Geschichten:Uslenried lädt zum Turnier - Reaktion aus Ksl. Weidleth

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Nordmarken, Burg Weidleth, Ende Rahja 1031 BF

Langsam und zäh tröpfelte das schwarze Kerzenwachs an dem steinernem Halter hinab und bildete auf dem geschwungenen Fuß einen kleinen See, dessen Weg jedoch jäh von der erkaltenden Oberfläche gestoppt wurde. Die tanzende Flamme, in ihrer rot-gelben Pracht, vermochte das Burgzimmer nur unzureichend erhellen, so dass zuckende Schatten über die Steinwände, Ölgemälde und Wandteppiche huschten. Welfert von Mersingen ä.H., der Baron zu Aschenfeld, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die in genagelten Reiterstiefeln steckenden Füße auf dem wuchtigen Schreibtisch drapiert, sein Blick verlorenen zur Decke blickend. Die Nachricht, die ihn soeben ereilt hatte, brachte ihn ins Grübeln. Viel galt es zu beachten, wollte er sich in seinen eigenen Fallstricken verheddern, doch war die Verlockung zu groß, als dass er sie nutzlos verstreichen lassen wollte. Auch würde er nicht alleine reisen müssen. „Was sagst Du zu einem Turnier im Garetischen? Ich bin sicher es wird sich für uns lohnen. Nimmgalf versucht sich seiner ersten Gemahlin zu entledigen.“ Das wölfische Grinsen, dass sich auf Welferts Zügen schlich, bekam durch die Schattenspiele eine noch düstere, ja boshafte Note. Der Angesprochene, der schweigend im Schatten verborgen saß, schien sich seit seiner Anreise aus dem nicht fernen Trappenfurten nicht mehr rasiert zu haben. Welfert war mittlerweile sicher, dass es mindestens zwei Gesichter des jungen Manns gab. Das prunksüchtige, protzige, strahlende, oft hinter einem goldblitzenden Helmvisier verborgene, dessen Selbstgefälligkeit ihm den Boden bereiten mochte; und dann das ungehobelte, bäuerische, tobrische, mit dem der Adelige bedenkenlos einen Welpen totritt, wenn der ihm in den Weg kam. Beide Gesichter waren nach Welferts Geschmack, der Baronet ein Rohling, den man formen konnte.

Koradin Kunibald Gutbert Tsafelde-Sturmfels von Trappenfurten-Urbeltor blickte seinen Mentor mit fast fiebrigem Blick an. Welchen vernebelnden Genuss aus südlichen Gefilden der Bursche wohl zu sich genommen hatte? Welfert war es egal. Jeder hatte eine Schwäche, und wenn es im Fall des künftigen Barons verwerfliche Trünke und Tinkturen sein mochten, so war das gewiss in seinem Sinne und Welfert würde ihn gern damit versorgen. "Gemahlin zu entledigen?", echote der Gast und fuhr sich mit der Linken durch das fettige Haar. Er lachte schmutzig. "Hätte ich diesem ewigen Zweiten gar nicht zugetraut. Wenn meine Frau Mutter von ihm erzählte, schien er immer ein achso rondriotisch-praiotisch-aufrechter Garetier zu sein. Aufgeblasenes Pack..." Er spuckte aus. Kaum ein Satz schien ohne Fluch, Verhöhnung oder Gehässigkeit auszukommen, wenn Koradin mit Welfert unter vier Augen sprach. Ganz anders als in größerer Runde, wo sich der Bursche meist zurückhielt oder den Edelmann gab. "Du weißt, dass ich lieber kämpfe, wenn es um etwas geht. Wenn Blut fließt, man dem Gegner die Knochen zerschmettern, seinen Wappenschild verwüsten kann - so ein Turnier ist doch bloß ein ritualisierter Abglanz des echten Kampfs. Aber wenn ich endlich Baron bin, sollte ich viele andere Adelige kennen, sagt meine Frau Mutter. Da kann es bestimmt nicht schaden, wenn ich mich mit dir nach Uslenried aufmache. Wohlan, ich will dich begleiten."

Beherzt griff Welfert nach der Gänsefeder und ließ sie kratzend über das dünn geschabte Pergament fahren, wo sie in kurzen und knappen Sätzen sein Ansinnen offenbarte. Noch weitere Nachrichten folgten, und als der rabenmärker Heermeister die Feder zur Seite legte, graute am Horizont bereits der neue Tag. Die müden Augen zusammengekniffen, blickte er noch kurz auf das Tal des Großen Flusses, dass sich zu Füßen von Burg Weidleth erstreckte, ehe er sich aus dem Sessel stemmte und zur Türe schritt. Nach einem kurzen Ruf erschien sein Knecht Radulf, dem er mit knappen Worten auftrug die Botschaften persönlich zu überbringen. Zufrieden begab sich Welfert in sein Schlafgemach, ein paar Stunden wollte er noch ruhen, ehe er die Mersinger Ritterschaft zusammenriefe, denn das Haus Mersingen zog in die Schlacht.

Die Mittagsstunde war bereits überschritten, als Welfert in Begleitung seiner Knappenzwillinge Niam & Dajin von Gor sowie seiner Base Yolande den Burghof der Weidleth betrat. Schweigend blickte er in die illustere Schar von Vettern, Nichten und Gefolgsleuten, die sich um seinen Neffen, Merovahn von Mersingen ä.H., Baron zu Schnattermoor, gruppiert hatten, der abwartend aufsah, die Standarte des Hauses mit den drei schwarzen Pfählen auf goldenem Grund fest im Griff. Wohl an die zwanzig Personen hatten sich hier zusammengefunden, bereit den Tod unter die Feinde der Zwölfgötter zu tragen. Ein Diener trat aus dem Schatten der mächtigen Burgmauern und reichte dem Baron einen Kelch, den dieser auch sogleich in einem Zug leerte. „Wir reiten gen Uslenried!“ Waren die einzigen Worte, die Welfert entflohen, ehe er seinem Ross in die Flanken trat und aus den Toren der Höhenburg lenkte.