Geschichten:Vom Hasen zum Hirsch – Am Anfang steht der Schmerz

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Kindheit und Jugend

Vereinzelte Strahlen der Praiosscheibe brachen durch das Blätterdach. Die Schatten wurden zu jener Tageszeit bereits länger. Es knackte im Unterholz und der Junge schrak plötzlich auf. Ein energischer Schritt zur Seite brachte ihn in Deckung einer großen Buche. Langsam drehte er sich herum um die Ursache des Geräuschs in Augenschein zu nehmen, seine Sinne waren gespannt, genau wie der Riemen seiner Steinschleuder. „Ich habe Dich bemerkt Vater, bevor Du in Sprungreichweite kamst. Ich gewinne!“ Freudig sprang der Junge aus der Deckung heraus und schoss die Bucheckern, die er zuvor gesammelt hatte, seinem lächelnden Vater entgegen. Aufgeregt sprang ihm auch der Jagdhund Bellrik I. entgegen und die beiden verschlangen sich in einen spielerischen Ringkampf am Waldboden. „Du wirst halt immer besser mein Sohn! Dein Fleiß zahlt sich aus, der Wald kann Dich kaum noch überraschen.“ Ein stolzer Gesichtsausdruck bahnte sich den Weg in Rons Gesicht, als er zu seinem Sohn Hane blickte. „Und Vater, ich habe heute mit nur drei Schüssen aus dem Jagdbogen den Holzbecher-Turm vollständig zu Fall gebracht! Bald schon kann ich am Bogen-Wettbewerb vom Kaiserturnier teilnehmen und alle das Fürchten lehren!“ Hane baute sich zu seiner vollen Größe auf und streckte stolz die Brust heraus. „Natürlich wirst Du das, Hane! Übe nur weiter und es wird kommen wie Du sagst, mein Sohn. Auch ich war nicht untätig. Bellrik I. hat ein Reh aufgespürt und wir haben es erlegt. Hilf mir das Tier zu zerlegen, damit wir es heute noch nach Grambusch bringen können.“ Ron deutete in den Wald und Bellrik I. machte sich bereits auf den Weg das erlegte Wild aufzusuchen. „Oh fein! Dann können wir ja auch gleich beim Marek in der Gerberei vorbeigehen, vielleicht hat er die Lederrüstung für meinen Ritter Geron, den der Sighelm mir geschnitzt hat, schon fertig.“, rief Hane als er freudig lossprang. „Wollte Dein Bruder nicht auch noch ein Holzschwert für die Ritterfigur schnitzen?“ „Nein, da habe ich doch im letzten Mond beim Thorben in der Schmiede ausgeholfen und er hat mir versprochen ein kleines Schwert für den Ritter Geron zu schmieden!“ „Wo Du nicht überall Deine Verbindungen spielen lässt, junger Mann! Genug geredet, pack Dein Messer und hilf Deinem alten Herrn!“

1027 BF

Der Fanfarenstoß rief zum Aufbruch. Es war das Jahr 1027 nach dem Fall des Hunderttürmigen Bosparans und alle Freiwilligen und nicht-Freiwilligen brachen zum Heerbann auf. Die Dämonenhorden waren über Darpatien hergefallen und hielten auf Wehrheim zu – jeder hatte seinen Anteil zu leisten das Kernland des Raulschen Reiches gegen den Untoten Heerwurm zu verteidigen. Vor allem aus Briskengrund kamen viele Freiwillige, zu denen auch Hanes ältere Geschwister zählten, da die Nähe zur Dämonenbrache die Menschen gegen die Schrecken der Niederhöllen abhärtete. Schon einige Male hatte Hane bei seinen Jagdausflügen mit Vater Tiere gesehen, die die Zwölfgöttliche Schöpfung verspotteten…Sighelm, Hanes ältester Bruder und Marta, seine ältere Schwester, winkten zum Abschied und zwinkertem ihm noch zu. „Pass gut auf Vater und Mutter auf bis wir wieder da sind, Hane!“, rief ihm Sighelm noch zu. Beppo klammerte sich an Hanes Bein und schluchzte ein wenig während Hane ihm den Kopf kraulte. „Keine Sorge Beppo, Sighelm ist mit dem Bogen noch besser als ich und Marta wurde ja den Heilern zugeteilt. Die wird also aus dem Schlimmsten herausgehalten. Solange packen wir zu Hause halt doppelt an.“ Hane hatte schon immer ein Gespür für die richtigen Worte und so kniff ihm Beppo spielerisch ins Bein und rannte zum Waldrand zwischen Briskengrund und Grambusch zurück wo das Haus der Familie stand. „Wer als letztes zu Hause ist, muss beim nächsten Mal die Blutwanne schrubben...“.

Die Praiosscheibe brannte an jenem fast schon sommerlich anmutenden Tag und Tränen füllten die Augen aller Anwesenden. Der Bote, der Grambusch aufgesucht hatte, berichtete zwar vom Sieg der Reichsarmee vor Wehrheim, der Zerschlagung des Untoten Heerwurmes, doch wie ein Sieg fühlte sich der Bericht von der Zerstörung der Festungsstadt Wehrheim nicht an. „Die Einheit wurde komplett vernichtet, wir müssen vom Tod aller Recken ausgehen, die dort tapfer ihre Stellung hielten.“ berichtete der Bote über ebenjene Abordnung des Heerbanns, der auch Hanes Geschwister Sighelm und Marta angehört hatten. Der Bote knetete nervös seinen Hut als er von den schrecklichen Ereignissen berichtete und das Grauen des Untoten Heerwurms lebhaft in den Köpfen der Anwesenden werden ließ. Hane hörte bald nicht mehr richtig zu… Er hatte seine Geschwister verloren… Nie mehr würden sie zurückkehren. Er war nun das älteste Kind seiner Eltern und er würde vor keinem Mittel zurückschrecken um seine Pflicht zu erfüllen – Er würde seine Familie beschützen, komme was wolle! Sein Blick war leer, doch grimmige Entschlossenheit hatte sich in seinem Geist ausgebreitet. Es würde die Zeit zur Rache kommen, die Zeit das zu Ende zu bringen, was seine Geschwister angefangen hatten. Dieses Mal war ich zu jung um am Heerbann teilzunehmen, Sighelm und Marta sind für mich gestorben. Ich werde sie rächen. Beim nächsten Mal werde ich dem Ruf zu den Waffen folgen, damit Vater, Mutter und Beppo sicher zu Hause sind. Dessen war sich Hane sicher.

junges Erwachsenenalter

„Hane, wo willst Du denn schon wieder mit den Wildschweinkeulen hin? Ich habe die ja gerade erst zum Trocknen aufgehangen.“ rief Hanes Mutter Ariane ihm zu. „In Grambusch sind wieder ein paar Söldner im Gasthaus untergekommen. Ich bringe ihnen die Keulen, damit sie mir Waffentricks beibringen.“ Hanes Mutter blickte ihrem Sohn nach und schüttelte den Kopf. Zwei ihrer vier Kinder hatte sie im Krieg verloren und ihr nun Ältester fieberte auf den Moment hin in dem er sich in eine Schlacht würde stürzen dürfen...

1039 BF

„Ich bin Jäger, mein Vater Ron bildete mich aus. Ich kenne mich in der Wildnis aus und kann hervorragend mit dem Bogen umgehen. Ich bringe sogar meinen eigenen Bogen und vierzehn selbstgemachte Pfeile mit, Herr Hauptmann!“ Hane trat aufgeregt von einem auf das andere Bein als er auf die Antwort des Kaiserlichen Hauptmanns, der die Rekrutierung der Garethischen Landwehr in Grambusch koordinierte, wartete. „Gut! Du wirst den Kundschaftern zugeordnet. Schieß einmal auf diese Zielscheibe dort hinten!“ Anerkennend blickte der Soldat auf den Pfeil, der nur einige Finger neben dem roten Punkt im Zentrum der Zielscheibe steckte. „Kannst Du lesen, Jäger?“ fragte der Soldat. „Ja, Herr!“ erwiderte Hane. „Dann steigst Du als Korporal in der Garethischen Landwehr ein, in zwei Tagen bricht die Einheit gen Norden auf. Wegtreten, Soldat Hane!“ Die militärische Knappheit des Befehls klang wie edelste Musik in seinen Ohren, hatte Hane doch beinahe zwölf Götterläufe auf seine Gelegenheit gewartet…Eine Gelegenheit Rache am Tod seiner Geschwister nehmen zu können und seine Familie zu beschützen indem er den Kampf zum Feind tragen würde.

1040 BF

Eine lange Zeit später kehrte Hane als oberster Kundschafter der Garethischen Landwehr zurück nach Garetien. Unschuldig kehrt niemand aus dem Krieg heim, dachte er sich als sein Blick die Reihen der Soldaten entlangging. Aus Jungen waren Männer geworden, aus einfachen Männern gar Helden geboren. Er hatte dem Heer wichtige Dienste geleistet, Hinterhälte aufgespürt und selbst gelegt, Passagen erschlossen und Proviant beschafft. Am Ende des Feldzuges, die Mauern und Tore Mendenas am Horizont erblickend, hatte er mit den Großen des Heeres im Feldherrenzelt beraten. Er stand nach der Schlacht nah genug an den Obersten des Heeres und des Reiches um die entgleisten Mienen derer zu sehen, die soeben vom Sturm der niederhöllischen Kreaturen der Dämonenbrache auf Gareth erfahren hatten. Angst und Sorge trieben ihn seitdem um. Angst und Sorge um seine Familie, die doch am Rande der Dämonenbrache lebte. Dem gnadenlosen Blick des Götterfürsten vom Himmel zum Trotz überkam Hane eine Gänsehaut. Sein Herz beschleunigte den Schlag, seine Hände fassten die Zügel seines Pferdes fester, um durch den aufkommenden Schweiß nicht abzurutschen. Sie waren zurückgekehrt, die Heimat erstreckte sich vor ihrer aller Augen. Gareth! Das Haus in dem er aufgewachsen war würde er erst morgen wiedersehen, da in Gareth ein Empfang geplant war. Vorfreude, Anspannung und Sorge durchströmten seine Gedanken in stetigem Wechsel und ließen alles um ihn herum soweit verblassen, dass er beinahe das freudige Aufbellen seines Jagdhundes Bellrik II. verpasst hätte. Über dem Hund strahlten ihm seine Mutter Ariane, sein Vater Ron und sein Bruder Beppo entgegen. Die Erleichterung ließ Hane beinahe vom Pferd fallen – er war wieder zu Hause und seine Familie war wohlauf. Die Vorwürfe sie allein zurückgelassen zu haben verschwanden in den Tiefen seines Bewusstseins und die Freude über das Wiedersehen trieb ihm Tränen in die Augen…

1042 BF

Wenn der Krieg mir eines gezeigt hat, dann, dass es nichts gibt wozu der Mensch auf Dere nicht fähig ist…Unsere Feinde haben den Niederhöllen ein zu Hause in ihren verkommenen Herzen gegeben, doch wir haben sie überwältigt. Die Kreaturen des Chaos sind über Gareth hergefallen, doch sie wurden zurückgeschlagen, in den Schandfleck der die Dämonenbrache ist. Männer von einfacher Geburt erfuhren den Respekt und die Anerkennung ihrer Taten durch die Edelsten der Kaiserlichen Armee und des Reiches… Die Liebe für meine Heimat und meine Familie gibt mir die Kraft jene Kreaturen und Bestien zu konfrontieren deren bloßer Anblick den meisten Menschen den Verstand raubt…Die Dämonenbrache ist und bleibt eine Bedrohung, dieser Tage mehr denn je. Der Markvogt und der Heldenrat zu Gareth tun richtig darin diese Gefahr anzuerkennen und dagegen vorzugehen! Vor knapp zwei Jahren sind wir aus Tobrien zurückgekehrt und seitdem lehre ich die Landbewohner rund um Briskengrund und Grambusch sich gegen die Wucherungen der verfluchten Miasmasümpfe der Dämonenbrache zu verteidigen. Ich mag nicht von Stand sein, doch ich brenne dafür dieses Land und die Leute beschützt zu sehen. Deshalb bin ich dafür geeignet eine der Festungen der Brachenwacht zu beziehen und alles zu tun den Ring geschlossen zu halten. Es war die wahrscheinlich hundertste Version einer Rede die Hane in seinem Kopf durchspielte um jene wichtigen Amts- und Entscheidungsträger zu überzeugen, die über die Belehnung der Brachenwacht entscheiden würden. Er nickt stumm in sich hinein, zufrieden mit den Argumenten und überzeugt von der Rechtmäßigkeit seines Anspruchs. Er wischte sich eine schweiß-nasse Locke aus der Stirn. Der Blick des Götterfürsten drang unerbittlich vom Himmel herab an diesem heißen Sommertag im Rondra Mond des Jahres 1042 nach dem Fall des Hunderttürmigen Bosparans. Hanes Pferd trottete den Weg durch die Auen entlang und alsbald erblickte er in einiger Entfernung die Pracht seines Reiseziels. Die Banner des Hauses Rabenmund, der Kaisermark Gareth und des Neuen Reiches wehten in der Ferne und wurden von der Praiosscheibe in goldenes Licht getaucht. Hane war angekommen am Schloss Sonnentor.