Geschichten:Von Drachentötern und Drachenopfern

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"So, nun aber endlich zum großen Finale, Janne. Ist ja schwerlich zu übersehen, dass Du es vor Ungeduld kaum mehr aushältst."

"So schlimm ist es nun auch wieder nicht.", entgegnete das Mädchen leicht schmollend.

"Von wegen. Aber weiter, ich will auch noch irgendwann ins Bett.
Letztlich standen wie Vier also einem ausgewachsenen Purpurwurm gegenüber-"

"Entschuldige, dass ich Dich direkt wieder unterbreche, Mutter, aber ist das nicht eine der größten und gefährlichsten Drachenarten überhaupt? Habe ich zumindest gelesen."

"Ich entschuldige. Und ja, Du hast richtig gelesen. Unter normalen Umständen hätte uns die Kreatur höchstwahrscheinlich allein mit ihrer Magie innert kürzester Zeit erledigt, noch bevor wir auch nur einen Hieb gegen sie hätten anbringen können. Zudem konnte ich spüren, dass der Wurm auf irgendeine besondere Art und Weise mit unserem Herrn verbunden war. Dennoch war ein Kampf leider nicht vermeidbar. Zu unserem Glück wirkte der Drache für seine Verhältnisse sowohl ungewöhnlich schwächlich als auch offenkundig nicht ganz bei Sinnen. Ich will Dich nicht mit irgendwelchen öden Schilderungen des Kampfes langweilen, Janne, daher hier nur die Kurzfassung. Die drei Männer stürzten sich gleichzeitig auf das Untier, während ich mich eher zurückhielt und in der Nähe des Firunpfaffen blieb. Der Junker wurde mittels eines Flammenstoßes flambiert und der Zwerg, der bei dem Kampf übrigens ganz in seinem Element zu sein schien, erlegte schließlich die Kreatur, indem er ihr mit seiner Axt den Kopf abschlug. Lektion für mich: Wer einem Drachen gegenübertritt, sollte immer darauf achten, einen Zwerg zur Hand zu haben."

Während die Adlige eine kurze Pause machte, um einen Schluck zu trinken, konnte sich ihre Ziehtochter, ganz entgegen ihrer sonstigen Art, nicht zurückhalten und nutzte die Gelegenheit zu zwei weiteren Fragen.
"Und wie starb der Pfaffe? Und was wurde aus dem Erzschwert, von dem Du vorhin erzähltest?"

"Na, Deine Ungeduld übertrifft ja mittlerweile selbst Deinen Wissensdurst, Janne. So kenne ich Dich ja gar nicht. Aber gut, bevor Du mir vor Neugier noch platzt ...
Wie bereits erwähnt, begegnete mir dieser Firunjünger seit Erreichen der Ruinen mit zunehmendem Misstrauen. Ich grübele jetzt noch darüber, woher es rührte. Aber sei´s drum. Kaum war der Kampf gegen das Untier beendet, wandte sich der Kerl mit zornbebender Stimme mir zu und erklärte, er wisse nun, wem ich wirklich diene und dass er mich der Inquisition des Sonnengottes übergeben werde. Außerdem forderte er mich auf, ihm das Erzschwert auszuhändigen, damit ich es nicht weiter besudele."

Die Halbwüchsige sprang vor Neugier auf. "Was?! Und was hast Du daraufhin getan?"

"Dich hält es jetzt wohl gar nicht mehr auf Deinen Platz, was?", wandte sich die einstige Baronin mit tadelndem Unterton an ihre Ziehtochter.

"Entschuldige, Mutter. Ich habe mich gehen lassen." Mit leicht zerknirschter Miene setzte sie sich wieder.

Die Angesprochene nickte ihr kurz zu, bevor sie fortfuhr.
"Nun, ich tat, wie mir geheißen. Nach einem Stoßgebet zum Herrn rammte ich dem Narren das Schwert durch den Magen, um die elementare Klinge nun von ihm statt meiner besudeln zu lassen. Das ging so schnell, dass der Pfaffe keine Zeit mehr zum reagieren hatte und erst mich, dann das Schwert mit einem ausnehmend dümmlich wirkenden Gesichtsausdruck bedachte. Aber ich wollte ihm vor seinem Ende noch eine letzte Gnade zuteil werden lassen. Aus meinen Stiefel zog ich den kleinen geweihten Dolch, den ich möglichst immer bei mir habe und flüsterte ihm ins Ohr, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche. Seine Seele werde gerettet werden und dem Güldenen noch auf Äonen gute Dienste leisten. Dem grenzenlosen Entsetzen in seinen Augen entnahm ich, dass er den Sinn meiner Worte verstanden hatte. Dann rammte ich ihm die Klinge ins Herz, zog das Schwert aus seinem Kadaver und warf diesen vor die Klauen des toten Drachens, sodass man glauben konnte, dieser habe ihn getötet.
Diese Szene beinhaltet zugleich auch eine wichtige Lektion für die Zukunft, mein liebes Kind: Sage Deinen Feinden selbst in einem Augenblick vermeintlicher Überlegenheit nie ins Gesicht, was Du mit ihnen zu tun gedenkst, sondern tue es einfach! Hätte der Tölpel sich daran gehalten - wer weiß, ob ich dann hier mit meiner Tochter bei einem guten Wein säße."

Janne nickte verstehend und war im Begriff, sich wieder zu Wort zu melden, doch kam ihre Ziehmutter dem Mädchen diesmal zuvor.

"Um Deine nächste Frage vorwegzunehmen: Thorin, der Zwerg, war nach dem Kampf für eine Weile sehr erschöpft und mit sich selbst beschäftigt. Daher bekam er von alledem nichts mit. Ich hatte auch noch genug Zeit, rasch den Dolch zu säubern und wegzustecken sowie das Schwert in das immer noch heiße Drachenblut zu tauchen, um so vorzutäuschen, ebenfalls gegen das Untier gekämpft gehabt zu haben. Außerdem überdeckte dessen Blut zugleich das des Firuntölpels, was überaus praktisch war."

"Und wo ist die Waffe jetzt?"

"Übergab ich in Halhof dem Zwergen", erwiderte die Adlige trocken. "Dazu komme ich noch.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, diese außergewöhnliche Klinge gewissermaßen als Andenken zu behalten doch ließ mich ein Fingerzeig unseres Herrn kurzfristig umdisponieren. Nachdem ich mit allem fertig war, wandte ich mich Thorin zu, um nach ihm zu sehen, wirkte er doch wie gesagt ziemlich mitgenommen. Und was lag da nur wenige Schritt neben mir? Der wertvollste Teil des Drachen! Und was ich damit meine, hast Du hoffentlich ebenfalls in Deinen Büchern gelesen, oder?"

Die Halbwüchsige überlegte kurz und antwortete: "Der Kristall, der angeblich die Seele der Kreatur enthält, nehme ich an."

"So in etwa. Rasch nahm ich den Karfunkel - nicht 'Kristall' - an mich und ließ meine unerwartete Beute in der Gürteltasche verschwinden. Dann eilte ich zu Thorin, um mich mit besorgter Miene nach seinem Befinden zu erkundigen und ihm mit kummervollem Blick mitzuteilen, dass leider auch der Geweihte dem Monstrum zum Opfer gefallen war. Dann sah ich mir die Kreatur genauer an. Der Junker Schartenstein hatte den vorderen Teil des Kopfes offenbar mit seinem Schwert buchstäblich am Boden festgenagelt. Dabei platzte die Schädeldecke offenbar auf und schleuderte mir ihren kostbaren Inhalt fast direkt vor die Füße. Ich nutzte die einmalige Gelegenheit, um noch einige Zähne, Krallen und Schuppen, die alle wertvolle Alchemika darstellen sollen, aus dem Kadaver herauszubrechen und einzupacken. Schade, dass ich keine passenden Behältnisse dabei hatte, sonst hätte ich auch noch etwas Drachenblut mitgenommen, was in der Alchemie noch potenter als der Rest des Biests sein soll.
Dabei sah ich, dass vom Junker außer ein paar Klumpen verbrannten Fleisches nichts übriggeblieben war, wofür ich dem stolzen Rittersmann immer noch sehr dankbar bin, machte es seine Feuerbestattung später im Freien, außerhalb der Ruinen, doch buchstäblich deutlich leichter. Direkt daneben betteten wir die Asche des ebenfalls verbrannten vormaligen Geweihten zur Ruhe. Der Vorschlag dazu kam übrigens vom Zwerg Thorin, um, wie er meinte, die Leichen vor Aasfressern zu schützen und Erstere nicht zurück in die Stadt schleppen zu müssen. Und Feuerbestattungen haben beim kleinen Volk wohl ganz allgemein einen hohen Stellenwert. Du kannst Dir sicher denken, dass ich gegen das Verbrennen keine Einwände hatte, im Gegenteil.
Und als praiosfromme Adlige sprach ich dazu natürlich ein passendes Gebet." Ein bösartiges Grinsen umspielte Fredegards Lippen.
"Dann kehrten wir in das Städtchen Höllenwall zurück, wo wir uns ausruhten. Weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so sehr auf ein heißes Bad und eine kräftige Mahlzeit gefreut hatte. Am Morgen des nächsten Tages reisten wir dann weiter nach Halhof."

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Jetzt galt es. Thorins Traum und das Orakel des Einhorns stellten sich als wahr heraus. Nun war es an ihnen, ihr Schicksal zu erfüllen. Sie hatten ihr Ziel, jene Kaverne am Ende der großräumigen Höhle erreicht, indem jener Drache ruhte, dessen Blut und Körpersäfte die Quelle des Niffel verdarben.
Und hatte Thorin gefürchtet, er würde im Angesicht des Drachen vor Angst erstarren, das er unfähig wäre gegen den Geschuppten vorzugehen, so wurde er eines besseren belehrt. Da war weder Furcht, noch Hadern. Allein ein tief in seinem Inneren geborener, nein angeborener Hass erfüllte ihn. Brennend ergoss er sich in das Bewusstsein des Zwergen und leitete ihn, als griffen Instinkte.
Der Sohn des Thorgrimm hatte den Menschen immer und immer wieder eingebläut, dass es schnell gehen musste, das sie wenn sie des Drachen ansichtig wurden unverzögert handeln mussten. Sie durften ihn nicht zum Zug kommen lassen. Wenn er sich erst einmal erhoben und seine Lungen gefüllt hatte, um ihnen sein tödliches Feuer entgegenzuschleudern, hatten sie schon so gut wie verloren- wären tot.
Doch entgegen Thorins Befürchtungen hatten die Kurzlebigen verstanden. Gemeinsam drang man auf den riesigen, am Höhlenboden kauernden Leib des Purpurwurms vor, der sie aus riesigen, lidlosen Augen musterte. Er war der Drache aus seinem Traum, alles passte zusammen. Ein leises Zischen erklang und Thorin gefror fast das Blut in den Adern. Der Drache füllte seine Lungen.

Thorin machte einen Satz zur Seite, vom Kopf des Purpurwurm Weg, an dessen Seite und holte in der Drehung Schwung, ließ die Arme mit dem Felsspalter eine Kreisbewegung vollführen und Hieb das scharfe Blatt der Axt in den Hals des Drachen. Letzteres jedoch sollte erst geschehen, nachdem Vater Grimmbart und von Schartenstein sich dem Haupt des Purpurwurms gewidmet hatten, so wie Thorin es vorgeschlagen hatte, denn nur eine Axt vermochte was es zu tun galt. Grimmbart benutzt seinen Jagdspieß als Stoßspeer und rammte ihm dem schwerfällig wirkenden Drachen in jenem Moment in die Seite des Hauptes, als dieser müde den Kopf hob. Leider drückte er mit dem Rammstoß die Schnauze des Purpurwurms in die Richtung des Junkers, der nun seinerseits heran war, um eine Attacke zu führen. Im selben Moment aber atmete das geschuppte Ungeheuer seine tödlichste Waffe aus.
Lodernde, weißlich-gelbe Flammen bildeten sich kurz vor seinem, mit hunderten spitzer Zähne gespickten Maul. Die Flamme, die erst einige Schritt von ihrem Ursprung das charakteristische orangerot annahm, umfing Raulfried nahezu zur Gänze. Und doch, kein Laut gab der tapfere Ritter von sich, als das Feuer seine eigenen Lungen flutete und er auf diese schreckliche Weise gleichzeitig von innen und außen verzehrt wurde. Er kam nicht mehr dazu.
Die Bewegung des massigen Mannes jedoch konnte selbst der Flammenstrahl nicht aufhalten. Mit beiden Händen hatte der Junker sein Langschwert erhoben gehalten, als er auf den Drachen zugestürmt war. Nun, im tosenden Feuer, im Moment, da der tapfere Rittersmann sein Leben gab und für jene heroische Tat einen Ehrenplatz an der Tafel der Leuin finden würde, rammte er die Klinge in den Kopf des Wurms und nagelte somit Ober- und Unterkiefer zusammen und in den Boden. Die Flammen erstarben abrupt, mehr noch, es war als würde der Kopf des Drachen daraufhin von innen heraus zerrissen.
Erst da fuhr Thorins Axt auf den Hals nieder und hieb mit einem wuchtigen Schlag das Haupt des Drachen von dessen Rumpf. Eine Welle widerwärtig stinkender, brennend heißer Luft rollte durch die gesamte Höhle und ließ Thorin schwindeln. Er taumelte weg von dem nun bewegungslosen Leib des Drachen und musste sich an einer der umgebenden Felswände abstützen.

Mehr als einige Herzschläge lang brauchte der Sohn des Thorgrimm, um sich zu fangen. Schließlich riss er sich förmlich den Helm herunter und schüttelte heftig den Kopf, wie als wollte er Schwindel und Übelkeit abstreifen. Dann erbrach er saure Galle.
Als er daraufhin stöhnend aufsah und noch immer leicht torkelnd durch die Kaverne schritt, erkannte er das volle Ausmaß des Kampfes. Grimmbart und von Schartenstein waren gefallen. Welch einen ehrenvolleren Tod konnte es geben, als im Kampf gegen einen Drachen? Keinen. Dennoch haderte der Zwerg mit dem Ausgang. Die beiden Menschen hatten die Aufmerksamkeit des Drachen gebunden, damit er an seinen Hals herankommen konnte. Er hatte ihren Tod in Kauf genommen. Dennoch, der Plan war aufgegangen.
Thorin richtete ein Stoßgebet an Angrosch, er möge die ihm untergebenen Götter anweisen die Seelen der Menschen anzunehmen.
Die Adlige hingegen stand noch. Sie hatte überlebt, wo der Firuni in seinem Blut lag und der Junker nur noch dampfendes, verbranntes Fleisch war. Sie hatte sich im Hintergrund gehalten, ganz so, wie Thorin sie gebeten hatte.
Ohne viele Worte gegenüber Fredegard von Hauberach zu verlieren, machte sich der Angroscho auf die Suche nach dem Karfunkel des Drachen, der in Xorloschs heiliger Halle zerstört werden musste, doch er fand keinen. Egal wie lange und wie gründlich er die Kaverne durchsuchte, nichts. Vielleicht, so hoffte Thorin, war der Karfunkel beim Bersten des Kopfes zerstört worden. Doch konnte er sich niemals sicher sein.
Irgendwann aber gab er die Suche dennoch auf und konzentrierte seine Bemühungen darauf andere Beweise für den Tod des Wurms zu bergen. Zähne, Krallen, Schwanzspitze brach und schnitt er mit dem Drachenzahn heraus- derart gründlich ging er vor und bedauerte, dass Augen und Zunge ebenfalls hinüber waren. Außerdem Schnitt er sorgfältig einen Haufen Schuppen aus der Haut des Drachen. Daraus würde er sich einen Schulterüberwurf machen lassen. Ja, der Gedanke gefiel ihm.
Einen Hort gab es indes nicht, was Thorin in der Annahme bestärkte, dass jener Geschuppte nur aus dem Grund in dieser Kaverne gelegen hatte, um die Quelle des Niffel zu verderben. Eine Frage blieb. Hatte der Drache es aus eigenem Antrieb getan, oder folgte er einer noch größeren Macht? Und was hatte der Höllensturz damit zu tun?

Gemeinsam mit der Adligen von Hauberach brachte Thorin die Überreste der toten Männer ins Freie. Ein Unterfangen, dass besonders bei dem massigen Geweihten nicht einfach war. Den Junker wiederum stellte kein größeres Problem dar, hatte er doch sicher mehr als die Hälfte an Gewicht verloren.
Dank der öligen, brennbaren Flüssigkeit aus der Kaverne war es den beiden möglich die Toten zumindest aus Sicht des Zwergen angemessen zu bestatten. Mit ins Tal in Höllenwall konnten sie sie ja unmöglich schleppen und hier oben wären sie nur von Aasfressern vertilgt worden, was ja niemand ernsthaft wollen konnte.