Geschichten:Unschuld in Nöten - Eine Ballade
12. Ingerimm 993 BF, vor der Monservaler Familiengruft
Das Schweigen war nicht Ringards Stärke, deshalb brach sie es als erste: "Das war eine schöne Zeremonie, es hätte ihm gefallen."
Jorana nickte, "Vielen Dank für die schöne Ballade, Du hast eine wundervolle Stimme und ein Ohr für düstere Melodien. Sie regen etwas in meinem Herzen an, dass ich ohne den Tod meines Liebsten wohl nicht erfahren hätte."
Die Jüngere dachte an die Warnungen ihrer Mutter zurück, als sie ihr stolz von ihrer Knappenschaft erzählte: "Sie mag nett, freundlich und lebenslustig sein, aber sie ist eine Desmerkuppe. Eines Tages wird die düstere Seite in ihr zum Vorschein kommen und ihr Handeln bestimmen." Sie hatte ihr von Flarach, Joranas Vater, erzählt, der zu jungen Jahren in der wilden Zeit der Kaiserzwillinge ein extrovertierter Lebemann sondergleichen war. Heute hält er sich im Hintergrund und den Kopf unten, selbst der Tod des Kaisers holte ihn bisher nicht zurück. Oder die Großmutter Leuhilde, die eine der ersten war, die Pervals neue Turnierordnung mit scharfen Waffen unterstützte, weil sie so die Finsternis in ihrem Inneren in die Wunden ihrer Gegner treiben konnte.
"Ich schätze Dich wirklich als meine Knappin, aber ich denke, Du solltest Dein Schwert gegen die Laute tauschen," Jorana sah die Tränen der Enttäuschung in Ringards Augen erscheinen, "nein, nein, Du verstehst mich falsch: Jede von uns hat von den Zwölfen nur ein Talent bekommen, mit dem sie Menschen für sich gewinnen kann. Meins mag die Tjoste sein, aber Deins, das erkenne ich jetzt, ist die Musik. Außerdem möchtest Du nicht Komplizin meiner Rache sein."
Ringards Enttäuschung verwandelte sich nach diesen Worten in Trotz: "Jorana, Herrin, wir haben dieses Abenteuer zusammen begonnen, da werde ich es auch mit Euch zu einem Ende bringen. Ihr wollt Rache an der Roten Löwin, aber ihr kommt nicht an sie heran, richtig?"
"Mit einer Ausnahme: Sie muss auf den großen Turnieren sein, das gebieten ihr Ruf und ihre... Ehre," das letzte Wort "Ehre" spuckte Jorana geradezu aus, "Puleth wird mangels König in diesem Jahr nicht stattfinden, das heißt, das nächste große Turnier..."
"... ist Luringen!"