Geschichten:Unter einem Banner – Am Tag der Treue

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Waldsteiner Grafenhof, Gut Grafenruh, 12. Travia 1044 BF:

Es war ein fast schon pompös zu nennendes Ereignis, das sich am Tag der Treue an Waldsteiner Grafenhof zutrug. Das jüngere Haus Streitzig hatte zum Traviabunde beladen – und zwar nicht zu einem, gar zwei wurden geschlossen. Es mag einige verwundern, warum diese Feierlichkeiten nicht auf Burg Greifenklaue abgehalten wurden, der Stammburg der jüngeren Streitzigs. Wieder andere verwunderte es überhaupt nicht, denn es heiratete der Sohn von Seneschall Coswin von Streitzig, welch vortrefflicheren Ort sollte es also geben als den Grafenhof? Verstand sich der Seneschall doch als Personifikation des Hofes, böse Zungen behaupte gar, der Grafschaft selbst.

In der Großen Halle hatte sich die Festtagesgesellschaft versammelt. Auf einem Podest stand Hofkaplan Gutfried von Weißenstein, der eigentliche Herr von Grafenruh, der mit Eisen und Feuer versuchte seinen Einfluss weiter auszubauen. Der Seneschall ließ ihn gewähren, schließlich brauchte dieser den machtbewussten Kleriker.

Brin von Eulenstein stand etwas abseits und ließ seinen Blick streifen. Er liebte solcherlei Festivitäten. In der ersten Reihe stand der junge Baron Corian von Streitzig zu Uslenried. Der Sohn des verstorbenen Waldsteiner Obristen Wulf von Streitzig war in Begleitung von Rowena von Bergensteen zu den Feierlichkeiten erschienen. Ein Zeichen für eine baldige weitere Vermählung im Hause Streitzig? Dabei war die unehelich geborene Bergensteen weit unter Stand. Neben dem jungen Streitzig stand, wie stets verdrießlich dreinschauend, Baron Elgor Leomar von Hohentann zu Schwanenbruch mitsamt Gemahlin Thalessia von Nadoret, sowie Baron Hernulf-Answin von Hirschfurten zu Leihenbutt. Letzterer war ohne seine Gemahlin angereist, was bei den klatschmäuligen Höflingen Anlass für wenig Travia gefälliges Geschnatter gab. Des weiteren hatten sich weitere namhafte Adlige der Waldsteiner Traditionalisten hier eingefunden, wie Landvogt Rondred von Derrelsbach zu Tannwirk, sowie die einflussreichen Junker Irberod von Leustein, Arnulf von Weißenstein und Welf von Breitefurten.

Bemerkenswert empfand Brin, wer nicht erschienen war. So waren weder Vertreter der Familie Zweifelfels, noch der Familie Falkenwind zugegen. Das war ein Zeichen, wie tief gespalten der Waldsteiner Adel war. Die meisten sogenannten Elfenfreunde hatten mittlerweile den Grafenhof in Grafenruh verlassen und waren zum Silzer Elfenhof geflohen. Die wichtigsten und mächtigsten Hofbeamten – der Seneschall, der Kämmerer und die Landrichterin – hatten ihren Sitz im Grafenpalas der Reichsstadt Hirschfurt. So gesehen, so empfand es Brin, war Grafenruher Grafenhof nun nicht mehr als eine Scharade. Höflinge und Ritter gingen hier ein und aus und simulierten eine Art Hofleben, die es hier eigentlich nicht mehr gab. Die wirklich mächtigen der Grafschaft saßen in Hirschfurt und Silz.

Während der Eulensteiner so über den Sinn und Unsinn diese Hofes sinnierte, trat Darion von Düllerwüben an ihn heran.

"Vorzügliches Essen, meint Ihr nicht auch?"

"Wie einen?", fragte der aus seinen Gedanken gerissene etwas irritiert.

"Ihr seid für Euren exzellenten Gaumen berühmt, hoher Herr und das was der Seneschall und der Hofkaplan hier an Köstlichkeiten aufgefahren haben, sucht ihresgleichen. Bester Wein aus Perricum und Almada, Gebäck aus Gareth, die gute Waldsteiner Würzwurst und süffiges Uslenrieder Rotbier. Welch unerwarteter Luxus für den einfachen Waldsteiner Gaumen. Nur die Silzer Senfwurst kann ich nicht erblicken ... womöglich ein kulinarisches Zeichen gegen den Silzer Elfenhof?"

"Nun, der Feldzug des Senschalls in die Grafschaft Reichsforst war offenkundig sehr erfolgreich, wie es der Blätterwald tuschelt. Dabei frage ich mich, was der Streitzig wirklich damit bezwecken wollte." Brin blickte lauernde zu seinem Gegenüber. Der Düllerwüben hielt sich als nomineller Landvogt vom Lepperturm dauerhaft am Grafenhof auf und galt als excellent informiert. "Und was die Silzer Senfwurst anbelangt, so manchen ist ob der Schärfe der Apetit vergangen."

"Ja, der Seneschall ... ", Darion grinste vielsagend, "der hat wohl überall seine Finger mit im Spiel. Hörtet Ihr vom neusten Wolfsgeheul aus Uslenried? Baron Corian und seine Schwester Ailyn sollen sich wohl arg zerstritten haben. Viele Uslenriesder sähen wohl lieber sie als ihren aufbrausenden Bruder, der sein ganzes Leben in der Ferne verbracht hat, auf dem Thron ... was den Baron sicherlich missfällt. Wie es heißt soll er vorhaben seine Schwester fortzuschicken. An irgendeinen Hof, Hauptsache sie ist Waldstein fern."

"Was Ihr nicht sagt." Der Ritter von Seytfurt nickte interessiert. "Und was hat es mit dem Bergensteen-Bastard aufsich?"

"Na, was wohl, die hält dem Baron das Bett warm." Der Landvogt vom Lepperturm zwingerte mit seinem rechten Auge. "Da steckt mit Sicherheit die Mutter der Kleinen dahinter ... doch, die schöne Cassia hat sich zu früh gefreut, mehr als weitere Bastarde wird die junge Wölfin nicht werfen, denn ehelichen wird der Baron ihre Tochter nicht."

"Was Ihr nicht sagt."

"Ja ja, denn wie ich hörte soll ein Turnier der Jungritter und -maiden entscheiden, wen der junge Baron ehelicht. Rondra soll entscheiden."

"Wie originell." Brin zog eine Augenbraue hoch.

"Ah seht, die beiden Brautpaare schreiten zur Schlacht ... ehm zum Altar."

Mit großem Tamtam betraten Junivera von Eslamsgrund und Leomar von Streitzig, sowie Phexiane von Hohentann und Growin von Streitzig die Große Halle.

"Der Sohn des Seneschalls UND der gräfliche Obrist heiraten, hier in Grafenruh. Eine wahrhaft gräfliche Vermählung, findet Ihr nicht auch." Darion blickte amüsiert zum Eulensteiner.

"Wie so oft ist die Wahl der Braut das Interessante ... eine Eslamsgrund? Bemerkenswert, findet Ihr nicht auch?"

"Das jüngeren Haus Streitzig schließt seine Reihen. Da tut sich was, im Waldsteiner Blätterwald."