Geschichten:Zwei Eichen - Laufpursche?

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Sumerau in der Ritterherrschaft Vulpershain, 04. Phex 1042 BF, am frühen Nachmittag

Es war ein regnerischer Tag im frühen Phex, als es an der Tür der Gemächer, in denen die beiden Eichsteiner Brüder im Krayenhof residierten, zaghaft klopfte. Zuerst hatte Aldur, der gerade mit seinem Bruder gemeinsam musizierte, gedacht, er hätte sich verhört, doch dann klopfte es erneut. Nach einem kurzen Blick zu seinem Bruder stellten beide ihre Instrumente zur Seite, dann wandten sie sich der Tür zu: “Herein, wenn es kein Shruuf ist!”, rief Aldur leicht genervt, hatte er sich doch auf einen ruhigen Nachmittag gefreut. Kurz hörten sie einen leisen Schrei vor der Tür, dann wurde diese geöffnet. Die Augen der beiden Brüder schauten zuerst ins Leere, dann, nachdem sie etwas weiter nach unten sahen, bemerkten sie den roten, wild zerwuschelten Haarschopf eines Kindes, vermutlich zehn bis elf Götterläufe alt. Für einen kurzen Augenblick wirkte es so, als ob er ein wenig geschoben wurde. Zögerlich überquerte das Kind die Schwelle zum Gemach des Reichsritters. Selbiger ebenso wie sein Bruder schauten ihn auffordernd an, sagten jedoch nichts.

“Ähm…”, der Junge war sichtlich aufgeregt. “Ähm… mir ham jehört, dasse hohen Herren … Laufpurschen suchen?”

Aldur hätte fast gelacht. Fast. “Hm?”, brummte er nur.

“Naja… Laufpurschen? Wo Ihr doch ein hoher Herr seid und daswegen auch jemanden braucht, der arbeiten tut? Mein Großvati sagt nämlisch imma, eina muss ja arbeiten tun und das sind meischtens wir, wir Laufpurschen.”

Erneut mussten sich Aldur und Wilbur zusammenreißen. “Hm?”

“Und weil Ihr doch neu seid hier und kainen kennen tut und so… da könntet Ihr doch Laufpurschen prauchen tun?”

Wilbur fragte sich, ob dieses Kind wohl jemals schon eine Praiostagsschule von innen gesehen hatte. Ein Zustand, dem man dringlichst abhelfen sollte. “Wie alt bist du denn, Knabe? Und wie heißt du überhaupt?”, fragte er den Jungen und hatte dabei seinen besten Inquisitorblick aufgesetzt. “Oder stellt sich ein … LaufPursche nicht mehr vor?”

Der Junge schaute Wilbur mit offenem Mund an, dann schloß er selbigen wieder, knetete erneut seine Mütze, die er schon seit Beginn seiner Rede dermaßen traktierte, drückte und quetschte, dass es einem bang werden konnte, schließlich antworte er: “Ooooodo tu ich heisen. Odo Grischgrahm.”

Wilbur schien gerade einen kleinen Hustenanfall zu haben, daher übernahm wieder Aldur das Gespräch: “Gut, Odo Grischgrahm. Du willst also für uns arbeiten. Was kannst du denn alles?”

Der Junge strahlte: “Nu, isch kann Enten und Gänse hüten, Schweine auch. Dann kann ich noch Steine übers Wasser springen lassen. Und schnell laufen. Dass muss ich nämlich gut können, die Mischtvicher hauen nämlich immer wieder mal ab. Und ich muss sie dann fangen. Und anpacken kann ich auch. Und eben noch so Kram, den Laufpurschen so tun tun. Reicht das?”

Aldur zog eine Augenbraue hoch. “Soso”, sagte er, dann schwieg er wieder und schaute Odo musternd an. Selbiger nahm das zum Anlass, noch nervöser zu werden, als er ohnehin schon war. “Un? Nu? Ihr braucht mich doch, oda?”

Nun war es mit der Selbstbeherrschung der beiden tatsächlich vorbei, beide lachten lauthals. Dann wurde Aldur wieder ernst. “Odo, du gefällst mir. Du bist nicht dumm und scheinst das Herz auf dem rechten Fleck zu haben. Ich werde es mit dir versuchen.”

Odo strahlte, dann wurde er wieder ernst. “Und meinen Großvati Nottel, denn müsst Ihr dann auch einstellen. Der kennt nämlich alles und jeden hier wie die löchrigen Taschen seines Wams und das kann für Fremde wie Eusch nur gut sein tun, sagt mein Großvati, der kennt sich nämlich aus mit allem”, sagte der Junge im Brustton der Überzeugung.

Aldur und sein Bruder sahen sich einen Augenblick überrascht an. Das wurde ja immer interessanter?

“So, deinen Großvati Nottel bekommen wir also auch gleich dazu?” Aldur zuckte mit den Schultern. “Gut, dann hätten wir also die ersten beiden Bediensteten. Wie schön. Wo ist denn dein Großvati, Odo?” fragte er den Jungen dann. Dieser schaute kurz auf einen Punkt außerhalb der Tür und winkte. “Jetscht, Großvati. Nu komm!” Hektisch winkte er, woraufhin ein älterer, hagerer und vom Alter schon gebeugter Mann hinter der Tür hervortrat, der auf den ersten Blick eher tot als lebendig wirkte. Mit heiserer Stimme - natürlich, irgendwie hatte Aldur das schon fast erwartet - stellte er sich vor: “Gestatten? Nottel Grisgrahm, stets zu Diensten.” Formvollendet verbeugte sich der alte Mann - er schien tatsächlich eine gewisse Ausbildung erhalten zu haben. “Es wäre uns, also meinem Enkel und mir, eine Ehre, für die hohen Herren zu arbeiten. Wir können gleich anfangen, wenn ihr wünschen tut.”

Aldur dachte einen Augenblick nach, dann nickte er. “Ich hatte mir zwar nicht vorgestellt, so schnell schon Bedienstete hier zu haben, aber sei es drum. Wir werden es versuchen. Und wenn ihr euch bewährt, dann könnt ihr bleiben. Wenn ihr gleich anfangen wollt, dann lasst euch vom Krayenhof eine Kammer geben, möglichst nah. Nottel und Odo nickten dankbar, dann verließen sie den Raum wie geheißen.

Im Umdrehen drehte sich Odo noch einmal um und fragte leise den Praiosgeweihten: “Und was hättet Ihr gemacht, wenn es nicht wir gewesen wären, sondern tatschäschlisch ein Schruuph?” fragte der Junge.

“Dann hätte ich ihm mit meinem Sonnenszepter den Arsch versohlt”, grummelte Wilbur trocken, “Dass klappt auch bei ungezogenen LaufPurschen.”