Geschichten:Zwölfgöttertjoste - Das Spiel mit den Dukaten

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Reichsstadt Perricum in der Markgrafschaft Perricum. Rondra 1037 BF

„Nein, das kommt nicht in Frage! Vier Silberstücke sind mein absolutes Höchstgebot.“ Winkte Angrist von Rond vehement ab, und hielt seinem Gegenüber ein Turnierschild hin.

Der Schmied kratzte sich abwägend durch den stoppeligen Bart. „Also gut.“ sagte er schließlich. „Doch man wird die Bruchstelle erkennen.“ fügte der Handwerker hinzu, und nahm den beschädigten Schild entgegen.

Der Ritter seufzte verdrossen, aber stimmte letztendlich zu. „Mein Knappe wird es heute Abend abholen.“ Sagte er, bevor er sich von der Schmiede abwandte.

In diesem Moment erschien auch sein Knappe Kunibald von Eychgras, welchen er zuvor auf einen Erkundungsgang durchs Handwerkerviertel geschickt hatte.

„Ich habe einen günstigeren Drechsler gefunden, aber keinesfalls weniger als 45 Silberstücke die Turnierlanze.“ Gab der junge Mann seinen Bericht ab.

„Immer diese verdammte Dukatenjäger bei den Turnieren.“ Fluchte der Ritter murmelnd vor sich hin. Ihm schmeckte seine eigene Knauserei gar nicht, doch hatte er keine andere Wahl. Allein die Hinreise nach Perricum, um an der Zwölfgöttertjoste teilzunehmen, war kostspieliger als sein mickriger Ritterhaushalt erlaubte. Um den Gewinn noch zu maximieren, hatte er sogar wetten auf sich selbst abgeschlossen. Dies war normalerweise nicht seine Art, doch die finanzielle Not zwang ihn zu solchen Mitteln.

Der bisherige Verlauf des Turnieres war für Angrist leider alles andere als erfolgsversprechend. Bei den Disziplinen Einhand- und Zweihandwaffen war er bereits ausgeschieden. Dabei hatte er darauf geachtet, Gegner herauszufordern, die unerfahren genug aussahen, um gegen sie zu bestehen. Unglücklicherweise waren die Götter nicht mit ihm. Ungewohnt ungeschickt und tumb hatte er sich in der Arena bisher angestellt. So etwas war ihm all die Götterläufe nie passiert. Ausgerechnet nun…nun wo es um die Existenz seines Ritterhauses und seiner Familie ging. Es schien ihm, als verspotteten die Zwölfe sein Schicksal.

Die einzige Disziplin, die dem Ritter noch blieb, war die Tjost. Doch auch dort trennte ihn nur noch eine Niederlage vom Ausscheiden. Zu allem Überfluss brach beim letzten Lanzengang gegen einen unbekannten perricumer Ritter die Stahlverstärkung seines Schildes. Zusätzlichen zu den überteuerten Turnierlanzen waren dies alles Kosten, die ihm tüchtige Magenschmerzen bereiteten.

Beim Drechsler angekommen, handelte Angrist den Kauf einiger Lanzen schnell ab. Den Aufpreis von einem Silberling je Lanze, um diese in seinen Wappenfarben streichen zu lassen, lehnte er rasch ab.

Mit einem gewitzten „Die Lanzen werden so schnell an den Schilden seiner Gegner zerbersten, dass noch nicht mal die Farbe getrocknet ist.“ lenkte Kunibald von Eychgras geschickt von der Knauserigkeit seines Herren ab.

Dankend klopfte Angrist seinem Knappen auf die Schulter, als plötzlich eine Stimme hinter ihm ertönte. „Angrist von Rond, Rondra zum Gruße.“ Es war Nimmgalf von Hirschfurten, Baron zu Hirschufurten und Heermeister des Reichsforster Heerbanns. Er hatte mehrere Verdienste und Auszeichnungen in diversen Schlachten erhalten, und außerdem zahlreiche Turniere gewonnen. Selbst in seinem einfachen Ausgehwams, war nicht zu übersehen, dass man einen strahlenden Ritter von hoher Persönlichkeit des Reiches vor sich hatte.

„Euer Hochgeboren.“ Angrist verneigte sich knapp.

„Wie geht es euch? Ihr hattet bisher etwas Unglück beim Turnier, so scheint mir.“ Der Baron lächelte, doch erkannte Angrist keinen Spott in seiner Miene.

„Kann man so sagen.“ Dem Ritter war das Gespräch bereits unangenehm, also beschränkte er sich auf knappe Höflichkeiten. „Ihr hingegen macht eine gewohnt souveräne Figur.“ Dies war keine Übertreibung. Der Baron zu Hirschfurten hatte bereits beide Vorrundenkämpfe gewonnen indem er seine Kontrahenten aus dem Sattel geworfen hatte.

Nimmgalf ging auf die Höflichkeit nicht weiter ein. „Ich muss ehrlich sagen, ich bin von euch etwas enttäuscht. Üblicherweise bin ich vom Haus Rond mehr Kampfesgeist gewohnt.“

Angrist zog die Brauen zusammen. Wenn Angrist schon die Barone hier enttäuschte, wie würde ihn wohl seine Frau erst Willkommen heißen, wenn er mit leeren Taschen Heim ginge. „Nun, man kann nicht immer gewinnen.“ Gab Angrist knapp zurück.

„Nein, das kann man wahrlich nicht.“

„Wenn ihr mich nun entschuldigt, ich habe noch einige Vorbereitungen zu treffen.“ Damit wandte er sich rasch von Nimmgalf ab und sah seinen Knappen an. „Kümmere dich um die Lieferung der Lanzen, ich warte im Zeltlager.“

Mit einer kurzen formellen Verabschiedung, ließ er Baron und Knappen stehen. Nach dieser unbehaglichen Begegnung brauchte er dringend einen Krug Wein.

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Am nächsten Vormittag fanden die letzten Vorrundenkämpfe statt. Alle Ritter hatten sich mit ihren prachtvollen Rüstungen versammelt, bejubelt von der Menge, die sich auf der Tribüne und um den Tjostplatz herum tummelte.

Angrists Augen musterten alle Ritter ausgiebig. Seine Hände waren bereits klamm vor Schweiß, und er biss sich zusätzlich nervös auf die Unterlippe.

Er musste es unbedingt schaffen, selbst einen Kontrahenten auszuwählen, bevor seine Favoriten vergeben waren, oder er selbst gar von einem überstarken Ritter herausgefordert wurde. Zwei Ritter hatte er sich bereits heraus geguckt, die bei ihren beiden vorherigen Kämpfen keine gute Figur gemacht hatten. Rasch strich er jedoch den Koscher Bergritter wieder, da dieser noch einen Sieg brauchte, um weiter zu kommen. Dies bedeutete, er würde verbissen, um den Sieg kämpfen. Damit blieb Angrist nur noch ein Edler aus dem Greifenfurtschen. Dieser hatte bereits zwei Niederlagen eingefahren, was seine Teilnahme nur noch auf Formalität beschränkte.

„Ich fordere, Angrist von Rond!“ ertönte auf einmal eine wohlvertraute Stimme und riss Angrist aus seinen Gedanken. Entgeistert blickte der Ritter zu seinem Herausforderer, welcher ihn entschlossen anblickte. Nimmgalf von Hirschfurten, angetan in seiner besten Rüstung ein Fanal von einem Ritter, hatte Angrist soeben herausgefordert.

Vor Angrists Augen brach in diesem Moment alles zusammen. Das ganze Geld, die Teilnahmegebühr, die Anreise- und Materialkosten und sogar die Wettsummen, alles war dahin! Er wusste nicht mal, ob genug übrig war, um die Rückreise zu finanzieren.

Niemals würde er gegen Nimmgalf bestehen können. Schnell wischte er die aufkommende Hoffnung, dass Nimmgalf ihn nur erwählt hatte, um ihn gewinnen zu lassen, bei Seite…dafür war er viel zu Rondragefällig.

Fanfarenstöße wiesen die Kontrahenten hin, sich in ihre Lager zu begeben, um sich auf den Kampf vorzubereiten. Kunibald von Eychgras hatte bereits alles für den bevorstehenden Lanzengang vorbereitet und führte Angrists Pferd herbei.

„Warum nur? Warum mich?“ fluchte Angrist vor sich hin, während er sich seinem Knappen näherte. „Er hat sein Weiterkommen mit zwei Siegen bereits gesichert, wieso bei allen Göttern wählt er mich?!“

Der Knappe senkte den Blick. „Nun, Herr, vielleicht weil er über eure Situation bescheid weiß.“

„Was soll das heißen, woher sollte er denn wissen, wie es um meine Finanzen bestellt ist?“ fauchte er seinen Knappen zornig an.

„Nachdem ihr gestern gegangen seid, hat er mich auf eure Situation angesprochen. Ich wollte ihm nichts sagen, aber … es tut mir Leid.“

„Du hast was?!“ ging er seinen Knappen an.

„Er wusste schon bescheid, und wollte im Grunde nur seinen Verdacht bestätigt wissen.“ Fügte Kunibald rasch hinzu.

Ratlos schüttelte Angrist den Kopf. „Wenn er über meine Situation im Bilde ist, warum erwählt er mich dann? Will er mich ruinieren? Weiß er eigentlich was hier auf dem Spiel steht?“

Sein Knappe wusste keine Antwort auf seine Frage.

Seufzend stieg Angrist auf sein Pferd. Auf der anderen Seite der Rennbahn konnte Angrist erkennen, dass Nimmgalf es ihm gleich tat. „Gib bekannt, dass wir verzichten. Wenn ich schon verliere, muss ich kein weiteres Geld mehr ausgeben für zerbrochene Lanzen und verbeulte Rüstungen.“

„Herr?“ Kunibald blickte seinen Schwertvater fassungslos an.

„Du hast mich gehört, es ist vorbei.“

Kunibald blinzelte mit zusammengepressten Lippen den Ritter an, rührte sich aber nicht.

„Was ist mit dir?“, ging Angrist seinen Knappen an.

Es schien, als raufte Kunibald seinen ganzen Mut zusammen. „Es ist noch nicht vorbei, Herr! Ihr habt noch einen Kampf auszufechten.“ Angrist sog bereits scharf die Luft ein, um seinen Knappen zu schelten, doch dieser fuhr unbeirrt fort. „Vielleicht hat er euch herausgefordert, damit ihr euch wieder besinnt, worum es bei dieser Zwölfgöttertjoste überhaupt geht.“

Schnaufend starrte der Ritter seinen Knappen an, welcher jeden Moment eine Ohrschelte erwartete. Dennoch hielt er dem Blick des Ritters stand. Doch Angrist konnte sich nichts vormachen. Kunibald hatte Recht, das ganze Turnier über, hatte Angrist auf den besten Profit geachtet, allein aus diesem Grund war er überhaupt angereist. Wen wunderte es, dass er bei diesem tugendhaftem Wettstreit die Gunst der Leuin verloren hatte.

Seufzend sackte Angrist in seinem Sattel zusammen und rieb sich mit gesenktem Kopf die Schläfen. Wie konnte er es soweit kommen lassen, dass das verfluchte Geld ihn so dermaßen beeinflusste. Dies war nicht, was einen Rond ausmachte. Seine Profitsucht verunglimpfte seine Familie, die Götter und am meisten ihn selbst.

„Herr.“ Sein Knappe weckte Angrist aus der Verzweiflung. Jener war an ihn herangetreten und hielt ihm Schild und Lanze hin. „Es ist noch nicht zu spät.“

Angrist nickte zustimmend und schluckte einen Kloß hinunter. Wortlos nahm der Ritter seine Wehr entgegen. Am anderen Ende der Rennbahn scharrte Nimmgalfs Streitross bereits ungeduldig mit den Hufen.

Angrist musste innerlich darüber lachen, dass tasächlich sein Knappe nötig war, um ihn wieder an Rondras Tugenden zu erinnern. Doch Kunibald hatte Recht. Als ihm die Erkenntnis kam, schien ihm plötzlich eine Quaderschwere Last von den Schultern gefallen zu sein.

Das Signal zur Freigabe wurde gegeben und beide Pferde preschten los.

Rondra, vergib mir meine Torheit! Ich werde nur noch für deinen Ruhm kämpfen!

Noch 20 Schritt … Das Geschrei der umstehenden Menge rückte für Angrist in weite Ferne, er konzentrierte sich ganz auf sein Ziel.

Das Gold ist nicht wichtig!

15 Schritt … Angrist packte seine Lanze fester und richtete sie auf seinen Gegner aus.

Die Gunst meines Weibes und meiner Familie ist nicht wichtig!

10 Schritt … er richtete sich in seinem Sattel auf, um mehr Schwung in seinen Lanzenstoß zu geben, selbst wenn er dem Gegner damit mehr Angriffsfläche bot.

Ob ich gewinne oder verliere ist nicht wichtig!

5 Schritt … sein Blick fixierte Nimmgalfs vergoldete Brünne, die Stelle, wo die Lanze auftreffen soll.

Das einzig wichtige ist, dass ich in deinem Namen zum Kampf antrete, ungeachtet der Aussichtslosigkeit!

Stoß! Holzsplitter stoben umher, Pferde wieherten, ein Reiter fiel scheppernd zu Boden. Die Menge jubelte.

Rondra hatte entschieden