Geschichten:Verschollene Eber: In den Kosch - Auf zu Hannos Hof

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Die Gruppe kam recht zügig voran. Der eisige Wind nahm jedoch immer mehr zu und fing sich laut rauschend in den heftig wankenden, schneebeladenen Bäumen am Wegrand. An einer Stelle musste die Gruppe eine umgestürzte Tanne umreiten, die sich jedoch nicht, wie mancher befürchtet hatte, als Hinterhalt herausstellte. Es wahr wohl einzig der klirrenden Kälte geschuldet, dass niemand in den weiteren knapp drei Stunden Ritt allzu fest einschlief.

Als sich der finstere Nachthimmel langsam aufzuhellen begann, gab er schwere Wolken preis, die wie prallgefüllte Daunenbetten das Alveranszelt verhüllten. Auch wenn das Antlitz Praios nicht sichtbar wurde, legte es die Szenerie in ein trübes Morgenlicht, als die Gruppe an einem kleinen Weiler ankam. Nicht viel mehr als vier einfache Katen, standen am Rand des Hügelsteiges, in der Mitte eine kahle Linde, deren Äste einen Ziehbrunnen überragten. Bibernell deutete auf eine abseits, hinter einigen Sträuchern gelegene fünfte kleine Hütte, die Urion daraufhin ansteuerte. Vor dem etwa eine halbe Meile von dem Weiler entfernt gelegenen Anwesen stand, von einem Vordach geschützt, ein Karren mit angespanntem Pferd. Abwechselnd zeigte die Frau auf sich und auf die Hütte ... offenbar hatte die Gruppe ihre Wohnstatt erreicht.

Der Wehrmeister machte Erlan ein Zeichen, er solle zur Hütte vorreiten und sie in Augenschein nehmen. Der restliche Trupp folgte langsamer. Vorsichtig näherte sich Erlan der Hütte. Das Pferd vor dem Karren schnaubte als es den Fremden sah. Auf dem Karren lagen ein Fass und mehrere Säcke und Kisten. Erlan stellte fest, dass sich keiner unter ihnen verbarg, indem er mit seiner Waffe dazwischenstieß. Wie es schien, enthielten sie vor allem Proviant und Kleidung. Dann ging er weiter Richtung Hütte. Sie war schlicht und aus Holz, der Schnee lag schwer auf ihrem Dach - an der Seite ragte ein steinerner Kamin in den Winterhimmel. Kein Rauch stieg aus ihm auf, kein Licht war in den Fenstern zu sehen, kein Geräusch zu hören. Langsam ging er auf die Tür zu - ein schlichtes Vorhängeschloss versperrte von Außen den Weg.

Bibernell rief etwas, drängte ihren Bewacher sich ebenfalls der Hütte zu nähern, wurde jedoch festgehalten. Mit etwas missmutigem Blick deutete sie auf einen Hackstock neben der Tür. Erlan begann den Stock zu untersuchen - ein Beil steckte in ihm. Als er ihn zur Seite kippte, lag darunter ein Schlüssel, der schwach schimmerte. Der Schlüssel passte ins Schloss. Etwas modriger Geruch stieg in Erlans Nase als der die Hütte betrat. Im Dämmerlicht konnte er das weitgehend leere Innere erkennen. Ein einfaches Lager aus Stroh, einige nicht entfachte Laternen, ein Tisch mit zwei langen Bänken an seiner Seite, am Rand ein erloschener Kamin mit Kochstelle, das einzige Möbelstück, dass diesen Ort von einer einfachen Bauernkate unterschied war ein großer dunkler Sekretär neben einem der Fenster.

Nachdem der Sindelsaumer sich einen Überblick verschafft und der Gruppe zeichen gegeben hatte, ritten sie schließlich auch die letzten Meter zu der kleinen Kate. Der Wehrmeister sagte: "Absitzen! Rittmeister, wir versorgen die Pferde, der Rest geht in die Hütte und kümmert sich um etwas warmes zu Essen und zu Trinken, später sehen wir uns den Fuß des Wächters an. Aber laßt mir die Frau nicht aus den Augen!"

Während Urion und Thorben die Pferde so gut es ging versorgten, sagte der Wehrmeister: "Von Reifenberg, was haltet ihr von dieser Frau und der Lösegeldgeschichte?"

Urion blickte den Wehrmeister an und dachte einen Augenblick nach bevor er ihm antwortete. "Nun, werter Hammerschlag, es scheint so zu sein, wie ihr in Erfahrung gebracht habt. Ich schlage vor, das Haus der Frau als Ausgangsbasis für weitere Erkundungen zu nutzen. Unsere Ankunft dürfte wohl keiner bemerkt haben. Und wenn erscheint mir diese Frau als so zwielichtig, dass sie auch schon mal des Nachts oder zu solch früher Stunde Fremde empfängt. Ich meine, einer von uns sollte in seiner Verkleidung im Weiler Erkundigungen einholen. Wir müssen mehr über die Frau herausbekommen, aber auch Informationen darüber, ob in letzter Zeit Fremde im Ort waren. Alles natürlich sehr vorsichtig. Und ich glaube, es sollte jemand sein, den man im Kosch sicherlich nicht im Mindesten kennt. Also der Hundsgraber oder ich. Da mein Vater die Baronie Hexenhain im Auftrag der Greifin verwaltet, die ja, wie ihr sicherlich wisst, an das nördliche Wengeholm grenzt und auch ich als Markgräflicher Zuchtmeister in diesem Gebiet zumindest nicht unbekannt bin schlage ich den Hundsgraber vor." Urion musste grinsen, als er seinen nächsten Gedanken formulierte: " Ausserdem ist er der Umsichtigere und nicht so ungestüm wie ich. Ihm wird sicherlich kein verächtiges Wort von den Lippen kommen. Das wohl."

Urion hatte sich gerade umgewandt, da viel es ihm ein: "Sagt Wehrmeister, wann und wie informieren wir den Prinzen und Väterchen Nirwulf? "

Erlan hörte dem Greifenfurter aufmerksam zu. "Mir scheint es ist besser, wenn sich ein Koscher hier umhört. Bei euch Greifenfurtern hört man gleich den Akzent und kennen tut mich hier garantiert niemand." So sattelte er ab und begab sich zu einer Hütte. Als er sicher war, dass die anderen von der Tür aus nicht gesehen worden waren klopfte er vorsichtig an der Tür an.

"Dieser Erlan," dachte sich Urion "ohne abzuwarten ging er einfach drauf los, hoffentlich ging das gut."

"Nun Wehrmeister, das WER wäre wohl geregelt, wünschen wir ihm Phexens Gunst. Am Besten wir verschwinden in der Kate und ruhen uns aus. ICh schlage vor bis Erlan wiederkommt können zwei schon mal ein Schläfchen riskieren, während einer Wache hält und auf Bibernell aufpasst. Wollt ihr und Aselm zuerst? Ich schaue mir derweil auch noch den Gardisten an. Dann kan auch dieser ein wenig ruhen." Urion nahm seine leine Satteltasche mit den Phiolen und Tiegeln und begab sich ins Haus, wo ihn eine wohlige Wärme umfing und ihm der Geruch eines prasselnden Feuers in die Nase stieg.

"Na ja, wenn Ihr meint, dass sich dies so lange hinzieht, Urion, will ich dem gerne nachkommen und einen Moment ausruhen“, sagte Anselm, „Ich bin mal gespannt, was nun hier in dem Weiler herauskommt. Hat jemand von Euch auf Spuren geachtet und wenn ja, gab es solche, die Euch beunruhigen?"

Thorben sah dem Sindelsaumer verdutzt nach. Eigentlich wollte er erstmal alle in der Hütte sammeln und die Leute ein wenig ruhen und sich stärken lassen. Er hatte nicht gedacht, daß gerade Erlan so voreilig handeln würde, daher war er dermaßen überrascht, daß er nur noch laut hätte rufen oder hinter Erlan herrennen müssen, beides verwarf er sofort als zu auffällig.

"Führen wir die Tiere hinter der Hütte so gut es geht außer Sicht. Eigentlich hätten wir sie außerhalb lassen sollen, wer nimmt einem Krambold und drei Handwerkern schon Pferde ab?" sagte er leicht missmutig zum Reiffenberger. "Ich glaube, hier zollen wir unser Müdigkeit tribut", fügte er hinzu.

"Den Prinzen und den Cantzler informieren wir, wenn sie hier eingetroffen sind. Bis dahin sollten wir die Lage der Burg oder ihren Namen in Erfahrung gebracht haben. Ich glaube nicht, daß wir hier schon nah genug sind, um die Hütte als Basis gegen die Burg zu verwenden. Ich glaube, daß wenn die anderen erst hier sind, die Leute hier uns gerne helfen, denn immerhin reitet der Baron von Geistmark mit uns und der ist im ganzen Wengenholm bekannt und, so wie ich es erlebt habe, beliebt."

Nachdem die Pferde leidlich versteckt und so gut es ging versorgt waren gingen Thorben und Urion ins Haus, um zu sehen, ob sich schon wer um Essen und warme Getränke gekümmert hatte.

Allerdings kam Thorben nicht dazu danach zu fragen, denn der Sekretär fesselte seine Aufmerksamkeit. Schnell schritt er hinüber und begann ihn zu durchsuchen.

Wie es schien, war er leergeräumt worden - so wie die gesamte Hütte einen leeren Eindruck machte. Die Wursthaken waren leer, ebenso der Topfhaken über dem Feuer. Den Umrissen und Schleifspuren auf dem Boden nach, standen hier vor kurzen noch mehrere Kisten und mindestens ein Fass an den Wänden. Auch im Sekretär fand Thorben nur eine zerbrochene Schreibfeder und einen Fleck aus einfachem Siegelwachs - in einer Schublade jedoch fand er, lieblos und halb zerknüllt am hinteren Ende, einen Brief. Es war offenbar ein Antwortschreiben - es trug das Zeichen der Gilde der Fuhrleute, den Fuchs auf dem Wagenrad:


"An Bibernell Liebanger, Hannos Hof, Baronie Geistmark

Werte Bibernell Liebanger,

mit Bedauern vernahmen wir von Eurem bitteren Schicksal. Genugtuung erfüllt uns einzig die Botschaft, dass die Räuberbande, die Euch dies angetan hat, mittlerweile aufgeknüpft wurde. Leider wurde jedoch Eure geraubte Habe nicht bei ihnen gefunden, so dass es ebenso verloren bleibt, wie Eure Sprache. Zu Eurem Anliegen: Wie ihr wisst sind in diesen schweren Tagen die Almosenkassen unserer Gilde nicht gut gefüllt. Zudem seid Ihr mit 33 Götterläufen noch jung an Jahren und habt selbst erst wenig in unsere Kassen einzahlen können. Dennoch hat der Gildenrat einmütig beschlossen Eure Eingabe mit einer Leibrente von monatlich 19 Silbertalern (in Worten: neunzehn) zu bedenken. Zum Zweiten des Mondes abzuholen am Gildenhaus zu Angbar. Wir bitten um Pünktlichkeit. Eure Mitgliedschaft im Kreis der Fuhrleute ist hiermit abgegolten, es wird kein Beitrag mehr erhoben.

Wir wünschen Euch, auch wenn Ihr nun andere Wege als die unseren gehen müsst, der Götter Glück, Phex voran!

Odoardo Markwardt Obmann der Gilde der Fuhrleute von Angbar"


Es dauerte einen Moment, ehe man schlurfende Schritte hörte. Ein etwas zerwühlt wirkender, grobschlächtiger Mann öffnete die Tür, er schnürte ein Stück Seil als Gürtel um seine Hose, die er offenbar gerade erst angezogen hatte. Nun glotzte er Erlan an, der im Holzfällerkostüm vor der Tür stand und brummte missmutig: "Wer bist Du, was willst Du?!"

Erlan musterte den Mann und sprach ihn dann mit dem schweren Zungenschlag eines einfachen Koschers an. "Die Zwölfe zum Gruße! Ich bin mit ein paar Freunden auf dem Weg Richtung Rondrasdank und wollte mich nur erkundigen, ob es auf dem Weg, oder in der Gegend irgendwelche Gefahren gibt. Bei uns unten in Bärenklamm hört man immer so viel über Räuber in der Gegend."

Der Mann musterte Erlan ebenfalls, kratzte sich erst den haarigen Bauch, dann den haarlosen Hinterkopf. Halb gähnend gab er schließlich in seinen Bart murmelnd zu verstehen: "Ja, ja, Räuber gibt es immer wieder mal - erst vor einem Jahr hat man die fahrende Krämerin von unserem Ort überfallen, beraubt und übel zugerichtet. Besser man verlässt seine Heimat erst gar nicht. Viel schlimmer sind aber die vielen Gespenster und rastlosen Geister in der Harschenheide. Nehmt euch nur in Acht!"