Geschichten:Xarfais Wut in Eisenmuth

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Unweit von Gut Eisenmuth/Baronie Feidewald, Ende Peraine 1043 BF

Vor einer halben Stunde hatten sie die Feidenbachbrücke überquert und nun rumpelte der geschlossene Karren langsam über die holprige Piste in den grünenden Wald hinein. Zu Gräfin Thuronias Zeiten hatte man noch daran gedacht, die Straße von Kronbrunn bis zur Kreuzung mit der Reichsstraße bei Ruthberg zu pflastern, um das Reisen zur gräflichen Residenz auf Feidewald bequemer zu machen. Doch diese Pläne lagen nun schon seit bald zwanzig Jahren auf Eis angesichts der immensen Summen, welche die andauernden Kriege und Fehden verschlungen hatten. Weder Graf Geismar II. noch Baron Werdomar hatten sich sonderlich für den Zustand der Straße interessiert, zumal letzterer ohnehin häufiger in der Reichsstadt Hartsteen oder direkt am Grafenhof logierte als auf seiner Burg. Und so reihten sich Schlaglöcher, Kuhlen und Rinnen in einem fort aneinander, so dass es des Kutschers ganze Aufmerksamkeit brauchte, um sein Gefährt vor Achs- und Radbruch oder gar dem Umkippen auf der Strecke zu bewahren.

Alrik Rondlaus von Sturmfels seufzte innerlich, während er darüber sinnierte, dass sich der Zustand der Straße und der auf ihr reisenden Schar kaum unterschied: Neben einer Handvoll Büttel hatten sich als Bedeckung für diese Fahrt allenfalls die Reste aus der Rumpelkammer des Hartsteener Rittertums gefunden – Männer, die den Sommer ihrer Kraft und Gewandtheit schon seit langem hinter sich gelassen hatten. Denn die Jüngeren, Stärkeren, Ambitionierteren waren stattdessen fast sämtlich beim gräflichen Heerbann, um sich mit ihren Pendants aus den anderen garetischen Grafschaften gegenseitig die Schädel einzuschlagen und so Ruhm, Ehre oder gar ein Lehen zu erlangen. Nichts davon würde diese Unternehmung hier einbringen und so war die Aufgabe schließlich an ihnen, den alten abgehalfterten Recken vergangener Tage, hängen geblieben: dem schwerhörigen Perainalf von Schroeckh-Wulfensteyr, den man regelrecht anbrüllen musste, damit er noch etwas verstand, dem tumben Delo von Hirschenrode, welcher sonst nur noch das Geld seiner verstorbenen Gattin versoff und natürlich ihm selbst als ältestem Hausritter auf Feidewald, dessen morsche Knochen bei jedem Schritt so laut krachten, dass es in den Gängen und Hallen der uralten Festung auf dem Grafenhaupt wiederhallte. Doch Treue und Pflicht hatten sie in die Sättel gebracht, um die so widerwärtige wie wertvolle Fracht ans Ziel zu bringen. Im Inneren des Karrens nämlich saß Rapidora von Katterquell – Raubritterin, Klosterschänderin, Mörderin – auf dem Weg nach Hartsteen, wo sie in die Hände der Inquisition übergeben werden sollte und bei jedem Stoß rasselten die eisernen Ketten, mit denen sie gefesselt war.

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„Herr Alrik?“, einer der Büttel lenkte seinen Gaul heran und riss den Ritter aus seinen Gedanken, indem er raunte, „Ich glaube, wir werden verfolgt.“

„So? Wie kommst du darauf?“, runzelte der Alte die Stirn. Natürlich gab es bedingt durch die Fehdewirren mehr als genug Wegelagerer, aber die Eskorte war gut bewaffnet und der Karren machte auch nicht den Eindruck, als wenn hier wertvolle Güter zu holen wären, die für adlige oder gemeine Heckenreiter normalerweise von Interesse sein konnten.

„Seit wir den Wald betreten haben, knackt und rauscht es immer wieder abseits links und rechts des Weges“, berichtete der Mann furchtsam, „Und Zerline meint, das Wiehern eines Pferdes und das Klirren von Stahl gehört zu haben.“

„Und ihr seid sicher, dass es keines der unsrigen war?“

Der Mann nickte vorsichtig: „Ziemlich sicher. Mir war es auch, als hätte ich kurz das Glänzen eines Harnischs oder eines Helmes im Dickicht gesehen.“

Kurz überlegte der Sturmfelser. Das Blitzen mochte auch von einem Loch im Blätterdach stammen, durch das die Strahlen der Praiosscheibe fielen, das Wiehern und das metallene Klirren ein Wiederhall ihrer eigenen Fahrt sein. Schroeckh-Wulfensteyr und Hirschenrode würden bei einer befriedigenden Erörterung dieser Fragen keine Hilfe sein und so blieb der beunruhigende Gedanke haften, dass hinter den mächtigen Stämmen und in den Schatten unter dem frisch grünenden Blätterwerk mehr vor sich ging, als er selbst entdecken konnte.

„Kutscher, fahr zu! Alle anderen, bleibt eng zusammen! Vorwärts!“, kommandierte der alte Recke entschlossen seine Schar. Es war nicht mehr weit bis Gut Eisenmuth. Wenn sie es bis dahin schafften, würde ihnen die neue Ritterin dort sicher Schutz gewähren.

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„Da sind sie!“, hörte er hinter sich eine der Reisigen rufen.

„Die Katterquells!“, tönte es gleich darauf angsterfüllt.

Alrik blickt sich um. Tatsächlich, in blankem Stahl und blutroten Wappenröcken brachen mehrere Reiter johlend ein Stück hinter ihnen aus dem Unterholz hervor und hielten mit gezogenen Waffen auf sie zu und ihr Ziel war nur zu klar: die Befreiung Rapidoras. Wie diese Geächteten wohl davon erfahren haben mochten, dass ihre Spießgesellin just heute hier vorbeikam? Allein, es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken.

„Schneller! Schneller!“, trieb er seine Leute an, während er seinem Ross die Sporen gab.

Unbarmherzig ließ der Kutscher seine lange Peitsche auf die Rücken seines Gespanns niedersausen, so dass das Gefährt gefährlich schwankend nunmehr ohne Rücksicht auf den schlechten Zustand des Weges geradezu dahinraste.

Über Stock und Stein, durch Schlammpfütze und Sandkuhle ging die wilde Jagd, die gehetzten Tiere schnaubten vor Anstrengung, der Wagen ächzte und krachte und der Sturmfelser merkte keuchend, wie ihm der Schweiß den vor Schmerz glühenden Rücken herunterlief. Stetig kamen die Verfolger näher, doch schon lichtete sich der Wald und vor ihnen tauchten die Dächer und Mauern von Gut Eisenmuth auf.

„Im Namen von Graf Odilbert, öffnet das Tor! Wir werden von Räubern verfolgt!“, schrie Alrik so laut er konnte, als sie aus dem Waldesschatten ins Freie preschten. Und die Wächter auf dem Gut waren offenbar schnell von Begriff angesichts der gehetzten Kavalkade, denn im Nu schwangen die schweren Torflügel auf den Ruf hin nach innen, so dass Kutsche und Ritter passieren konnten.

Der Alte zog die Zügel an und kam inmitten des Hofes zum Stehen. Ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass ein paar Spießknechte mit ihren langen Waffen die Durchfahrt blockierten und dass daraufhin die Verfolger ihre Tiere am Waldrand verlangsamt hatten. Weitere Bewaffnete eilten auf den Befehl einer geharnischten und behelmten Kriegerin herbei und umringten den Karren. Alrik Rondlaus atmete tief durch: Sie hatten es geschafft! Aufmunternd tätschelte er sein Pferd am Hals und nickte dabei den ritterlichen Gefährten zu, denen die Anstrengung nur zu deutlich in die Gesichter geschrieben stand. Er selbst musste alle seine Kraft aufbieten, damit ihm beim Absitzen nicht die Knie einknickten.

„Habt Dank für Euer schnelles entschlossenes Reagieren“, sagte der Ritter zu der Frau, die das Kommando führte, „Das war knapp, hohe Dame.“

„Nicht wirklich“, antwortete diese da dumpf zu Alriks völliger Überraschung, „Es läuft wie geplant.“

„Was? Was meint Ihr damit?“

„Ihr sitzt in der Falle!“

Zugleich mit dieser Antwort gab die Kriegerin einen Wink und das Waffenvolk auf dem Hof zerrte den verdutzten Hirschenrode von seinem Pferd und den übrigen überrumpelten Feidewalder Bütteln erging es nicht besser. Perainalf von Schroeckh-Wulfensteyr wollte sich zwar wehren, doch noch bevor er sein Schwert richtig aus der Scheide gezogen hatte, spießte ihm bereits einer der Kämpfer die Speerklinge unters Kinn, so dass der Ritter plötzlich erschlaffend aus dem Sattel kippte und leblos auf dem rotbesprenkelten Dreck des Hofes aufprallte. Harte Fäuste ergriffen auch den erschütterten Sturmfelser, der wehrlos mit ansehen musste, wie die Spießgesellen am Hoftor zur Seite traten und den einreitenden Verfolgern Platz machten.

Dann schob die Kriegerin das Visier ihres Helmes nach oben und Alrik Rondlaus erkannte ein hartes von roten Narben übersätes Gesicht, ein zu einem höhnischen Grinsen verzogenen Mund und Augen, in denen Mord funkelte: „Die Hausherrin ist ausgeflogen. Ich bin Noctana, die Bluttäuferin!“