Geschichten:Vom Nutzen von Kindern in Kutschen - Teil 3

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In der Alten Residenz, Schreibstube des Staatsrates: eichen getäfelt, schwerer Schreibtisch (Schlunder Arbeit), Portraits der Kaiserin, König Brins und des Lichtboten Hilberian an der Wand (letzteres allerdings durch einen Kleiderständer halb zugestellt). Ein Regal brigt fast hundert Bücher und Schriftrollen, thematisch reichen sie vom Ackerbau bis zu den Zwölfgöttlichen Unterweisungen, von denen zurück zu den Viten der Heiligen Boten des Lichts, eine Karte schmückt die andere Wand, auf der sind Wege und Stege, Grenzen und Burgen des Königreichs verzeichnet; Stecknagel pinnen einzelne Zettel auf die Karte, die spezifische Informationen tragen. Alle Zettel sind von einer gestochenen, kleinen Handschrift geschrieben, das Döschen mit weiteren Strecknadeln ist verstaubt. Im Kamin knistert ein Feuer von Buchenholz, dem noch etwas Exotisches beigemischt ist. Am Schreibtisch sitzt – eher: fläzt sich – der Erste königliche Rat Garetiens, Horbald von Schroeckh, hat eine langstielige Pfeife im Mund und blättert in einem großformatigen, aber recht schmalen Buch mit vielen Illustrationen.

Es klopft.

»Exzellenz?«, fragt Gsevino vom Prutzenbogen, indem er den Kopf hereinsteckt. Schroeckh legt schnell das Buch beiseite, reißt die Füße vom Tisch.

»Habe ich Herein gerufen?«

»Ich meine, es gehört zu haben, Exzellenz.« 

»Was? In der Tat?«

»Exzellenz, Schreiben von Seiner Edelhochgeboren Oldebor von der Raulsmark für Euch.

»Dringend?«

»Na ja, es betrifft Euren Aufbruch nach Reinherz übermorgen. Es erscheint mir schon dringend.«

»Du hast es etwa schon gelesen?«

»Wie stets, Eure Exzellenz, öffnen und studiere ich Eure Korrespondenz, um Euch nur vorzulegen, was wichtig ist. Das andere gebe ich dann ins Zedernkabinett oder bringe es ins Archiv. Ihr habt das so angeordnet.«

»So? Richtig, richtig. Und das Schreiben hier kann nicht gleich ins Archiv?«

»Es betrifft Eure Anreise nach Reinherz, Exzellenz.«

»Ach? Na gut, dann gib schon her!« Gsevino betritt das Zimmer, trippelt zu des Staatsrat Schreibtisch, überreicht das (geöffnete) Couvert und linst nach dem Buch, das Schroeckh gelesen hat: ›In Nedimes Rosengarten. 10.000 Arten ...‹ - pardauz! Schroeckh hat das Buch einfach vom Schreibtisch gefegt. »Neugieriger Bengel«, murmelt er, dann murmelt er weiter, während er die Zeilen aus der Villa Geldana liest. »... Schwiegertochter Rhodena ... Ulmia, Fenia und Leomar ... Himmel, das sind ja alle drei!« Schroeckh blickt erschrocken auf. Gsevino versucht, sich nichts anmerken zu lassen, und zuckt nur mit den Mundwinkeln.

»Alle drei! Gsevino: diese Blagen! Die haben mir einen guten Rock zerrissen, als sie im Zedernkabinett herumgesprungen sind!«

»Ist der nicht erst danach zerrissen? Als Ihr aus dem ›Gülden Hagestolz‹ zurückkamt, wo der Wein verdorben war, wie Ihr sagtet, Exzellenz?«

»Was weißt du schon!« Schroeckh liest weiter. »Ha! ›Teuerer Horbald‹! Das ist gut! Aber alles andere? Da will ich nicht mit, Gsevino.«

»Soll ich Seiner Edelhochgeboren dahingehend antworten?«

»Ja, tu das. Schreib, ich hätte irgend etwas Ansteckendes und wolle seinen Enkeln nicht zur Last fallen.«

»Dass es ansteckend ist, wird er nicht glauben ...«

»Wie bitte?«

»Sich anzustecken, kann er sich nicht erlauben, sagte ich, Eure Exzellenz.«

»Nun gut, Gsevino, besorg mir eine Kutsche, mit der ich nach Reinherz fahren kann. Aber billig muss sie sein.«

»Es geht tägliche Post nach Eslamsgrund, Exzelenz, wollt Ihr da ...?«

»Papperlapapp! Willst mich wohl in einen Postsack stecken, was? Nein, frag doch mal bei Alarich von der Sighelmsmark nach, der hat eine schöne Kutsche, oder frag beim Markvogt, der hat noch schönere. Beide werden es dir kaum abschlagen. Also mir.«

»Sehr wohl, Exzellenz.«

»Und schick mir noch mal die Kastellanin, sie muss noch einmal in den Weinkeller. Husch, husch!«

Gsevino tat wie geheißen und huschte davon. Anderntags fand der Staatsrat folgendes Briefchen (auf Kanzleipapier) auf seiner Ausgabe von ›Nedimes Rosengarten‹, die akkurat auf Kante auf dem Schreibtisch lag:

»Eure Exzellenz! Seine Hochwohlgeboren Markvogt Barnhelm von Rabenmund zur Kaisermark Gareth leiht Euch eine seiner Kutschen, Seine Edelhochgeboren Burggraf Alarich von Gareth –Sighelmsmark zur Sighelmsmark zwei Mann Bedeckung und von Seiner Edelhochgeboren Oldebor von Weyringhaus, Burggraf zur Raulsmark, kommt anliegender Wein – ein Eslamsgrunder – mit den besten Empfehlungen. Er bot mir an, bei ihm mitzufahren, und ich bin ja nicht krank. Habe darum sein Angebot angenommen und werde die Racker schon unterhalten können.

Eure Kutsche kann übrigens erst übermorgen hier eintreffen.

Ergebnst stets Euer Diener

Gsevino vom Prutzenbogen.«



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Texte der Hauptreihe:
K1. Teil 1
K2. Teil 2
K3. Teil 3
26. Per 1031 BF zur abendlichen Hesindestunde
Teil 3
Teil 2


Kapitel 3

Stallgeruch


Kapitel 6

Wie die Fliege
Autor: BB