Geschichten:Zweifelfelser Zwist – Das Gebrüll der Löwin

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Burg Zweifelfels, Baronie Zweiflingen, 5. Rondra 1040 BF:

Mit breiten Schultern, grimmigen Gesichtsausdruck und schweren Gang schritt Leumunde über den Burghof. Ihre rechte Hand hielt den Griff ihres angegurteten Schwertes fest umschlungen. Lauernd, allzeit bereit sich einem Kampf zu stellen. Fasst könnte man annehmen, die Rondra-Geweihte befände sich in einer feindlichen Burg und nicht in der Stammburg ihrer Familie, dem Ort ihrer Kindheit. Und doch täuschte der Eindruck nicht, denn die Wolken am Horizont hatten sich verfinstert. Sie war in einer ihr feindlichen Burg.

Nach dem Tod ihres Bruders fühlte sie sich auf Burg Zweifelfels nicht mehr zuhause. Denn SIE war jetzt die Burgherrin. SIE, das war ihre Mutter. Die beiden ungleichen Frauen hatten sich nie gut verstanden. Debrek, Baron und Familienoberhaupt, war das Paradebild eines tugendhaften und idealistischen Ritters gewesen; Leuwart der heldenhaft in der Schlacht in den Wolken gefallene Held; Rondriga die aufstrebende Hofdame und die neue Hoffnungsträgerin der Familie; und Raulwine, das Nesthäkchen, heiratete nach Hartsteen. Da hatte man bei ihrer Mutter schon gewonnen, war sie doch selber gebürtige Hartsteenerin. Einzig Leumunde war in den mütterlichen Augen eine einzige Enttäuschung. Zwar war sie kürzlich zur Praetorin innerhalb der Rondra-Kirche aufgestiegen, doch war es in den Augen der Mutter nur ein unbedeutender Provinztempel dem Leumunde nun vorstand. Dann auch noch ihr trotziges Weigern sich zu vermählen. Zu gerne hätte ihre Mutter ihr zumindest einen angemessenen Gatten aus dem Hochadel ausgesucht. Leumunde fühlte sich einzig und allein mit der göttlichen Leunin vermählt. Doch diese Beweggründe könnte ihre Mutter nicht verstehen.

Doch war auch Leumunde nie frei von Zweifeln gewesen. Gerade die letzte Zeit stellte die Geweihte der Rondra auf eine harte Probe. Die Vernichtung von Arivor, die Veränderungen am Sternenhimmel und der Tod des Schwert der Schwerter, all das lag schwer auf dem Herzen der jungen Frau. Hatten die Zwiegespräche, die Leumunde mit ihrer göttlichen Herrin in schweren Zeiten immer geführt hatte, ihr stets Kraft gegeben, fühlte sie sich ihr dieser Tage so weit entfernt wie nie. Es war, als spräche die Leunin nicht mehr zu ihr. Doch verdrängte Leumunde diese düsteren Gedanken. Das Vermächtnis ihres Bruders, seine Töchter in seinem Sinne zu erziehen, gaben ihr die Kraft weiter ihren Weg zu geben. Würde sie erfolgreich sein, würde sich Rondra ihr auch wieder zuwenden.

Die Burgwachen ließen Leumunde passieren, als sie das Hauptgebäude, den Palas, betrat. Doch bemerkte die Rondra-Geweihte die fragenden Gesichter der Wachen. Schnurstracks ging sie zum Verwaltungstrakt der Burg. Hier waren die Arbeitsräume von Burgvogt Brinian, aber auch die der Vögtin, ihrer Mutter. Ihr über alles geliebter Bruder hatte sich hier so gut wie nie aufgehalten. Das Verwalten seiner Ländereien lag ihm nicht. Vielmehr war der Schwertkampf das seine gewesen. Die neue Vögtin hingegen, die schon vorher viel Einfluss auf Debrek gehabt hatte, gedachte die Verwaltung der Baronie nicht dem Burgvogt zu überlassen. So ließ sie Debreks verwaiste Arbeitsräume für sich herrichten. Alles sollte nun mehr über ihren Tisch gehen.

Leumunde stieß die schwere Eichentür auf, freilich ohne vorher zu klopfen. Sofort kam eine Zofe angelaufen.

„Ihr könnt hier nicht so einfach rein stürmen, was er...“

„Natürlich kann ich das“, unterbrach die Rondra-Geweihte die zierliche junge Frau und schob sie einfach zur Seite. Dann wandte sie sich zu der Vögtin. „Mutter, wie ich sehe hast du dir das hier schon bequem gemacht.“

„Irgendjemand muss die Arbeit ja machen.“ Ehrgard von Wetterfels hielt es nicht für nötig von ihren Pergamenten, die sie gerade lass, aufzusehen. „Was willst du?“

„Ich habe meinem Bruder auf dem Sterbebett versprochen für eine rondragefällige Erziehung seiner Kinder zu sorgen.“ Leumundes Stimme wirkte fest und unerschütterlich. Innerlich war sie jedoch keineswegs so unerschrocken wie sie tat. „Ich werde meine beiden Nichten mitnehmen, damit sie in Sankt Henrica eine Erziehung genießen können, die im Sinne ihres Vater ist.“

„Du maßt dir an im Namen meines Sohnes zu sprechen?“ Ehrgard schaute grimmig von ihren Pergamenten auf. „Sind das überhaupt deine Worte oder die von dieser Schlange? Die Mädchen bleiben hier! In meiner Obhut! Geh zurück in deinen Tempel, betrauere deinen Bruder und vergesse dabei nie deinen Platz. Deine Schwester wird in den nächsten Tagen Familienoberhaupt und ich anschließend offiziell Vormund der Mädchen werden. Daran wird weder die Kabinettshure Leomar, noch du oder diese Schlange etwas ändern. Du darfst dich jetzt entfernen, ich habe noch zu tun!“

„Du bist dir deiner Sache zu sicher, Mutter!“ Mit verbissenen Gesichtsausdruck wandte sich Leumunde ab und stürmte aus dem Zimmer. SIE hatte aber leider Recht. Rondriga hatte gute Chancen darauf, die Familie zu führen. Sie hatte die einflussreichen Kaisermärker hinter sich. Doch auch Leomar strebte danach Familienoberhaupt zu werden und diesem Windling, der die waldsteiner Patrioten hinter sich wusste, war alles zuzutrauen.

Weder Rondriga, noch Leomar waren dafür geeignet Debreks Vermächtnis weiterzuführen. Es blieb also nur eine Möglichkeit: Leumunde musste genug Unterstützer finde um selber Oberhaupt zu werden.