Geschichten:Uslenrieder Umstände – Silors Bande

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Irgendwo im Reichsforst, Grafschaft Waldstein, Anfang Rahja 1045 BF:

Vorsichtig schlich sich Raudan durch das Unterholz. Es hatte Zeit gebraucht, bis er sich orientieren konnte, bis er verstand, die kleinen, fast unsichtbaren Spuren zu lesen. Da stand er nun also vor einer dichten Dornenwand, die bestimmt zwei Schritt hochragte und mit messerscharfen Dornen gespickt war. Doch, er hatte einen versteckten Eingang entdeckt und zwängte sich etwas umständlich hindurch. Vor ihm eröffnete sich etwas, was wohl keiner hier erwartet hätte. Vor seinen Augen lag so etwas wie ein kleines Dorf. Kleine, windschiefe Hütten standen an Bäumen geschmiegt. Einige Behausungen waren gut mit Ästen und Blättern getarnte Baumhäuser, die miteinander durch wackelige Hängebrücken verbunden waren. Die Bewohner waren ein buntes Völkergemisch aus Menschen, Halbelfen, ein paar Zwergen und sogar dem ein oder anderen Halbork. Allen hatte sich das Schicksal tief in ihre Gesichtszüge gegraben, sie waren arm, hatten viel Leid und Ausgrenzung erfahren, waren unzufrieden. Sie hatten ihr Schicksal herausgefordert. Hier hatten sie ein neues Zuhause gefunden. Doch, was war das hier?

Auf einem kleinen Platz, der sich um ein Lagerfeuer ausbreitete, zog sich unvermittelt Nebel zusammen. Doch es war kein gewöhnlicher Nebel, denn er kroch nicht am Boden entlang, sondern waberte an einer Stelle nach oben und formte nach und nach einen Körper. Schließlich war die Verwandlung vollbracht und vor den Wartenden stand ein charismatischer Mann undefinierbaren Alters, mit schwarzen, halblangen Haaren und bleicher Haut. Als sich alle Augen auf ihn richteten, erhob er seine kehlige Stimme.

„Aussätzige, Aufwiegler, Demagogen, Verräter … die da draußen geben uns viele Namen, doch hier sind wir Freunde! Unsere letzten Beutezüge haben uns eine Menge Uslenrieder Rotbier und hochwertige Werkzeuge gebracht. Ein jeder soll nehmen, was er oder sie benötigt, doch heute wollen wir feiern!“ Jubel brach aus. Mehrere Personen trugen ein paar Fässer Bier auf den kleinen Platz. Einige zückten ihre Fiedel oder eine Flöte und begannen zu spielen.

Zufrieden blickte die Gestalt zu den Seinen, bis sein Blick auf Raudan fiel. Nur einen Augenblick später stand diese Gestalt schon vor ihm.

„Hab Dank, ohne dich hätten wir nicht so fette Beute gemacht!“

„Ich wusste, dass die Usla auf mich zukommen würde. Das mit dem Halbelfenhändler war eine Fügung des Schicksals!“

„Sehr wohl, doch lass das nächste Mal niemanden entkommen!“ Auf einmal war das so ein Funkeln in den dunklen Augen des Mannes. Raudan nickte. Er wusste selber nicht, warum er diesen Feytala hatte laufen lassen. Normalerweise nahmen sie alle mit. Die, die sich ihnen anschließen wollten, konnten bleiben. Den anderen wurde das Gedächtnis an den Überfall auf magische Weise gelöscht und sie wurden am Waldrand ausgesetzt. Auch Raudan hatte sich vor einiger Zeit Silor angeschlossen, denn als Bastard geboren, hatte er keinen Platz in der Welt dort draußen. Als er mit seiner Stiefmutter ein Bastard zeugte, jagte ihn sein Vater vom Hof.

Ja, Silors Bande raubte, überfiel, auch töteten sie, wenn es sein mussten. Aber Raudan sah in Silor einen Heilsbringer, der das Los der Armen und Unterdrückten ändern wollte – auch wenn die Wahl der Mittel nicht immer zimperlich war.