Geschichten:Zwei Reiche, ein Vertrag – Nachklang mit Ausblick

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Markt Inostal, Grafschaft Südpforte, Königreich Almada, 12. Travia 1041 BF:

Es war ein lauer Herbstabend. Zufrieden saß Reto auf der Terrasse eines Gasthauses und blickte entspannt auf den träge vorbeifließenden Yaquir. Hier im Yaquirtal konnte man das Leben schon genießen. Die sanft hügelige Landschaft mit ihren endlos erscheinenden Weinbergen, die immer noch angenehm wärmende Abendsonne, all das lud dazu ein, die Seele baumeln zu lassen und einfach nur zu sein – ohne von und zu, ohne Wenn und Aber. Genüsslich nahm er einen Schluck Yaquirtaler Roten. Welch Gaumenfreude nach all den Entbehrungen in Mantrash'Mor.

Schnellen Schrittes, aber versucht nicht hektisch zu wirken, trat Salix an seinen Herren heran.

„Der Baron von Vairningen hat soeben abgesessen und wird in Kürze hier sein.“

„Hab Dank, mein Junge, du darfst dich jetzt zurückziehen.“

Pflichtbewusst entfernte sich der junge Knappe.

Eigentlich wäre Reto von Mantrash'Mor aus direkt nach Oberfels gereist. Comto Erlan Sirensteen von Irendor hatte die Delegationsteilnehmer beider Reiche zu Feierlichkeiten in den Palazzo Yaquirbruch geladen. Nach den eher entbehrungsreichen Wochen im Kloster sollte nun wieder standesgemäß gefeiert werden. Das hatten sich auch alle redlich verdient. Doch ein junger Mann ließ Reto noch einmal nach Inostal reisen. Es handelte sich um den Nordmärker Basin von Richtwald. Der Baron von Vairninigen und herzöglicher Jagdmeister der Nordmarken war dem Reichsvogt der Gerbaldsmark schon zu Beginn der Verhandlungen aufgefallen. Trotz seines jungen Alters zeichnete er sich durch eine Eloquenz und Hintergründigkeit aus, die Reto beeindruckte. Sein Neffe Ramin war kaum jünger als der Nordmärker, war aber lange nicht so abgeklärt. Basin war ein Macher, das war auch schon beim Reichstag in Beilunk so, wie Reto aus vertraulicher Quelle wusste. So überraschte es nicht, dass der junge Nordmärker schnell zum Dreh- und Angelpunkt der mittelreichischen Delegation avancierte. Als Schreiber koordinierte er die verschiedenen Verhandlungsgruppen, was ihm einiges an Einfluss gab – und das legitimiert durch den Reichserzkanzler persönlich. Ja, von dem jungen Baron würde man reichsweit noch hören, da war sich der Reichsvogt sicher.

Aus den Augenwinkeln sah Reto, wie die Schankmagd seinen Gast auf die Terrasse führte. Der Reichsvogt erhob sich von seinem Platz und begrüßte den Nordmärker mit einem festen Händedruck. Der Reichsedle von Ginsterhold war wahrlich eine Erscheinung, denn er überragte den Baron von Vairningen um fast einen Kopf. Der stattliche Körper zeugte davon, dass dieser Mann noch immer ein guter Kämpfer sein musste, wiewohl sich schon sichtliche Zeichen des Wohlstandes auftaten. Sein freundliches und einladendes Lächeln wurde von seinem adrett gestutzten Kaiser-Alrik-Bart noch verstärkt. Smaragdgrüne Augen sahen in die moosgrünen Augen seines Gegenübers.

„Den Göttern zum Gruße, Hochgeboren, ich freue mich, dass Ihr noch ein wenig Zeit für mich finden konntet, denn ich weiß, Ihr werde bereits wieder in Elenvina erwartet.“ Der Reichsvogt deutete eine Verbeugung an. „Bitte setzt Euch, der Blick von hier auf den Yaquir ist ungemein vortrefflich. Ihr trinkt doch sicher einen Becher Wein mit mir?!“

Ein freundliches, man könnte fast meinen spitzbübisches, Lächeln umspielte die Lippen des Richtwalders, als dieser die angedeutete Verbeugung seines Gegenübers erwiderte. Dabei sprühte der junge Ritter förmlich vor Energie. So sehr er Veranstaltungen wie diese liebte, so freute er sich doch auch wieder anständige Kleider tragen zu können. Endlich hatte er alles was das höfische Protokoll während der zurückliegenden Gespräche notwendig gemacht hatte, ablegen können, und war stattdessen in etwas Bequemes geschlüpft. Von guter Qualität und vermutlich auf den Leib geschneidert, sah man dem Jagdmeister in diesem Aufzug seine Verbundenheit zum grimmen Herrn Firun am ganzen Leib, und nicht mehr nur anhand seines Amuletts an. Ausgezeichnet passte das grüne Hemd zu seinen Augen, aber auch zu den hohen Stiefeln und der Hose, aus einem weichen und etwas hellerem Leder. Abgerundet wurde das Bild durch das gegürtete Schwert, ein ungewöhnliches Stück Schmiedekunst, das ganz dem schwarzen Himmelsadler und Firun-Alveraniar Iyi gewidmet war. „Ich danke Euch für Eure Einladung und zu einem guten Glas Wein sage ich sicherlich nicht nein.“

Die Schankmagd brachte Wein und kalten Braten, sowie frisches Brot.

„Mein Lieber Freund“, begann der Reichsvogt, „nun haben wir so viele Wochen eingepfercht in diesem Kloster verbracht, da ist dieser liebliche Ort eine willkommene Wohltat für die Sinne. Doch sagt, was haltet Ihr überhaupt von den Ergebnissen unseres großen Meisterwerkes?“

„Nun, ich denke, dass die Leute mit dem neuen Vertrag zufriedener sein werden, als sie es mit seinem Vorgänger waren. …“ Tatsächlich konnte sich Basin mitnichten über den Verlauf beschweren, immerhin hatte er alle Interessen, die er hatte vertreten sollen, durchgebracht, ohne selbst dafür aktiv werben zu müssen. Auf zwei Winkelzüge war er jedoch besonders stolz, sodass sein Lächeln einen Deut spitzbübischer wurde. Mit nur einer kleinen Spitzfindigkeit in der Formulierung hatte er es geschafft die Verwendung des konfiszierten Theriaks auch in den dämonisch verseuchten Landstrichen Tobriens zu ermöglichen. Zuvor jedoch war es ihm geglückt die Zustimmung des lieblichen Feldes für Strafzölle auf Manufakturwaren gegen deren Interesse zu organisieren. „… Ich finde sogar, dass uns ein großer und richtungsweisender Schritt in die Zukunft des Neuen und des Alten Reiches geglückt ist.“

„Wohl gesprochen, das Mittelreich hat nahezu alle Punkte von hoher Wichtigkeit durchsetzen – und sich so mancher faulen Offerte erwehren können. So halte ich unseren Vertrag für bedeutend wohlwollender für das Reich, als es der Vorgängervertrag war. Also ein Grund zur Freude, nicht wahr? Sind wir doch alle Diener des Reiches.“ Der Reichsvogt machte tatsächlich einen zufriedenen Eindruck. Die wichtigsten Punkte seines Auftraggebers, ebenfalls ein Mann des Reiches wie er es einer war, konnten durchgesetzt werden. Doch hatte sich Reto auch erlaubt, seiner eigenen Agenda zu folgen – in enger Abstimmung mit seinen Vertrauten, dem Perricumer Seneschall Zordan von Rabicum und dem Höllenwaller Baron Malpartus von Helburg. Ein selbstzufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Besonders stolz war er darauf, die Causa Anchopal bestmöglich gelöst zu haben. Beide Reiche hatten sich zu der Zugehörigkeit der Peraine heiligen Stadt zu Aranien bekannt – und das war nicht zuletzt Retos Verdienst, hatte er doch im Hintergrund allerlei Strippen gezogen. Diskret, und ohne viel Aufhebens – so wie es sein Auftrag war. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet ein reichstreuer Exil-Aranier wie er, dessen Haus nach dem Abfall sämtliche Besitzungen verloren hatte und in Ungnade fiel, nun seiner alten Heimat zur Seite sprang. Was sein seliger Vater wohl dazu gesagt hätte? Dieser hatte die Loslösung Araniens vom Reich nie überwinden können. Reto hingegen, zwar in Aranien geboren, aber in Gareth aufgewachsen und garetisch erzogen worden, sah dies pragmatischer, denn er fühlte sich nicht mehr als Aranier. Die Vergangenheit war unabänderlich, es galt die Gegebenheiten des Hier-und-Jetzt anzuerkennen und zu nutzen, um so die Zukunft gestalten zu können – und Reto wollte die Zukunft gestalten.

Der Reichsvogt hatte seinen jungen Gast genau gemustert, dabei fiel ihm, neben der geschmackvollen und gut sitzenden Bekleidung, die eine gewisse Zuneigung zu Firun auch schon erahnen ließ, schließlich auch das Amulett des grimmigen Herrn auf, das der junge Baron um seinen Hals trug.

„Aber lassen wir die hohe Politik hinter uns, sie hat in den letzten Wochen unser Leben schon genug bestimmt.“ Reto nahm genüsslich einen weiteren Schluck Wein, ließ dabei sein Gegenüber aber nicht aus seinem Blick. „Wie ich sehe, habe ich einen Freund der firungefälligen Jagd vor mir. Ich selber bin ein leidenschaftlicher Jäger und nenne eine bescheidene Falknerei mein Eigen. Es gibt wohl keinen Moment an dem ich mich so befreit fühle, wie auf der Beizjagd mit meinem Falken.“

Seine Verehrung für den grimmen Herrn Firun konnte man in der Tat nicht von der Hand weisen. Tatsächlich begleitete sie ihn von Kindesbeinen an. Bereits als kleiner Junge hatte er im Trophäenzimmer seiner Ahnen gesessen, und davon geträumt eigene hinzuzufügen, hatte er von Größerem für sein Haus geträumt. „Meine Familie unterhält ebenfalls eine Falknerei, seit Generationen, und ich stimme Euch zu, es gibt nur Weniges, das derart erhebend ist, wie ein Beizvogel auf der Jagd. Majestätisch erheben sie sich in die Lüfte, segeln unter den Sternen und stürzen sich im nächsten Augenblick auf ein Rehkitz, das soeben – nichts ahnend – den schützenden Wald verließ. Eben noch wirken sie federleicht und zerbrechlich und im nächsten Augenblick schlagen sich ihre tödlichen Klauen in ihr Opfer.“ Deutlich schwang Bewunderung in seinen schwärmerisch vorgetragenen Worten mit, aber auch ein Hauch von Wehmut lag in ihnen. „Ja, Ihr habt Recht. Ich schätze die firungefällige Jagd, sogar sehr. Sie gehört zu den Traditionen meiner Familie, wie es das Rittertum und eine rechtskundige Unterweisung tun.“ Dem Richtwalder waren die Traditionen seines Hauses wichtig, und das sah man ihm bei seinen Worten auch an. Und da ihm bisher da Glück stets hold gewesen ist, fühlte er sich darin nur umso mehr bestärkt.

Bei den letzten Worten des Barons hob Reto seine rechte Augenbraue. Der junge Mann vor ihm gefiel ihm nun noch viel mehr. Wahrlich ein Mann mit Charakter und dabei auch noch hübsch anzusehen. Gestählt durch Herrn Praios Gerechtigkeit und Herrn Firuns Härte und sicherlich war ihm hier und da auch Herr Phex holt gewesen, denn er war ja noch jung an Sommern und hatte schon viel erreicht. Fast schon verträumt sah er ihn an und führte ein weiteres Male den Wein an seine Lippen. ER war genau die Person die er gesucht hatte.

„Ich bin wahrlich froh, junger Freund, dass sich unsere Wege gekreuzt haben.“ Der Reichsvogt setzte seinen Wein wieder ab. „Der Grund warum ich Euch hier noch einmal treffen wollte … ich habe ein Anliegen … vielmehr ist es ein Gefallen den Ihr mir, so hoffe ich inständig, erweisen werdet. Ich suche für meinen Neffen, der mir sehr ans Herz gewachsen ist und dem ich sehr zugetan bin als wäre er mein eigener Sohn, einen Haushalt für seine Ausbildung. Er ist sehr tierlieb und hat bereits ein Händchen für Falken entwickelt, worauf ich persönlich sehr stolz bin. Außerdem ist er von der allweisen Frau Hesinde reich beschenkt worden, denn er ist äußerst wissbegierig und lernfähig. Ein Schwertvater, der die firungefällige Jagd in Ehren hält, die alten Traditionen achtet und sich auf dem politischen Parkett zu bewegen weiß, das wäre der richtige Mann für den Jungen – IHR wärt der richtige Mann für ihn.“

Basin ließ seinem Wein Zeit sein wohlschmeckendes Aroma zu entfalten und nahm nur gelegentlich einen kleinen Schluck. Vertieft betrachtete er nun den Inhalt seines Kelchs, beobachtete wie sich das Licht im vollen Rot brach. „Es ehrt mich, dass Ihr so von mir denkt.“ Gab er offen und zugleich bescheiden zu, immerhin hatten sie nun das eigentliche Thema ihres Gespräches erreicht. Nachdenklich nahm er den Faden wieder auf: „Die Götterläufe der ritterlichen Ausbildung sind prägende Monde für das gesamte Leben. Durch wen diese Ausbildung vorgenommen wird, sollte folglich eine wohlbedachte Wahl sein.“ Den Reichsvogt aufmerksam musternd nahm er einen erneuten Schluck, und als hätte der Wein die Nachdenklichkeit hinfort gespült, war sein Tonfall nicht minder freundlich doch sachlich. „Doch anhand Eurer Worte erkenne ich, das Eure Vorstellungen, die Begabungen Eures Neffen und meine eigenen Wertvorstellungen, sehr gut harmonieren. Ein Glücksfall, sodass ich Euch diesen Gefallen gern erfüllen möchte.“

„Ihr glaubt gar nicht wie erfreut ich bin!“ Retos Worte drückten echte Freude und Erleichterung aus. Er hatte das starke Gefühl, den Kleinen bei Basin gut untergebracht zu wissen. Yalsin würde viel von ihm lernen und – so die Hoffnung des Oberhauptes des Hauses Aimar-Gor – auch einmal die die Laufbahn eines Rechtsgelehrten einschlagen, so wie sein künftiger Schwertvater einer war. Bei aller persönlichen Zuneigung war es doch vor allem die Familienräson die federführend bei seinen Entscheidungen war. Doch selten sprachen Räson und Herz so sehr dieselbe Sprache, wie in dieser Angelegenheit. „Zu gegebener Zeit wird Yalsin seine Ausbildung bei Euch antreten. Ich hoffe sehr, dass meine Pflichten als Reichsvogt der Kaiserlichen Lande Gerbaldsmark es zu lassen, dass ich ihn persönlich in sein neues Heim geleiten kann. Doch nun wollen wir den Abend genießen und unsere Übereinkunft gebührend feiern.“ Mit diesen Worten signalisierte Reto der Schankmagd mehr Wein zu bringen.