Geschichten:Von Köchen und Pilzen

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

"Sag´ mal, hast du heute schon Egtor gesehen?"

Wie, ist der etwa noch am pennen? Sieht dem alten Sack gar nicht ähnlich. Der ist doch sonst immer einer der ersten, die hier auf den Beinen sind. Muss er ja auch, sonst kriegt hier doch keiner der hohen Herren und Damen was zwischen die Zähne. Und wir gewöhnliches Volk erst recht nicht.

"Ha, 'hohe Herren und Damen'! Der war gut Jaltek. Seine Langweiligkeit, der Tintenenkleckser und ihre Besoffenheit, die Schankwirtin, träfe es weit besser.

"Firnja, Firnja. Dein loses Mundwerk wird nochmal dein Untergang sein."

"Ja klar. Aber widersprochen hast mir gerade auch nicht, du Held."

"Ähm, naja - ach, warum interessierst du dich denn so für unseren Koch? Läuft da etwa was zwischen euch? Eine tragische Liebe? Wie romantisch!"

"Du kriegst gleich tragische Hiebe, Jaltek, wenn du nicht sofort Dein Maul hältst. Nein, unser allerdurchlauchtigster Herr, der höchst edle Vogt Norholt, lässt nach Egtor suchen, weil ihn seit gestern Abend niemand mehr gesehen hat und ein Pferd aus dem Stall fehlt."

"Aha, erst kriegt der Kerl kein Essen und dann kommt ihm auch noch ein Gaul abhanden. Ja, da wäre meine Laune auch ziemlich mies. Aber Egtor ein Pferdedieb? Kochen kann er ja, aber ansonsten hat er sich damals wohl einen Unterstand gesucht, als Hesinde Hirn vom Himmel regnen ließ. Außerhalb der Baronie kennt der doch auch keinen."

"Ja, seltsam das alles. Aber das ist nicht unser Bier."

"Na, du bist lustig. Wenn der Kerl wirklich, warum auch immer, auf und davon ist, wird bis auf weiteres wohl Danje das Regiment in der Küche übernehmen."

"Ach du Scheiße, du hast recht! Dann hoffe ich mal, dass unser werter Vogt möglichst bald Egtor findet oder einen mindestens gleichwertigen Ersatz als Koch heranschafft, sonst gibt es hier bald einen Aufstand."


Trenner Perricum.svg



"Keine Spur von Egtor, Herr Norholt, wir haben die ganze Burg und den Weiler durchsucht und jeden dort befragt. Wir wissen lediglich, dass er die Feste auf einem Pferd kurz nach der Abenddämmerung verlassen hat und dann wie von Sinnen durch den Weiler Mallvenstein Richtung Küstenstraße galoppiert ist. Ich habe mich auch unter dem Gesinde umgehört; keiner hat etwas Auffälliges mitbekommen, das ein Grund für Egtors fast schon fluchtartigen Aufbruch sein könnte."

"Hm, danke für euren Bericht, Korporalin. Immerhin sparen wir uns bei Egtor den noch nicht ausgezahlten Lohn seit Monatsanfang. Aber das Pferd werden wir ihm natürlich trotzdem anteilig in Rechnung stellen. Und das wird richtig teuer. Was schaut ihr so seltsam drein, Hergarten? Ist euch nicht gut?"

"Äh, nein, alles, äh, in bester Ordnung, Herr Norholt. Ich hatte mich, hm, nur verschluckt. Irgendwelche weiteren Anweisungen in dieser Angelegenheit?"

"Seht euch mal die Kammer dieses Diebes an. Vielleicht findet ihr dort einen Anhaltspunkt. Ach noch etwas: Bis auf weiteres soll die Magd Danje, so heißt sie, glaube ich, Egtors Aufgaben übernehmen, sie ist schließlich die erfahrenste Helferin in der Küche."

"Wie ihr wünscht, Herr", antwortete Lenore, die Korporalin, schmallippig. Die nächsten Wochen würde sie wohl nicht mehr auf der Burg sondern unten im Weiler essen.

Miranda, die das Gespräch zwischen ihrem Vetter und der Befehligerin der Wachen zuvor schweigend aber mit einer kaum verhüllten Mischung aus Amüsiert- und Verblüfftheit verfolgt hatte, meldete sich nach dem Abgang Lenores schließlich doch zu Wort. "Zwei Sachen: Erstens, ich bin von deiner Entschlossenheit und Führungsstärke tief beeindruckt. Egtor wird sich bei seinem Auffinden wahrlich warm anziehen müssen."

Norholt rollte genervt mit den Augen. "Etwas mehr Ernsthaftigkeit bitte, das hier ist keine Kleinigkeit. Dein Spott ist also völlig fehl am Platze. Und zweitens?"

"Zweitens? Ach ja: Such´ schleunigst einen neuen Koch oder Köchin. Danjes Kochkünste würden sogar einen Ork zum Weinen bringen."

Etwa eine halbe Stunde später meldete sich Lenore erneut bei ihrem Vogt.
"Herr, in Egtors Kammer haben wir nichts Besonderes finden können."

"Welch Überraschung", warf Miranda mit einem Anflug von Sarkasmus ein.

"Aber in einer Ecke seines verwinkelten Kräutergartens haben wir einige Pilze oder sowas ähnliches gefunden. Die Dinger sehen irgendwie seltsam, ja fast schon unheimlich aus."

"Wie? 'Unheimliche Pilze'? Also Korporalin! Bis dato hielt ich euch für eine tapfere und entschlossene Frau. Wer hätte gedacht, dass ihr Angst vor Pilzen habt?", warf Miranda sichtlich belustigt ein.

"Also bitte", herrschte Norholt seine Base an, "wir sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen."

Beinahe schicksalsergeben zuckte Miranda mit den Schultern und erhob sich von ihrem Stuhl.
"Also gut, ich schaue mir diese 'Pilze des Grauens' einmal selbst an. Habe ja schließlich schon genug selbst gepflückt und gekocht, da müsste ich die Dinger eigentlich kennen. Wahrscheinlich irgendwelche Morcheln."

"Da, Herrin, diese Dinger dort meine ich.", Mit einer gewissen Befriedigung nahm die Korporalin wahr, dass auch die Edle die seltsamen Gewächse vor ihr mit einer recht verdrießlichen Miene beäugte.

"Hmm, also Morcheln sind das nicht. Und auch sonst keine Pilze, die ich hier schon mal gesehen habe. Und ja, irgendwie wirken die Dinger merkwürdig."

"Und was sollen wir nun machen?"

"Reiß´ sie aus dem Boden und werf´ sie fort. Wir gehen da lieber kein Risiko ein." Lenore wollte sich gerade zum gehen wenden, da kam Miranda noch eine andere Idee. "Zuvor rufe Zoltan. Der Bursche ist ja, soweit ich weiß, ein ganz guter Zeichner. Er soll diese Gewächse vorher möglichst genau abmalen und mir dann das Bild bringen."

"Wo warst du solange, Base? Und woher kommt dieser köstliche Bratenduft?"

"Die zweite Frage beantwortet die erste, Vetter.", war die lakonische Antwort.

"Bitte?! Du hast selbst gekocht? Hier in der Burgküche? Vor den Augen des Gesindes? Ich muss dich darauf hinweisen, dass dies für eine Frau Deiner Stellung und Deines Standes-"

"Ja, ja, Norholt ich habe verstanden", unterbrach die Edle ihren Vetter leicht genervt. "Aber willst Du nun was Ordentliches zu futtern bekommen oder nicht?"

"Ja, schon, aber-"

Ein Klopfen an der Tür unterbrach den Vogt erneut.

"Was ist denn nun schon wieder? Herein!"

Lenore betrat den Raum und wandte sich Miranda zu. "Hier ist die gewünschte Zeichnung, Herrin, die, wie ich anmerken möchte, sehr wirklichkeitsgetreu geraten ist. Die Pilze habe ich in den Abort werfen lassen."

"Danke, Korporalin. Die Zeichnung ist in der Tat sehr gut gelungen. Richtet Zoltan meinen Dank aus. Ihr könnt gehen."

Kaum hatte Lenore die Türe hinter sich geschlossen, musste Miranda ihrem irritierten Vetter erst einmal die Hintergründe zu alledem erläutern, bevor man das weitere Vorgehen besprechen konnte.

"Also gut, wir haben da ein paar komisch aussehende Pilze, die hier offenbar niemand kennt. Ja und? Soll ich mir die Zeichnung nun übers Bett hängen oder was?"

"Nein, aber nach Perricum schicken; vielleicht kennt man die Gewächse ja dort. Ich wüsste schon gerne, wo die herkommen. Vielleicht kann ich in meinem Gasthaus ja bald mit neuen Pilzgerichten aufwarten. Nur weil die Dinger hässlich sind, heißt das ja nicht, dass man nicht trotzdem was Leckeres daraus zubereiten kann. Aber ich will da halt kein Risiko eingehen."

"Toll, noch eine Depesche nach Perricum. Weißt du, was das alles kostet?"

"Du würdest wohl selbst mit Phex noch um jeden einzelnen Kreuzer feilschen, was?"

"Es ist ja auch nicht mein Geld, sondern dass ihrer Hochgeboren. Und sie erwartet schließlich-"

"Bei den Zwölfen, du machst mich noch wahnsinnig, Norholt! Du schreibst doch spätestens morgen ohnehin eine Nachricht an Frau Selinde, um ihr mitzuteilen, dass die von ihr erbetenen Nachforschungen leider keine verwertbaren Ergebnisse hervorgebracht haben. Dann pack´ die Zeichnung mit in den Brief, verbunden mit ein paar erläuternden Zeilen und der Bitte, bei Gelegenheit in der Reichsstadt mal deswegen nachzufragen."

"Also, ja, das wäre eine Lösung, die ich vertreten könnte, obgleich ich es als ein wenig unziemlich erachte, die Baroness für derlei Trivialitäten einzuspannen. Wirklich bedauerlich ist dagegen der Umstand, dass wir nun wohl alle Hoffnung auf eine Genesung der Frau Baronin aufgeben müssen."

"Ja, mir wäre es auch lieber, wir hätten statt einem verschwundenen Koch und einigen unbekannten Pilzen etwas Erfreulicheres in dieser traurigen Sache zu berichten."