Geschichten:Windumtoste Höhen

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Burg Hengefels, Baronie Hengefeldt, 23. Efferd 1043 BF

Erhaben und mit ernsten Gesichtsausdruck saß die Baronin auf dem altertümlichen Herrschaftsthron der Hengefeldter. Neben ihr stand mit gerader Haltung ihr Gemahl Roban von Rauleu. Seit annähernd 400 Götterläufen herrschte ihr Blut ununterbrochen über die Lande Hengefeldt. Es war der gute Kaiser Alrik der Tugendhafte, der ihren Urahn im ersten Jahr seiner Regentschaft in den Adelsstand erhob und mit diesem Land belehnt hatte. Davon zeugte hinter dem Thron ein überlebensgroßes Relief, das den ritterlichen Kaiser zeigte, wie er ihren Urahn als einen von acht Rittern die Herrschaftsinsignien Hengefeldts überbrachte. Im Laufe der Jahrhunderte hatten sich die Hengefeldter von ihren Wurzeln entfernt, glaubte Serima. Auch sie selber. Doch das Wiedererscheinen des heiligen Altars der Herrschaft zu Korgond hatte sie zu den Wurzeln ihres Blutes zurückkehren lassen. Der korgonder Herrschaftsbegriff war ihr ins Blut übergegangen. So studierte sie die alten Sagen und Legenden, hinterfragte die vielfältigen Traditionen ihrer Lande und ließ sie die alten Riten wieder auferstehen. Aber auch Neues sollte Einzug halten in die schroffen Berge und grünen Täler ihrer Lande: Die sechs Feiertage der Verkündung Korgonds, sowie Korgonds Erscheinen und dessen Verhüllung.

Im kreisrunden Thronsaal hatte sich der Hofstaat der Baronin versammelt. Rechts unterhalb der Herrscherin standen Kastellan Sequin von Hengefeldt, Kammerherrin Darina von Erlenbruch und Kämmerin Idra von Dunkelfarn. Auf der linken Seite ihr der erste Hausritter Wyndor von Erlenbruch, der Hauptmann der Garde Throndard Olbir von Kressenrück und die Meisterin der Jagd Fiana von Dornhag. Weiter unten, an den Flanken des Throns hatten die beiden Hausritter Perdin von Dunkelfarn und Firene von Dornhag mit versteinerte Miene Aufstellung genommen. Die Knappen und Pagen hatten sich mit den Angehörigen des Gesindes auf der steinernen Arkade versammelt, die den herrschaftlichen Saal umrundete.

Vor dem Thron hatten sich - neben dem Hofdichter Gneisbald von Firunslicht und dem Rest des Hofstaates - einige Untertanen versammelt, um der Baronin ihr Anliegen vorzutragen. Zumeist ging es um Kleinigkeiten, wie Nachbarschaftestreitereien, vermeintlich gestohlenes oder verschwundenes Vieh, oder ähnliches. Die Baronin nahm sich geduldig Zeit für die Sorgen und Nöte ihrer Untertanen, denn es war ihre heilige Pflicht für sie zur sorgen. Sie war die Mutter des Landes und ihre Untertanen ihre Kinder.

„Ich werde dem Junker von Crastertal unverzüglich damit beauftragen eine Wolfsjagd auszurufen. Deine Schafherde soll nicht länger der Gefahr dieser Bestien ausgesetzt sein!“, sprach die Baronin mit eindringlichen, aber mütterlichen Ton zu einem alten Schafhirten, der seiner Herrin vorher sein Leid geklagt hatte. „Nach den mageren Ernten im vergangenen Götterlauf haben viele Tiere den Winter nicht überlebt. Die Verbliebenen sollen nun nicht auch noch von Wölfen dezimiert werden.“

Der Alte verbeugte sich umständlich und trat mit einer Wärme im Herzen zurück, um dem nächsten Bittsteller Platz zu machen. Dieser war der Baronin offenkundig kein Unbekannter.

„Der gute Treuwin aus der Treuenklamm, emsige Stimme aus der Klamm der heiligen Gänse.“ Der Tonfall hatte an Güte eingebüßt, wusste die Baronin doch nur zu gut, was ihr bevorstand.

„Hochgeboren, ich überbringe Travia gefällige Grüße ihrer Hochwürden Trauthilde von Geißenklamm. Viele Winter sind vergangen seit die dunklen Horden die Lande Eurer Familie überrannten und die Heimstadt Travias in Hengen schändeten. Die Mutter der Treuenklamm möchte Euch Eure heilige Pflicht ins Gedächtnis rufen, Euren guten Untertanten eine neue Heimstadt der gütigen Mutter Travia zu stiften.“

Die Baronin hörte den aus ihrer Sicht impertinenten Worten des Novizen zu, doch blieb sie äußerlich davon ungerührt. Sie hatte sich an dieses immer wiederkehrende Ritual beinahe schon gewöhnt.

„Gänslein der Treuenklamm, übermittel deiner gütigen Mutter die allertraviagefälligsten Grüße vom ehernen Hengefels. Sehr wohl hören wir das Gänsegeschnatter, dass von der Klamm herunter hallt. Meinen treuen Untertanen wandten sich in den Zeiten der Not der milden Ifirn zu und die Schwanengleiche erhörte ihr flehen. Seither füllt sich der Tempel der Weißen Maid mit Gläubigen, die der sanften Winterherrin und den Silberschwänen huldigen, auf das nach jeden auch noch so erbarmungslosen Winter ein lebensspendender Frühling folgen würde. Gläubige aus den steinernen Weiten der Zacken pilgern zum Heiligtum der Weißen Maid und finden bei ihr Zuflucht.“

Der Novize wollte gerade ansetzen seine Stimme wieder an die Baronin zu richten, als diese ihm jedoch zuvorkam.

„Hab Dank für deinen Besuch, Gänselein aus der Treuenklamm!“

Mit den folgenden Worten richtete sich die Baronin an alle im Thronsaal Anwesenden.

„Dunkle Wolken ziehen am Horizont auf. Am Darpat passieren sonderbare Dinge, wie ich beim Lichterfest mit eigenen Augen erblicken konnte. Boten berichten uns vom Ausbruch der Großen Fehde in den garetischen Kernlanden. Doch verzagt nicht. Vor drei Wintern kündeten sechs heilige Zeichen vom Wiedererscheinen Korgonds und ließen uns für heilige 6 mal 8 Tage in den heiligen Hallen vor dem Altar der gerechten Herrschaft unseren Bund mit dem Land erneuern. Nun, der alten Bünde und Schwüre gewahr, richten wir unseren Blick auf das was kommen mag. Doch darf uns die Erinnerung an diesem erhabenen Moment nicht verblassen. So sollen uns fortan die sechs Offenbarungen, die uns Korgonds Wiedererscheinen verkündeten durch das Jahresrund begleiten, auf das wir nie wieder vergessen. Wir wollen den Tag an dem uns Korgond erschien ehren und dem seiner Verhüllung gedenken.

Am heutigen Tage, an dem sich 'Orlans Fingerzeig' zum dritten Male jährt, gedenken wir all denjenigen, die sich für ihr Land geopfert haben, sei es in einer Schlacht, durch einen Kampf mit einem Untier oder durch aufopferungsvollen Verhalten. Wie der heilige Orlan, der als Diener seiner Lande in vielen Schlachten ehrenhaft focht und sich an seinem Ende für das Land opferte um uns den Weg nach Korgond zu weisen. Sein Schicksal hat sich für uns alle erfüllt. Möge dies uns Ansporn und Mahnung zugleich sein.

Gemeinsam nennen wir die Zacken unsere Heimat und gemeinsam stehen wir bei Gefahren und Unbill. So sei es!“

Tosender Jubel brach aus.


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Nach dem sich der herrschaftliche Rundsaal geleert und die Boten den Hengefels verlassen hatten um die frohe Botschaft der Baronin in die Hengefeldter Lande zu tragen, zog es Serima auf die Felsterasse die hinter dem Thronsaal einen atemberaubenden Blick über die Berge und Täler der Zacken offenbarte. Genau genommen handelte es sich um ein natürliches Felsplateau, das von einer Seite von der Festung flankiert wurde und an den drei anderen Seiten schroff nach unten abfiel.

Serima genoss den weiten Ausblick von hier, die schroffen Hänge und Gipfel, die tiefen Täler. All das war ihr Land über das sie herrschte, doch nicht willkürlich und despotische, sondern gerecht. Hart und unnachgiebig … mütterlich und fürsorglich – so wie es die Situation erforderte.

Vertraute Schritte und das Jauchzen und Glucksen von hellen Kinderstimmen zauberte Serima ein Lächeln auf ihre Lippen. Als sie sich umdrehte, stand ihr Gemahl Roban hinter ihr. Rondrick und Silvana hingen an seinem Wams, während er den kleinen Kvorwyn auf seinen breiten Schultern trug.

„Bin ich eine gute Mutter?“, fragte Serima nachdenklich ihren Gemahl, der doch so viel besser mit den Kindern umzugehen vermochte als sie. Ihr fehlte oft schlichtweg die Geduld.

„Liebste, du bist die beste Mutter, die sich unsere Zicklein hier wünschen könnten!“ Liebevoll streifte er mit seiner Hand ihre Wange. „Und als Mutter des Landes kann dir so schnell keiner hinter dem Berg vorkommen.“

„Die garetischen Kernlande brennen, dunkle, Unheil verkündende Wasser ergießen sich den Darpat nieder – und ich kann nichts tun.“ Vorsichtig strich sie sich um ihren leicht gewölbtem Bauch.

„Dein Platz ist hier, als Mutter der Berge und Täler und unserer Zicklein!“ Roban schaute seiner Gemahlin liebevoll in die Augen.

„Aber nicht nur meine Lande sind es, denen ich verpflichtet bin, nein, auch den Zackenländern als Gesamtheit will ich eine unüberhörbare Stimme sein. Da kann ich von den Ereignissen am Darpat nicht wegsehen.“

„Lass mich dein Schwert und dein Schild sein, Liebste, sowie deine Ohren und deine Stimme!“

„Einverstanden, Perdin und Rondriga werden dich begleiten, Gneisbald ebenfalls. In Wort und Vers kann er von der alten Macht Korgonds künden. Reist am 'Tag der drei gütigen Schwestern' zum Rothandfelsen!“

Roban nickte erfreut. Er liebte es für seine Gemahlin Abenteuer zu bestehen.

„Nächsten Götterlauf am 20. Tsa, zum 'Fest der Wiederkehr', wenn sich Korgonds Erscheinen zum vierten Mal jährt, werde ich die Ritter der Zacken zum 'Hengefeldter Winterstechen' laden.“ Serimas Stimme klang fest und klar.

„Ein ritterliches Turnier im Tsa? Eine großartige Idee, aber auch ambitioniert. Viele werden nicht kommen.“

„Ich will auch kein Turnier für glänzende Paraderitter mit polierten Lanzen, ich will korgonder Ritter, mit gelebter tugendhafter Ritterlichkeit, die eins sind mit dem Land!“