Geschichten:Vom Richtigen und Falschen – Wahrheit

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Baronie Schwarztannen, Ende Hesinde 1044 BF

Gegen Mittag waren die beiden Reiter aufgebrochen, da hatte es bereits leicht geschneit. Seit dem hatte der Schneefall stetig zugenommen. Inzwischen waren sie mit einer dünnen, weißen Schicht bedeckt. Bisher war kein Wort gesprochen worden. Mit sorgenvoller Miene blickten beide dem Fallen des Schnees zu, lediglich der große, weiße Hund tollte aufgeregt in der weißen Pracht herum, versucht mit seinem großen Maul ein ums andere Mal eine der weißen Flocken zu fangen und freute sich seines Lebens.

„Wo...“, hob das Mädchen mit zaghafter Stimme schließlich an, „... reiten wir hin?“

„Nach Luringen“, erwiderte der andere Reiter nach einer gefühlten Ewigkeit.

„Zum Grafen?“, ihre Stimme war seltsam brüchig.

„Zum Grafen“, bestätigte er, „Dort wirst du deine Ausbildung fortsetzen, Nella.“

Das Mädchen wusste daraufhin nichts zu sagen. Ihr war klar gewesen, dass er etwas vorgehabt hatte, aber sie hatte nicht gewusst, was es gewesen war. Nun wusste sie es und war nicht sicher, ob er sie doch besser noch ein Weilchen im Ungewissen hätten lassen können. Nur ein kleines Weilchen.

„Du wirst an einer der besten Ritterschulen ausgebildet werden“, versuchte er sie aufzuheitern, „Einer der besten!“ Er schenkte ihr einen aufmunternden Blick. „Obgleich... ja, obgleich ihr Ruf in der letzten Zeit bedauerlicherweise gelitten hat. Nichtsdestotrotz ist es eine Ehre dort sein zu dürfen, Nella, ein große Ehre.“

Noch immer schwieg sie. Starr blickte sie voran.

„Es ist nicht seine Schuld“, erklärte der Baron weiter und versuchte wieder einmal seinen Freund in Schutz zu nehmen. Das tat er oft. Genaugenommen tat er es immer. „Es ist nicht der Graf. Nein, er ist es sicher nicht. Gut, er ist nicht vollkommen. Aber wer ist das schon?“ Er hielt einen Moment inne. „Es sind jene, die ihn umgeben. Zumindest denke ich das. Ich nehme es an. Ich weiß es nicht, ich... ich war ja nicht lange an seinem Hof.“ Nun blickte er wieder zu Nella hinüber. „Der Graf ist ein netter Kerl. Er versucht nur alles richtig zu machen, so wie wir alle. Wie ein jeder von uns.“

Nun nickte sie zustimmend.

„Ich habe auch versucht alles richtig zu machen“, führte er weiter aus, „Ich dachte, ich müsste Orknäschen ein gutes Leben bieten, aber... was heißt das schon? Manchmal da frage ich mich, ob uns nicht ihr Rittergut auch gereicht hätte. Diese Fehde hier... sie... sie ist mir zuwider. Sie ist mir... zu viel. Ich weiß nicht mehr, was richtig und was falsch ist, Nella. Alle sagten, dass es gut war, wie ich mit mit den Waldsteinern geeinigt habe.“ Er sprach von Duell mit Hermine von Alka. „Aber die Wahrheit ist doch, dass auch sie nicht hätte sterben müssen. Nein, sie hätte nicht sterben müssen. Und dennoch... dennoch hat es uns vielleicht weitere Tote erspart?“ Hilflos zuckte er mit den Schultern. „Wie kann man sich sicher sein, dass man das Richtig tut?“

Es dauerte geraume Zeit, bis sie ihm antwortete: „Man kann immer nur Tun, was man denkt, was in einem Moment richtig ist. Im nächsten kann es schon verkehrt sein. Das ist alles. Mehr kann man nicht tun. Auch Ihr nicht.“

„Ich schätze ihn wirklich sehr“, schloss er, „Den Grafen.“

„Ihr habt Euren Sohn nach ihm benannt“, wusste sie, „Und Eure Tochter nach seiner Schwester, Hochgeboren. Das... das zeugt doch von einer engen Verbindung.“

„Ja“, die Stimme des Barons klang plötzlich seltsam leer, „Und dennoch bin ich enttäuscht und verzweifelt und wütend zugleich. Egal wie oft ich um Hilfe bat, es kam keine. Ganz gleich wie ich gebettelt und gefleht habe, es kam keine. Es kam noch nicht mal eine Antwort!“ Nun schluckte er schwer. „Zum Traviabund mit Orknäschen ist er auch nicht gekommen...“ Resignation lag in seiner Stimme. „Zu den Tsafeierlichkeiten meiner Kinder wird er auch nicht erscheinen.“ Er seufzte schwer: „Die Wahrheit ist doch, dass ihn das alles nicht kümmert. Nichts davon.“


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Texte der Hauptreihe:
K2. Zeit
Ende Hes 1044 BF am Mittag
Wahrheit


Kapitel 1

Zeit
Autor: Orknase