Geschichten:Waldsteiner Totenbuch - Inger Kannenmacher

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Schenke 'Zum Kannenmacher', Markt Klappechs, 8. Firun 1043 BF:

Mit ernsten Gesichtsausdruck, aber aufrecht stand Ingraja Kannenmacher vor der versammelten Trauergemeinde.

„Wir haben uns hier versammelt, um meinen Vater Inger Kannenmacher zu betrauern, der heute Morgen friedlich übers Nirgendmeer gefahren ist. 23 Götterläufe stand er unserer Heimat, unserem Klappechs vor, waltete weise und hielt uns den bellenden Junker von Hals, so dass wir unsere Geschäfte nachgehen konnten. Er hatte für ein jeden von euch ein offenes Ohr, tat alles was nötig war für uns, ja, er lebte für uns. Erhebt mit mir euren Becher und trinkt mit mir auf unseren Inger!“

Unzählige Fäuste pochten anerkennend und ehrerbietend zugleich auf hölzerne Tischplatten. Der klare Klappechser Klapperer ging runter wie Öl. Als nächster erhob sich der Hüter der Esse Ischtan Laikis.

„Am heutigen Abend, wenn wir Inger dem heiligen Feuer des ewigen hämmernden Schmieds überstellen, werden wir dem Feurigen einen unserer Besten anvertrauen, auf dass der dem Himmlischen in seiner Esse ebenso gut dient, wie er ihm hier gedient hat. Als Vorstecher unseres Marktfleckens stand er ein für die Reinheit und Güte unserer Erzeugnisse und ein jeder der ihn kannte pries seinen tadellosen Leumund. Dank ihm sind unsere Klappechser Kupferwaren in ganz Waldstein und auch in der Mark bekannt und geschätzt für ihre vorzügliche Qualität. Erheben wir also ein zweites Mal unsere Becher!“

Wieder hallte das pochen der Fäuste durch die Schankstube. Nun war es der junge Lichthüte Braniborian Greifenschwinge, der sich von seinem Platz erhob.

„Diejenigen von uns, die von Praios erhoben worden um über andere zu herrschen, fällt eine große Aufgabe zu. Sie müssen denen ihnen Anvertrauten gerecht werden, aber sie müssen sich auch, am Ende ihrer Tage, dem Richtspruch des göttlichen Richter unterwerfen. Ganz gleich ob Bauer, Schmiedemeister, Junker oder Baron. Sie alle sind vor Praios Richtbank gleich. Doch verzagt nicht und nehmt euch an Inger ein Beispiel. Er steht mit reinen Herzen vor dem Herrn. Erheben wir also ein weiteres Mal unsere Becher!“

Auch dieses Mal schallte das Pochen weit über den Schankraum hinaus. Die Trauergemeinde war im Begriff sich aufzulösen, als ein weiterer Redner sich anschickte seine Stimme zu erheben. Es war Stirre Eisenmuth, Aufseher der Kupfermiene in der Roten Klamm unweit von Klappechs in den Klappechser Hügeln gelegen.

„Für wahr, meine Freunde, eine Ära geht zu Ende … eine Ära des Ausharren und der Untätigkeit.“ Ein Raunen ging durch den Schankraum. „Es ist an der Zeit, dass unsere Interessen auch gegenüber unseren Nachbarn durchgesetzt werden. Machen die Waldlinger uns nicht die neue Erzader in der Greifenklamm streitig? Dazu hätte ich gerne was von Inger gehört. Oder die Zollstreitigkeiten mit den Zöllnern vom Greifenstieg? Aber, meine lieben Freunde, der Wind hat sich gedreht, die Zeiten ändern sich.“ Stirre Eisenmuth, der schon immer einer der ärgsten Rivalen des Kannenmachers war, holte eine Stück Pergament hervor. „Dies, meine Freunde, ist meine Ernennung zum neuen Marktvogt!“

Sprachlos blickten sich die Anwesenden an. Es war Ingraja, die sich als erste wieder fing.

„Bei Ingerimm, was fällt dir ein?“

„Nun, ich wollte klare Verhältnisse schaffen bevor du zum Bracken-Junker wackelst und die alte Bracke war meinen Argumenten sehr empfänglich.“ Stirre grinste breit. „ So schließt sich ein Kapitel im ewigen Buch der Toten und ein Neues im Buch der Lebenden öffnet sich!“