Geschichten:Zwei Reiche, ein Vertrag – Aller Anfang ist schwer

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Mantrash'Mor, 25. Efferd 1041 BF:

Ramin konnte seine Aufregung kaum verbergen. Er war hier, im Zwölfgötterkloster, unter all den Großen der beiden Kaiserreiche. Das hätte er sich nicht träumen lassen. Zwar war er nicht offiziell Teil der diplomatischen Delegation des Mittelreich, doch schaffte es sein Onkel Reto irgendwie ihn mit nach Mantrash'Mor zu nehmen, während die restlichen Gefolgschaften der Diplomaten in Inostal, respektive Oberfels verbleiben mussten. Irgendjemand schuldete Reto wohl noch einen Gefallen.

Die Verhandlungen gestalteten sich kompliziert, denn erst einmal musste innerhalb der eigenen Delegation ein Konsens über die einzelnen Themen gefunden werden und die Interessen der einzelnen Provinzen konnte unterschiedlicher nicht sein. So verhandelten die Mittelreicher in den ersten Tagen primär mit sich selber. Austausch mit des Horasiern gab es wenig. Interessiert beobachtete Ramin die Anwesenheit anderer Mächtegruppen, so etwas den Gesandten Al'Anfas, oder aber die erstaunlich kopfstarke Abordnung aus Aranien. Ramin hatte die Aufgabe, die beiden Delegationen für Reto im Auge zu behalten.

Ramins Onkel pflegte unterdessen seine Kontakte. Besonders mit dem Perricumer Seneschall Zordan von Rabicum, oder aber dem Eslamsgrunder Baron Malepartus von Helburg, sah er Reto immer wieder im regen Austausch. Bemerkenswert war für ihn, dass Reto und Zordan nahezu jeden Götterdienst besuchten, selbst den Sonnengruß zur siebten Stunde jeden neuen Tages. Solch Frömmigkeit von Seiten Retos war Ramin neu, war er doch eher als Genussmensch und nicht als Frömmler bekannt. Sehr irritierend für den jungen Mann, aber sicherlich versprach sich Reto was davon.

Die ersten Verhandlungen zwischen den Delegationen der beiden Reiche über einzelne Vertragsabschnitte verliefen augenscheinlich nicht wie von Reto gewünscht. Laut fluchend ätzte er gegen das Unvermögen und Kleingeistigkeit auf beiden Seiten. Sein Auftraggeber hatte sich unmissverständlich gegen den Bezug auf das Silem-Horas-Edikt ausgesprochen, das wusste Ramin, und das aus gutem Grund. Großgaretien hatte den Nandus-Kult verboten und Nandus war ausdrücklich im Edikt als Halbgott genannt. Außerdem waren da noch die Veränderungen am Sternenhimmel, die weiterer Erforschung bedurften. Konnte man sich in dem Vertrag, der ewigen Frieden garantieren sollte, auf etwas beziehen was augenscheinlich im Wandel begriffen war?

So kam es, wie es kommen musste, das Silem-Horas-Edikt sollte in dem neuen Vertrag erneut prominent Erwähnung finden. Auf horasischer Seite vor allem ein Versuch, eben dieses großgaretische Verbot des Nandus-Kultes anzufechten.

Die anderen Themen dieser Verhandlungswoche waren für Reto nicht von Bedeutung, wie Ramin wusste. So wurde die Ernennung von jeweils drei Sondergesandten, die bei Konflikten zwischen den Reichen zusammenkommen sollten, abgelehnt. Genauso wie die Absicht, den Vertrag durch eine Ehe zu besiegeln. Bemerkenswerterweise wurde der Punkt, wonach in Manufakturen gefertigte Waren in beiden Reichen höher besteuert werden sollten als die von Zünften, tatsächlich angenommen. Der Unmut auf Seiten der horasichen Delegation war kaum zu übersehen.

Reto war aber bereits einen Schritt weiter und hatte schon lange die nächste Verhandlungswoche im Blick. Obwohl das Kloster wegen namenloser Umtriebe abgeriegelt wurde, hatte Ramin den Auftrag erhalten, in Retos Namen einen Brief an den Raben von Punin zu schicken. Rabe von Punin? Was hatte Reto mit der Boron-Kirche zu schaffen? Der Inhalt des Briefes hatte es durchaus in sich.


An den hochheiligen Schweigenden Kreis,
 
 
 
 
in aller Ergebenheit umtreibt mich, einfacher Gläubiger der unteilbaren Zwölf, wie der Rabe von Punin zu dem Al'Anfaner Boron-Ritus steht.




Hochachtungsvoll,



 
 
 
 
Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor

Tawil und Deromir sollten nun nach Punin reisen und sobald sie eine Antwort erhielten, wieder zurückkehren. Ramin war etwas unsicher, Reto und die Al'Anfaner? Das war sicherlich gefährlich sich mit ihnen einzulassen. Jetzt wusste er zumindest, warum der den Gesandten der Schwarzen Perle im Auge behalten sollte.

Ramin war überdies aufgefallen, dass sich Reto mehrfach mit der aranischen Gesandtschaft getroffen hatte – was alleine schon bemerkenswert war, denn die Aimar-Gor waren reichstreue Exil-Aranier, die nach der Unabhängigkeit aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Doch was hatten sie Aranier mit den Al'Anfanern zu schaffen? Denn diese unterhielten ebenfalls einen regen Austausch, wie Ramin beobachten konnte.