Geschichten:Vom Hasen zum Hirsch - Das Rudel sammelt sich

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Ritterherrschaft Ostbrisken vom 3. - 8.Travia 1042BF

Vor einigen Tagen, nach den ersten rätselhaften Funden im Kellergewölbe des Wachturms Hohenbrisken, hatte Hane seine Fronhelfer nach Hause zu ihren Höfen geschickt. Er wollte die Dienste nicht zu früh ausschöpfen. Seitdem hatte er noch einige grausige Entdeckungen im Kellergewölbe gemacht und war froh, dass er Zeit zum Nachdenken über das hatte, was dort im Untergeschoss des Turms zum Vorschein gekommen war...

So schleppte er gerade wieder eine Ledermatte mit einigen Bruchsteinen zum wiederverwendbaren Schutthaufen, als ein Wanderer sich von Praios dem weitläufigen Hügel näherte. Einige Herzschläge später erkannte Hane bereits seinen guten Bekannten, Tello Fuhrmann. Der breitschultrige, blonde Mann war einige Sommer jünger als Hane und hatte vor einem knappen Götterlauf seine Lehre beim Bäckermeister Stufte abgeschlossen. Er trug einen großen Leinensack über der Schulter und ein zufriedenes Grinsen im Gesicht. Hane rief ihm entgegen „Heda Fremder, an jener Stelle die meine blaublütigen Füße in diesem Moment küssen, wird schon bald ein fachmännisch gemauerter Ofen stehen. Du kennst nicht zufällig einen fähigen Bäcker, der verrückt genug ist im Schatten der verdammten Dämonenbrache sein Brot zu backen?“

Das Grinsen auf den Zügen des jungen Bäckers wurde noch etwas breiter. „Hoher Herr, wenn Euer Ofen auch vom Hof des Markvogts den Allerwertesten gepudert bekommt und hält was Ihr versprecht…Vielleicht bleib ich ja und lern auch noch Brot zu backen – so schwer kann das doch nich sein! Aber den Dreck unter Deinen Fingernägeln kratzt Du schön selber weg…ähm…Hoher Herr!“

„Jetzt aber Vorsicht Tello, der Markgräfliche Hof ist der Einzige, der Dir Deine langersehnte Existenz am Rande der Dämonenbrache ermöglichen kann…Aber jetzt ohne Witz…An meinem Allerwertesten ist nichts gepudertes…Mein Gesuch um die benötigten Finanzen ist bislang unbeantwortet, aber ich bin guter Dinge! Schließlich hieß es, dass der Markvogt und der Rat der Helden gemeinsam großzügig investieren werden. Mindestens drei Monde lang, kann ich das was ich Dir versprochen habe aber auf jeden Fall aufbringen.“

„Na dann hab ich nur noch eine Frage. Bleibts bei Hane, oder muss ich Dich jetzt Eure Reichsritterliche Hoheit rufen?“ Sein schelmisches Grinsen machte klar, dass Tello auf diese Frage keine Antwort erwartete. Er warf seinen Leinensack in das Erdgeschoss des Turms und ließ sich erst einmal an der massiven Steinwand nieder um den Ausblick auf die Brache zu genießen.

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Wenige Praiosläufe später rief Tello von draußen, „Hane, mach mal noch nen paar Schlafplätze frei. Ich glaub da hinten kommen neue Verrückte!“

Hane wischte sich notdürftig den Steinstaub aus dem Gesicht und trat ins Freie. Regen hatte am frühen Morgen eingesetzt und sich bis zum Nachmittag auch nicht verzogen. Der Boden war dennoch nicht aufgeweicht, was Hane Mut machte im Hinblick auf die hoffentlich bald hier stehende Burg Hohenbrisken. Er erkannte die Neuankömmlinge, zumindest größtenteils, trotz der schlechten Sicht. Rico Mohnfeld und seine Gattin Brünni Mohnfeld. Er kannte Brünni schon seit Kindestagen. Er war mit seinem Vater oft geschäftlich beim Schneider Franke, wo auch Brünni gelernt und seit jeher gearbeitet hatte. Sie war etwa im gleichen Alter wie Hane, war tüchtig und handwerklich äußerst geschickt. Kürzlich war er nach Grambusch geritten und hatte ausgiebig mit ihr gesprochen und sie überzeugen können sich ihm anzuschließen. Sie hatte den Laden schon lange satt, war eher für die Wildnis gemacht, wo sie mit weniger Leuten umgehen musste und nicht Praioslauf für Praioslauf dieselben Tätigkeiten wiederholen musste. Außerdem wollte Brünni schon immer mal für einen Adeligen tätig sein, schon als Kind hatte sie mit der Inbrunst jugendlicher Überzeugung geschworen dereinst bei Hofe zu arbeiten… Nunja, und wenn es Brünni an einen Adeligen Hof zog, folgte Ihr Mann Rico selbstverständlich. Rico hatte das Maurerhandwerk gelernt und war auch sonst ein sehr arbeitsamer junger Mann. Er sprach nicht viel, oder kam zumindest selten zu Wort…

„Ist das Wetter an Deinem Adeligen Hofe immer so schlecht? Dann hätten wir ja auch in Grambusch bleiben können, da hat unser Heim wenigstens ein intaktes Dach… Wie dem auch sei... Hane, ich kann gar keine Rauchsäule über Deinem Turm erkennen. Ich hoffe Du hast die Feuerstelle schon angefacht, ich werde auf jeden Fall nicht mehr länger in den nassen Stiefeln bleiben und Rico genauso wenig. Stimmt’s Rico? Na jedenfalls ist der Karrenpfad von der Straße einigermaßen matschig hier und da. Wenn da wirklich Karren mit Steinen beladen durch sollen, dann müssen wir da vorher schon was machen, sonst bleiben die ja alle stecken… Wir haben übrigens noch jemanden mitgebracht wie Du siehst. Das ist Ricos kleiner Bruder Reto. Er hat ein beachtliches Händchen für Tiere und vor allem Pferde. Hat hier und da schon als Pferdeknecht gearbeitet, reiten kann er auch gut und da dachte ich, dass er hier bestimmt nützlich sein könnte. Reto mach Dich doch bitte schon mal nützlich und schaff unsere Sachen ins Trockene, mein Lieber. So, Reichsritter Hane! Jetzt zeigt mir doch mal Euer edles Domizil.“

„Schön, dass Ihr da seid Brünni! Jetzt kommt wirklich Leben in das Gemäuer.“

„Was soll das denn schon wieder heißen? Ich habe doch…“ Ihre Worte wurden von einem schallenden Lachen Tellos abgeschnitten, der Rico gerade einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken gab und die beiden Neuankömmlingen in den Turm führte.

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Zu fünft saßen sie um die Feuerstelle im Wachturm Hohenbrisken und warteten sehnsüchtig darauf, dass die Suppe endlich fertig sei. Tello rührte voll angespannter Vorfreude und Retos Magen knurrte im Takt mit. Einige Praiosläufe hatten sie nun gemeinsam auf Hohenbrisken verbracht und sich das Erdgeschoss ein bisschen wohnlicher eingerichtet. Den Keller hatten sie weiter bedächtig geräumt, wenn ein Abschluss dieses Projekts auch noch nicht in Sicht war. Nun waren sie alle hungrig und erschöpft von einem Tag harter Arbeit. Rico sprach in die Stille hinein, kaum lauter als Retos Magenknurren.

„Sag mal Hane, mit dem was da im Keller war und dem was da in der Brache ist…Schmackhafte Suppe und makellose Kleidung hin oder her…Wenn es hart auf hart kommt, brauchen wir Stahl und vor allem jemanden, der den Stahl ins Ziel führt…“

„Von mir wirst Du keinen Widerspruch hören. Ja, das brauchen wir. Ich kann ziemlich gut mit dem Bogen umgehen und habe auf dem Feldzug auch die Handhabung anderer Waffen gelernt. Ich hatte Euch ja auch bereits gesagt, dass wir bald mit grundlegenden Waffenübungen starten werden. Solmar Hoffing hat mir zwei Waffenknechte geschickt, die aktuell noch in Briskengrund wohnen und das Umland nach Auffälligkeiten durchkämmen, bevor sie hier auf Hohenbrisken mit einziehen. Außerdem habe ich ein paar Freunde angeschrieben, die ich auf dem Weg nach Tobrien kennengelernt habe. Von zweien habe ich Antwort bekommen, dass sie sich das hier mal anschauen wollen. Carl Dergelhof, ein Hüne und dazu so breit wie hoch. Tello, Du bist schmächtig gegen Carl!“

„Du nennst mich schmächtig?“, rief Tello mit donnernder Stimme und bäumte sich zu voller Größe auf, den Kochlöffel drohend erhoben. „Na warte! Wenn Carl nicht mindestens ein Ebenbild des Herrn Ingerimm höchst selbst ist, dann haben wir ein ernstes Wort miteinander zu wechseln Euere Reichsritterlichste Eminenz von und zu Höllenloch!“

Hane winkte amüsiert ab. „Carl ist jahrelang Schmied gewesen, wenn Ihr mich fragt, hat er aber extrem Gefallen daran gefunden Soldat zu sein. Im Feldzug hat er in beidem geglänzt, konnte Hufeisen, Radbänder, Achsen und was nicht noch alles schmieden und reparieren. Waffen natürlich auch – und führen kann er die Dinger auch noch. Am liebsten mit beiden Händen und in einem weiten Bogen. Den Schädel des Wolfes der versucht hat ihn an seiner Feldschmiede zu überraschen, den werde ich so schnell nicht vergessen. War flüssiger als Deine Suppe, Tello!“ Als Tello erneut ansetzte sich in gespielter Empörung aufzurichten, fuhr Hane eilig fort. „Und dann wäre da noch Magnus Grabenau. Ein ausgezeichneter Lehrer und einer der Besten Kundschafter in meiner Einheit. Ich hatte so sehr gehofft, dass er zusagen würde hierherzukommen. Mit ihm und mir selbst werden wir zwei Wildniskundige haben, die hoffentlich gemeinsam die Zeichen der Brache deuten können. Von Hause aus ist er auch ein Jäger, aber so wie ich es sehe ist er an Kurzschwert und Speer gar noch besser als am Bogen. Hat aus vollem Sturzflug so einer verfluchten Harpyie das Auge ausgestochen… Naja, die beiden sollten eigentlich in den nächsten Tagen ankommen, hatten sich für Anfang des Travia Mondes angekündigt. Wir brauchen natürlich auf lange Sicht noch mehr gute Männer und Frauen, aber es ist immerhin ein Anfang.“

Seine Kameraden schauten ihn zustimmend an und nickten still in sich hinein. Es dämmerte ihnen wohl in diesem Moment, dass die Brachenwacht kein Klassentreffen alter Freunde und Bekannter war, sondern ein tatsächlich gefährliches Unterfangen. Die Stimmung war etwas gedrückt und alle hingen ihren Gedanken nach, doch Tello hatte aufmunternde Worte parat. „Essen ist fertig!“

Am Morgen darauf schritten zwei Männer mit einem Eselkarren den ausgetretenen Pfad entlang. Der Grund über den die beiden Männer traten, musste sich schon fragen was die letzten Praiosläufe nur los war – so viel Durchlaufverkehr gab es hier wohl seit Ewigkeiten nicht mehr. Ihren Lederharnisch hatten die beiden am Vorabend aufpoliert und nun über die grobe Reisekleidung geworfen. Der Eine, ein Berg von einem Kerl, trug einen großen Kriegshammer am Rücken, dessen lederumwickelter Griff über seiner linken Schulter aufragte. Der andere, mit Nichten klein oder schmächtig zu nennen, wirkte neben dem Riesen dennoch wie ein kleiner Junge, der sich so gerade auf den Beinen halten konnte. Dieser trug einen großen Bogen auf dem Rücken, einen ordentlich gefüllten Köcher an der Hüfte und die Leine eines genügsamen Esels in der Hand. Hane war ausgesprochen glücklich die beiden Kameraden wiederzusehen. Gemeinsam hatten sie vielen Schrecken die Stirn geboten und ihren Anteil am erfolgreichen Tobrienfeldzug des Kaiserlichen Heeres geleistet.

„Zeig mal her den tollen Stirnreif mit den Perlen, mein Lieber! Ich hab mit Magnus ne Wette zu laufen, dass Du uns nen Bären aufgebunden hast mit der Reichsritter Geschichte!“, donnerte Carl ihm bereits aus der Entfernung entgegen.

„Das mit dem Bären ist keine schlechte Idee, Carl. Ich habe den Eindruck Du hast ein bisschen abgebaut und solltest mal wieder mit richtigen Gewichten trainieren!“, warf ihm Hane mit einem breiten Grinsen zurück, was von Carl und Magnus gleichermaßen mit schallendem Lachen quittiert wurde.

„…und das von dem Kerl, der mir nicht mal um die Schultern greifen kann…“, der Schmied spannte die Arme an und brachte damit seinen Harnisch bedrohlich zum Knarzen. Wenn Hane auch die Hände hinter dem Rücken Carls nicht schließen konnte, so hielt ihn das dennoch nicht ab dem Hünen seine kräftigste Umarmung zu geben. Carl musste einige Selbstbeherrschung aufwenden Hane nicht ein Stück in die Luft zu heben, wie er es mit seinem kleinen Bruder machen würde. Doch das letzte bisschen Respekt von den restlichen Kameraden, die sich im Rund des Wachturms interessiert versammelt hatten, wollte er dem Reichsritter dann doch lassen. Magnus stellte sich hinten an und beobachtete die Szene mit einem ehrlichen Lächeln.

„Hane, schön, dass Du Dich in diesem dunklen Wald noch nicht verlaufen hast! Wir dachten schon wir kämen zu spät…“, witzelte der Jäger und holte ebenfalls zu einer freudigen Umarmung aus.

„Ihr beiden, es tut gut Euch zu sehen. Echt! Seid Ihr die Nacht durchgewandert, oder habt Ihr in Briskengrund übernachtet?“, fragte Hane frohen Mutes.

„Nee, Briskengrund hat uns nicht interessiert. Wir haben uns bei nem Typen namens Lares und seinem Weib einquartieren lassen. Kantiger Bursche, genau mein Menschenschlag.“, erwiderte Magnus. „…dachten, wir hören mal nach was man sich auf dem Lande so über den neuen Herrscher erzählt. Du wirst nicht glauben was uns da für Geschichten aufgetischt wurden… Frondienst bei einer Kellerräumung hat Lares erzählt – und was in diesem Keller alles zum Vorschein kommt… Glaubst Du mir nicht, wenn ich Dir das Märchen erzähle!“

„…Versuch’s doch Magnus, Du wärst überrascht was ich alles zu glauben bereit bin.“, entgegnete Hane und nickte in Richtung des Esels, „Reto, würdest Du bitte für das Tier sorgen?“ Dann bedeutete er den beiden Neuankömmlingen ihm zu folgen und schritt in Richtung Treppenabgang zum Kellergewölbe um wenige Minuten später mit zwei staunenden Kameraden zurückzukehren und erstmal ein deftiges Frühstück zu sich zu nehmen…