Geschichten:Von der Tjostkunst

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Schweißperlen rannen ihm gleich einem wilden Bergbächlein über Stirn und Gesicht. Unter dem eisernen Panzer besten Angbarer Stahles staute sich die Hitze der sengenden Sonne. Hilberian war sichtlich nervös. Seine Hände waren feucht und nur mühsam wollte die Lanze auf den ledernen Handschuhen verweilen.

Durch die Sehschlitze konnte er einen Blick auf seinen Gegner richten. Es war einer dieser Nebachoten aus dem garetischen Perricum. „Südländischer Fatzke, glaubt wohl, er kann einen Märker mit solchen Reitkunststückchen beeindrucken.“ Verächtlich schnaubte der sichtlich ergraute Ritter aus und fasste grimmig seine Lanze fester am Schaft.

Kurz zuckten die Sporen in die Flanken des kräftigen Streitrosses aus Greifenfurter Zucht und das Pferd trabte an der hölzernen Bande entlang dem Nebachoten entgegen. Immer schneller schlugen die eisenbeschlagenden Hufe auf Sumus Leib und rissen kleine Brocken dunkler Erde heraus. Das Donnern der Hufe wurde bedrohlicher, je näher sich die Kontrahenten kamen. Das schlanke Pferd des Nebachoten mutete neben dem märkischen Streitroß wie ein kleines Fohlen an.

„Was will dieser Südländer mit diesem kleinen Ding? Das ist kein Pferd, das ist eher ein Pony!“, hörte man einen Weidener Ritter feixen. Gewiß mochten die Nebachoten geschickte Reiter sein, doch im Lanzengang gegen den Ritter Hilberian von Rothentann hatte dessen Gegner nicht die geringste Chance. Krachend prallten die Turnierlanzen beider Gerüsteter aufeinander, doch nur die eine fand ihr Ziel. Eine Brusttartsche flog hoch in die Luft und etwas ungelenk fiel der Nebachote aus dem Sattel. Hart schlug er auf den Boden, den Sattel immer noch zwischen den Beinen. Ritter Hilberian lenkte sein Pferd wieder um die Bande herum, zügelte es und schob sein Visier nach oben.

„Hast dich gut gehalten, Südländer. Aber bis du es mit einem Märker aufnehmen kannst...!“, rief er. Schallendes Lachen kam von den Tribünen auf und es schien fast so, als klatschten die Menschen dem Nebachoten zu, daß er ein solch treffliches Spektakel inszeniert habe.

Wesentlich erfolgreicher erwies sich jedoch der Lanzengang von Reichsvogt Hilbert von Hartsteen, dem Sproß aus altgaretischem Hause, schickte ihn doch das Los gegen seinen Pfortenbruder Erlan von Zankenblatt. Ersterer fegte mit seiner Lanze den Syrrenholter Baron aus der Tjoste. Doch nicht allein den „Pfortenrittern“ schien das Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Auch zwei Anhänger des gemeinhin im Greifenfurtschen „Pulethaner“ genannten Bundes, ebenfalls aus dem Garetischen stammend, erwählte das Los als Gegner und so war es ein recht hartes Ringen zwischen Junker Rondrigo von Ahrenstedt, seines Zeichens noch nicht Mitglied des Bundes, obgleich gut informierte Kreise munkeln, der Junker liebäugele mit einem Platz im Praiosgefälligen Bund, und Baron Yendor Limpurg von Gallstein, Pulethaner erster Stunde. Ironie mag es wohl sein, daß ausgerechnet der Herr von Ahrenstedt sich zu den Freunden des Gallsteiners zählt, doch keiner von beiden schien gewillt, in der Tjoste freiwillig aufzugeben. Obwohl Herr Rondrigo mehr Lanzen ins Ziel gebracht hatte, gewann dennoch Baron Yendor. Dieser hatte mit einer Lanze die kleine Tartsche auf dem eisernen Harnisch getroffen und so mit drei zu zwei Punkten den Lanzengang für sich entschieden.

Aber ich möchte den geneigten Leser nicht mit weiteren Details zu Tode langweilen. Immerhin sollte eine Sache einer Erwähnung wert sein. Schon lange hatten sowohl die Pfortenritter als auch die Pulethaner darauf gewartet, daß sie sich in einer Tjoste einmal gegenüber stehen würden.

Am Rande soll noch bemerkt werden, daß ebenfalls eine zweite Paarung dieser Konstellation auf der Turney zustande kam, doch war sie nicht besonders spannend. Es soll fürderhin nicht verhehlt werden, daß diese Partie außerhalb jeglicher Wertung ausgeführt wurde, denn einer der Kontrahenten hatte sich nicht zur Tjoste gemeldet und der andere war vorzeitig ausgeschieden. Aber es galt das Gesicht zu bewahren. Ohne größere Mühe schickte Baron Eslam von Brendiltal, der oberste Kriegsherr der Nebachoten in der Grafschaft Perricum, den Baron Erlan von Zankenblatt in den Staub.

Sehr zum Unbill der Medici wies der Arm des Verlierers eine seltsame Stellung zur Außenseite auf. Ansonsten schien er aber gesund am Leibe zu sein. Es hielt sich jedoch hartnäckig das Gerücht, der Syrrenholter wäre gar nicht an der Trollpforte gewesen und daher zu unrecht ein Pfortenritter. Aber wie Gerüchte eben sind, der Baron konnte durch seinen Mut zeigen, daß er zu recht einer solcherart geachteten Turneygesellschaft angehört.

Aber nun wieder zu den beiden Kontrahenten zurück, die schier eine Schlacht gefochten hatten. Der Baron von Gallstein hatte das Vergnügen mit dem Baron Nimmgalf von Hirschfurten in die Schranken zu treten, der auch zu den Pfortenrittern gehört und seit gut zwei Götterläufen eine kleine Feindschaft mit dem Gallsteiner pflegt. Beide Kontrahenten hatten wohl ihr gesamtes Können in die Waagschale geworfen, dennoch mochte es keinem der Gegner gelingen seinen Feind entscheidend hart zu treffen. Ein halbes Stundmaß mochte vergangen sein ehe Bodar von Reifenberg, welcher von der Markgräfin als Turniermarschall bestallt worden war, entschied, daß sie beide in die nächste Runde kommen mochten. „Es ist wohl der Wille unserer Herrin Rondra, daß keiner von Euch über den Anderen zu siegen vermag...!“, so Schwertbruder Bodar.

Es verwunderte niemand so recht, daß nicht allein die beiden garetischen Parteiungen ihren Zwist und Hader auf dem Tjostfeld auszutragen gedachten. Auch eine Falkenritterin und eine Baronin aus der Mark kreuzten ihre Lanzen miteinander, um alten Streit auf ritterliche Weise in der Turney auszufechten. Man munkelte von einem Streit über seine Liebden Edelbrecht und dessen Brautwerbung zu Greifenfurt.

Ebenfalls amüsant anzusehen war der Lanzengang zwischen einer stürmischen Albernierin und einem Junker aus dem Garetischen. Zwischen den beiden stand wohl der Begriff „Stallmagd“, jedoch mochte sich niemand näher darüber erklären, was damit gemeint war.

Ohne Zweifel aber fiel zwei Streitern die größte Aufmerksamkeit in den Lanzengängen zu. Gespannt verfolgten die Menschen das Abschneiden des mächtigen Grafen vom Reichsforst, Danos von Luring, er galt bisher als ungeschlagen in dieser Disziplin, und des wackeren Prinzen Edelbrecht vom Eberstamm.

Allerlei Adelsvolk, Patrizier und edle Gäste saßen darob auf drei wappengeschmückten Tribünen, derweil sich Stadtbürger und Landvolk aus der ganzen Mark Greifenfurt an den Absperrungen des Kampfplatzes tummelten und das fürwahr beeidruckende Spektakel mit Applaus oder Schmährufen bedachten.

Graf Danos schien ohne rechte Müh’ und Not einen jeden Lanzengang überstanden zu haben und sollte auch am Ende der Tjoste als deren Sieger gekürt werden, ein für viele nicht unerwarteter Ausgang. Prinz Edelbrecht hielt sich hingegen wacker, wie schon zu Trallop vor einigen Götterläufen, aber dennoch mußte er sich dem Ritter Elron Fenwasian von Niallyn in der vorletzten Runde geschlagen geben, einem wahrhaft herausragenden Hünen aus dem fernen Albernia.