Na, deine Verlobte ist ja eine richtige Abenteurerin.“ Iserion musterte die junge Knappin von oben bis unten. „Und hübsch ist sie auch noch.“

„Deine schmeichelnden Worte verfangen sich bei mir nicht, Magierjüngling.“ Isida schaute Iserion strafen an und wandte sich dann zu Gisborn. „Was habt ihr in der Kammer entdeckt?“

„Nichts!“, kam der junge Magier seinem Freund bevor.

„Habe ich dich gefragt? Nein! Ich habe euch doch über was reden hören.“

„Wir haben eine Leiche gefunden“, sprudelte es aus Gisborn heraus, obwohl er eigentlich nichts sagen wollte. Iserion verdrehte dabei nur seine Augen.

„Ihr spinnt doch.“ Isida stieß die Tür zu der Kammer wieder auf und blieb ebenfalls wie erstarrt stehen.

„Na, euer Verhalten ist ja schon mal gleich“,witzelte Iserion. „Das hast du nun davon. Wir waren gerade dabei den Onkel deines herzallerliebsten Verlobten zu benachrichtigen.“

„Das könnte euch so passen, diesem Scheusal? Wir gehen zu Rondriga. Los geht’s!“ Entschlossen lief die Grafentochter aus Salza los. „Komm Gisborn!“ Gisborn zuckte nur mit den Schultern, er war doch ein wenig überrascht wie resolut und abgeklärt sie schon war. Schließlich folgten er und Iserion der jungen Edeldame.

In einem der dunklen Gänge kamen ihnen Tybald und Yendara entgegen gelaufen. Bei ihnen waren die beiden, die Gisborn im Innenhof nicht zuordnen konnten und sich als Verinya von Ginsterbusch und Haldan von Rallersgrund vorstellten.

„Ihr glaubt nicht, wer gerade gekommen ist“, keuchte Yendara völlig außer Atem.

„Was ist los?“, fragte Gisborn irritiert.

„Kommt, seht selbst!“