Geschichten:Verschollene Eber: In den Kosch - Nachrichten auf Golgaritenschwingen

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„Dort vorne“, erschöpft von den harten Tagen, die hinter ihm und seiner kleinen Gruppe lagen, deutete der Golgarit geradeaus, „das müssen sie sein.“

Der Graumantel an seiner Seite nickte stumm. In der Ferne war eine größere Kavalkade Reiter zu erkennen, die offensichtlich von Rondrasdank her kam. Fendan Rabenblick ließ sich mit dem letzten aufgesparten Fünkchen Kraft zurück in den Sattel gleiten. Um den verletzten Ordensbruder, den er mitsamt einem weiteren Knappen zurückgelassen hatte, stand es wesentlich schlechter, so dass die Entscheidung schon Tage zuvor gefallen war.

„Schwester Antara“, er winkte den Graumantel näher heran, „Ihr werdet allein zum Prinzen und seinen Leuten stoßen.“ Die Zeit drängte, Edelbrechts Trupp näherte sich schnell. „Sagt mir geschwind, was Ihr von der Botschaft aus Garrensand behalten habt.“

Antara kam dem Wunsch des Ritters nach und flüsterte ihm einige Worte zu. Der nickte und sagte: „Recht so. Und nun sputet Euch, Ihr kennt Eure Aufgabe!“ Mit der flachen Hand erteilte er dem Ross der Almadani einen festen Klaps auf die Hinterbacke, so dass das Tier schwungvoll ausgriff und immer schneller davonstob. „Boron mit Euch“, murmelte der angeschlagene Golgarit und wandte mit tiefen Sorgenfalten auf der Stirne sein eigenes Pferd.

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Ein einzelner Reiter näherte sich dem Zug des Prinzen und seines Gefolges. Als die Gestalt nahe genug heran gekommen war, dass man Einzelheiten erkennen konnte, machte sie kurz Halt und schien die Gruppe aufmerksam zu mustern. Anscheinend zufrieden mit dem Ergebnis setzte sie ihr Pferd wieder in Bewegung und hielt direkt auf die Spitze des Zuges zu.

Bald hatte sie den Zug erreicht und zügelte abermals ihr Pferd, einen prächtigen Rappen aus almadanischer Zucht. Die Reiterin trug den grauen Mantel und grauen Wappenrock mit dem schwarzen Boronsrad der Knappen des Golgaritenordens. Die dunklen Haare, die zu einem strengen Zopf geflochten waren, und die gebräunte Haut verrieten ihre südländische Herkunft. Trotz der Anstrengungen der letzten Tage, die ihr ins Gesicht geschrieben standen, konnte man erkennen, dass es sich um eine außergewöhnliche Schönheit handeln musste, was auch die schwarze Rüstung nicht zu verbergen vermochte. Mit ernster, aber nicht unfreundlicher Miene wandte sie sich an die Vorhut des Zuges: „Boron zum Gruße. Sagt, handelt es sich hier um den Zug ihrer prinzlichen Durchlaucht Edelbrecht von Eberstamm?“

Wachsam lag Ardos linke Hand noch immer auf der Schwertscheide. Erst als die sich nähernde Reiterin vor ihm hielt und als der Boronkirche zugehörig zu erkennen war, entspannten sich seine Züge. Mit einem militärisch knappen Nicken begrüßte er die Knappin. Haltung und Gesicht waren reglos, doch Ardos Augen verrieten für einen Moment deutliche Neugier, bevor er den Gruß erwiderte.

„Boron zum Gruße. Ihr werdet den Prinzen tatsächlich bei dieser wackeren Schar finden. Wen darf ich melden?“

„Antara D'Altea, Dienerin Golgaris und Knappin im Golgaritenorden. Ich gehöre zu der Abordnung, die vom Kloster Garrensand ausgesandt wurde, um bei der Suche nach dem verschollenen Prinzenpaar zu helfen.“ Für einen kurzen Moment huschte eine Andeutung eines Lächelns über das ebenmäßige Gesicht der Boroni.

„Euer Gnaden, es ist mir eine Ehre. Ardo von Keilholtz, zu euren Diensten. Bitte folgt mir.“

Ardos Nicken fiel diesmal deutlich ehrerbietiger aus. Als er den Blick wieder hob, meinte er den Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht der Golgaritin gesehen zu haben. Aber er konnte sich auch getäuscht haben. Ardo machte eine einladende Geste in Richtung der wartenden Reisegruppe und wendete sein Pferd. Zusammen mit der Golgaritin ritt er zurück zu der Reiterschar und hielt direkt vor Edelbrecht.

„Mein Prinz, Ihro Gnaden Antara D'Altea von der Abordnung der Golgariten aus dem Kloster Garrensand.“ Nachdem er sie angekündigt hatte, lenkte Ardo sein Pferd zur Seite, um für Antara Platz zu machen. Da ihre Aufmerksamkeit jetzt dem Prinzen galt, erlaubte sich Ardo nun, die Golgaritin mit offener Neugier zu betrachten.

Edelbrecht hatte sich im Sattel aufgerichtet und hatte aufmerksam das Zusammenkommen zwischen Ardo und der Golgaritin beobachtet. Nach Ardos Meldung schwang hörbar Hoffnung und gleichsam Sorge in der Stimme des Prinzen mit, als er sprach: „Die Zwölfe zum Gruße, Euer Gnaden. Eure Ankunft kündet von unverhoffter Hilfe. Bringt ihr gar Nachrichten?“

Antara stieg von ihrem Yaquirtaler Hengst ab und verbeugte sich vor dem Prinzen. „Den Zwölfen zum Gruße, Boron voran, Eure prinzliche Durchlaucht. Der Abt des Klosters Garrensand sandte uns aus, nachdem uns eine Botschaft des Herrn erreichte, deren Sinn sich uns noch nicht erschlossen hat. Also brachen wir zu viert unter der Führung von Ritter Fendan Rabenblick auf, um uns der Suche nach dem Erbprinzenpaar anzuschließen. Unser Weg führte uns zuerst nach Burg Fürstenhorst, wo wir seine Durchlaucht in großer Verzweiflung vorfanden. Die Sorgen standen ihm ins Gesicht geschrieben und ließen ihn keinen Schlaf finden. Wenn wir auch bisher nicht viel tun konnten, so vermochte ich doch wenigstens dem Fürsten den Segen des Herrn Boron zukommen zu lassen und ihm so zu ein wenig Erholung zu verhelfen. Neue Kunde war indes keine zu vernehmen, außer dass man überall im Lande mit der Suche begonnen hat.

Ritter Fendan vermeinte aufgrund der Auskünfte seiner Durchlaucht einige Teile der Botschaft verstanden zu haben und führte uns in den Norden, damit wir uns mit dem Zug Eurer prinzlichen Durchlaucht treffen. Vor wenigen Tagen nun hatten wir einen Zusammenstoß mit einem Trupp Schwarzpelze, der nicht eben glimpflich ausging. Einer unserer Brüder steht dem Herrn Boron näher als der Herrin Tsa und bedarf der Pflege in einem warmen Haus, wenn er nicht schon bald vor Rethon stehen soll. Ritter Fendan und sein Knappe sind ebenfalls angeschlagen und nicht mehr bei Kräften für eine lange Suche. So wurde ich schließlich alleine gesandt, mich Eurer Suche anzuschließen.“

Der Hammerschlager hörte dem Bericht der Golgaritin aufmerksam zu. Sie brachte ihm keine Neuigkeiten, außer der, das die Boroni glaubten, in den Träumen des Fürsten eine Botschaft entdeckt zu haben. Was diese Botschaft wohl war…

Thorben hielt sich zurück, die Boroni direkt zu fragen. Ihro Gnaden würde schon von sich aus berichten oder auf die Nachfrage des Prinzen. Thorben bewunderte das Pferd der Frau, stand es seinem eigenen Almadaner doch in nichts nach, wie es aussah.

Answin von Boronshof hatte sein Pferd ein wenig angetrieben, um die Worte der eintreffenden Golgaritin ebenfalls hören zu können. Leider schien sie die geheimnisvollen Andeutungen über eine Botschaft, die die Ordensgeschwister auf den Weg gesandt hatte, nicht weiter ausweiten zu wollen…

„Habt Dank für diese Neuigkeiten“, sagt der Prinz. Und dann schwieg er.

Der Zalgoer und sein Nachbarbaron Adran von Schmalfurt schauten sich kurz an und fragten sich, wie viele andere nun auch, welche Gedanken dem Prinzen durch den Kopf gingen. Der Knappe des Zalgoers ließ gar den Mund so offen stehen, als ob ein Heuwagen eingefahren werden müsse. Baron Tyrian hätte ihm gewisslich eine Ohrschelle gegeben, wenn seine Aufmerksamkeit nicht beim Prinzen gelegen hätte.

Schließlich schaute der Prinz, dessen Blick in der Ferne geweilt hatte, die Golgaritin wieder an: „Eure Gesellschaft ist uns sehr willkommen.“ Dann drehte er sich im Sattel zu den übrigen Getreuen um: „Wir sollten weiterreiten. Seht, Parios Schild zieht schon efferdwärts. Wenn einer der Damen und Herren mit Ritter Ardo vorausreiten mag; wir benötigen einen Platz für die Rast und für unsere Fragen.“ Stumm nickte Antara dem Prinzen zu, bevor sie wieder auf ihr Pferd stieg.

Bernhelm, der Bannerträger Edelbrechts, tauschte mit seinem Herrn einen kurzen Blick aus, dann nickte er und verstaute das Banner sorgfältig in seiner Satteltasche, bevor er mit dem kleinen Spähtrupp voraus ritt.

Nachdem die kundschaftenden Reiter fortgeeilt waren, setzte die Gesellschaft die Reise fort. Antara ließ einige Reiter vorbei, um in die die Nähe ihrer Ordensgeschwister zu gelangen. Sie lenkte ihr Pferd neben das von Ritterin Lyeria und wartete stumm, bis die Ritterin ihr ihre Aufmerksamkeit schenkte.

„Schwester Antara D'Altea, Knappin des Landmeisters von Punin“, stellte sie sich knapp vor. Auf den fragenden Blick von Lyeria hin fuhr sie fort: „Ich war zur Ausbildung im Kloster, als die Botschaft überbracht wurde. Seine Ehrwürden war der Meinung, dass es gut wäre, wenn ich mich der Suche anschließe. Ritter Fendan lässt seine Grüße übermitteln und bedauert, dass er nicht selbst zum Zuge des Prinzen stoßen kann.“

Antara bemerkte die neugierigen und fragenden Blicke des Knappen Timokles, ritt aber zunächst schweigend weiter. Als er wieder zu ihr herüber sah, tauchte kurz ein freundliches Lächeln auf ihrem Gesicht auf und sie zwinkerte ihm zu.

Timokles' Neugier und Spannung auf die neue Region, den Kosch, den er noch nie betreten hatte, war schnell vergangen, nachdem sich Kälte, die öde, fahle Landschaft und bedrückende Stille breit gemacht hatten. So hüllte auch er sich in borongefälliges Schweigen und versuchte sich darauf zu konzentrieren, dass der warme Mantel keinen Teil seines Körpers unbedeckt ließ und er nicht aus Unbedachtheit aus dem Sattel fiel.

So hatte er auch nicht bemerkt, wie sich ihre Reisegruppe vergrößert hatte, und war zuerst völlig überfordert, als er eine wohlbekannte Stimme vernahm. Ruckartig hob er seinen Kopf und dachte schon, dass er kurz von einem Traumgesicht getroffen worden sei, doch als er sie abermals hörte, vertrieb er diesen Gedanken. Worte, die zwar, obwohl sie frei von Dialekt waren, doch eine wesentlich weichere und süßere Sprachmelodik aufwiesen, wie er es in den rauen Ländern der Mark selten gehört hatte. Es bestand kein Zweifel, seine ehemalige Mitstreiterin vor dem Schlosse Drak hatten die Götter wiederum zu ihm verschlagen. Ihre Wege hatten sich ein zweites Mal gekreuzt. Da blickte er auch schon in das sonnengebräunte Gesicht von Antara, die sich an Lyeria wandte.

Was soll ich nun sagen, ging es ihm durch den Kopf, ohne dass ich die Etikette breche, schließlich habe ich mich schon einmal vor der ganzen Gesellschaft unmöglich gemacht. Er entschloss sich also abzuwarten und sie erst bei ihrem nächsten Nachtlager über die unerwartete Ankunft zu befragen. Dennoch konnte er es sich nicht nehmen, immer wieder in das schöne Antlitz der Boroni zu blicken, als über deren Gesicht ein kurzes Lächeln lief und sie ihm zuzwinkerte. Sofort waren die beißende Kälte und die Eintönigkeit der Landschaft vergessen und ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Gedankenverloren ritt er weiter und wurde erst wieder in die Realität zurückgeholt, als er fast von seinem Pferd gestürzt wäre. Von diesem Vorfall alarmiert ritt er nun etwas besonnener weiter.

Der Prinz schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen und nahm die Gespräche um sich herum nicht wahr.

Baron Tyrian blickte zurück, als er hinter sich die Stimme seines Knappen Gerricks vernahm. Dieser ritt neben dem Baron von Nardesfeld. „… wie anmutig sie auf ihrem Ross sitzt. Und wie hübsch sie ist“, sprach der Knappe mit gesenkter Stimme, die Wangen nicht nur von der Kälte gerötet.

„Nun ja, über solch weltliche Dinge schweigen sich diese Boron-Ritter meist aus“, entgegnete der hühnenhafte Schmalfurter und zog schmunzelnd an seiner Pfeife.

„Ist ihnen Rahja…, ich meine,… äh, dürfen sie einen Traviabund eingehen?“, fragte Gerrick und sein Gesicht gewann deutlich an Farbe. Adran schmunzelte wieder und zog an der Pfeife: „Frag sie oder warte, bis Bishdariel dir eine Antwort bringt.“

Tyrian blickte wieder nach vorn und rollte mit den Augen. Er verspürte das Verlangen, seinem Knappen eine Ohrschelle zu geben. Er war nur leider nicht in Reichweite ...