Geschichten:Unruhige Zeiten - Kapitel 9

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Ende Tsa 1043 BF, Kaiserlich Randersburg, Wegkreuzung zwischen Radeberg und Ettingen

Sonnwin ging mit langen Schritten zu seinem Ross, welches etwas abseits von einer jungen Frau in Lederrüstung festgehalten wurde. Er nahm den auf dem Sattelknauf abgelegten Schaller und befestigte die Riemen mit ein paar schnellen geübten Handgriffen, bevor er schwungvoll einen Zweihänder aus der am Sattel befestigten Scheide zog. So gewappnet baute er sich in der Mitte der Kreuzung auf und wartete.

Wulfhelm übergab nun seinerseits Lanze und Zügel an Gerion und stieg ab. Während er auf Sonnwin zuschritt zog er sein Langschwert, küsste das Heft und blieb schließlich fünf Schritt vor dem Kaisermärker stehen. Der Greifenfurter schlug zweimal mit der flachen Seite des Schwertes gegen seinen Schildbuckel, um zu signalisieren, dass er bereit war.

Sonnwin wartete zwei Herzschläge und startete gleich mit einem überraschenden Ausfall. Er zog seinen Zweihänder mit Schwung von unten voll durch und hätte Wulfhelm wohl das Standbein abgetrennt, wenn dieser nicht gedankenschnell zur Seite gesprungen wäre. Der Keilholtzer war einen Moment überrascht von der Kraft und Schnelligkeit des deutlich älteren Ritters. Offensichtlich hatte sich die Last des Alters sich trotz der fast völlig ergrauten Haare noch nicht auf den Körper des Ehrenbrechters gelegt. Dieser ließ dann auch keinen Moment nach, sondern erkannte sofort seinen Vorteil. Mit schweren Hieben trieb der Kaisermärker Wulfhelm vor sich her, der wiederum kaum zu Atem kam und ein ums andere Mal gezwungen war die harten Schläge recht unelegant mit seinem Schild abzufangen. Bald flogen die ersten Holzspäne in den niedergetrampelten Schnee. Nach gut zwei Dutzend Schlägen hielt Sonnwin kurz inne, um durch zu schnaufen. Er lächelte, denn er erkannte sehr wohl, dass er deutlich im Vorteil war. Nicht nur gab ihm der Zweihänder einen Reichweitenvorteil, auch war er gut einen halben Kopf größer als der Greifenfurter, was es ihm ermöglichte seine gefährlichen Hiebe von oben herab noch effektiver einzusetzen. Der Keilholtzer hatte dagegen nur ein paar schwache ungezielte Konter setzen können, die kaum Beulen in der Plattenrüstung hinterlassen hatten.

Wulfhelm nutze die kurze Verschnaufpause, um seine Situation zu überdenken. Ein Blick auf den Schild verriet ihm, dass dieser vielleicht noch ein oder zwei der mächtigen Hiebe Sonnwins überstehen würde. Wenn er den Kampf nicht schnell beendete, würde er diesen Schutz also bald verlieren. Ohnehin war er mit seinem Kettenhemd deutlich leichter gerüstet als sein Gegner. Aber das machte ihn auch wendiger. Zudem war der Boden rutschig, an manchen Stellen war die Wagenspur unter der dünnen Schneeschicht vereist. Wenn es ihm jetzt noch irgendwie gelang den Reichweitenvorteil seines Gegners auszugleichen, könnte er den Kampf vielleicht doch gewinnen.

Bevor er den Gedanken ganz zu Ende gebracht hatte, griff der Kaisermärker wieder an. Unter dem Johlen der Söldner, die den baldigen Sieg ihres Kämpfers witterten, trieb er Wulfhelm wieder vor sich her. Dieser mühte sich den Schlägen nur noch auszuweichen oder mit dem Schwert zu parieren, um den lädierten Schild zu schonen. Plötzlich aber erkannte der Greifenfurter seine Chance. Als Sonnwin für einen besonders kraftvollen Hieb weit ausholte, machte der Keilholtzer sich extra klein und sprang geduckt und den Schild voran in den Schlag hinein. Der Einschlag war erwartet heftig und Taubheit breitete sich fast sofort im Schildarm aus. Wulfhelm hörte Holz brechen und Metall knirschen. Doch er hatte sein Ziel erreicht. Er war an Sonnwin herangekommen. Nun nutze er seinen Schwung für einen niedrig geführten Rückhandhieb gegen das Standbein seines Gegners. Wieder knirschte Metall auf Metall. Wulfhelm spürte wie unter seinem Schlag etwas nachgab und hörte den überraschten Aufschrei Sonnwins. Als er sein Schwert zurückzog, war die Klinge rot.

Der Kaisermärker humpelte ein paar Schritte zurück und stieß einen Fluch aus, als versuchte er das verwundete Bein stärker zu belasten. Wulfhelms Klinge hatte die Beinschiene seitlich gespalten und war tief in die rechte Wade eingedrungen. Wieder besah sich der Keilholtzer seinen Schild. Der obere Teil war völlig zerstört und in diesem Zustand war er ihm mehr eine Last als von Nutzen. Er löste mit den Zähnen die Riemen, mit denen der Schild an seinem Arm befestigt war. Dabei sah er, dass einige der Bruchstücke rot verfärbt waren. Offensichtlich hatte der zuvor beschädigte Schild die Kraft des letzten Schlages nicht mehr komplett auffangen können. Wulfhelm spürte den Schnitt nicht, da der Unterarm noch immer von der Wucht des Schlages betäubt war. Für den Moment war er nicht traurig darum. Der Schmerz würde später kommen.

Diesmal wartete Sonnwin auf den Angriff des Greifenfurters, der damit begann seinen Gegner langsam zu umrunden, ohne dabei in Reichweite des Zweihänders zu gelangen. Wulfhelm wusste nur zu gut um den Vorteil, den er jetzt hatte. Zwar war er nun ohne Schild, doch dank der Verletzung des Kaisermärkers und seiner eigenen erhöhten Beweglichkeit, waren seine Aussichten deutlich besser als noch zu Beginn des Kampfes. Der Keilholtzer begann schneller um seinen Gegner zu kreisen und schlug immer wieder Finten die einzig dem Zweck dienten Sonnwin zu ermüden. Dieser biss die Zähne zusammen und stöhnte doch immer wieder auf, wenn er sein verwundetes Bein belasten musste. Der Schnee um ihn herum war bald tief rot gefärbt. Schmerz, Blutverlust und Erschöpfung machten ihn allmählich mürbe und der Ehrenbrechter spürte, dass er das Spiel des Greifenfurters nicht mehr lange überstehen würde. Immer langsamer wurden die Bewegungen und die Reaktionen auf die Finten des Keilholtzers waren fast träge. Sonnwin musste alles auf eine Karte setzen. Mit einem Aufschrei stürmte er noch einmal voran, um Wulfhelm wie zu Beginn des Kampfes mit einem Ausfall zu überraschen. Allein es fehlte ihm inzwischen an der nötigen Kraft und Schnelligkeit. Der Greifenfurter ließ den Zweihänder an seinem Langschwert abgleiten und zog mit dem Gegenschlag seine Klinge kraftvoll quer über den Brustpanzer des Gegners. Zwar konnte der Hieb das Metall nicht durchdringen, doch der Kaisermärker spürte wie ihm die Luft wegblieb, als mindestens zwei Rippen unter der Wucht des Schlages nachgaben und sich nach innen in sein Fleisch bohrten. Mit einem Mal schien sich die Welt zu drehen und er spürte Blut zwischen den Lippen, das beim Atmen aus der Lunge emporquoll. Verzweifelt sah er sich nach Wulfhelm um.

Dieser stand abwartend ein paar Schritt entfernt und beobachtete jede Bewegung seines schwer verwundeten Kontrahenten genau. Würde er vor Entkräftung zusammenbrechen, oder einem waidwunden Eber gleich einen letzten gefährlichen Angriff starten. Letzteres war der Fall und Wulfhelm war darauf vorbereitet. Als Sonnwin seine schwere Klinge behäbig über den Kopf hob, um sie auf den Keilholtzer niederfahren zu lassen, stürmte dieser vor und stieß kraftvoll mit dem Schwert zu. Einen Moment schabte wieder Metall auf Metall, dann fand seine Klinge eine Lücke zwischen den Panzerplatten.

Tief drang die Spitze von unten in die linke Achsel des Kaisermärkers und nur der Schulterpanzer verhinderte, dass sie oben wieder austreten konnte. Mit einer seitlich schneidenden Bewegung zog der Greifenfurter das Schwert wieder heraus. In einem breiten hellroten Strahl ergoss sich das Blut des Ehrenbrechters in den aufgewühlten Schnee. Mit einem Ächzen ging Sonnwin in die Knie. Für einen Moment gelang es ihm sich auf seinem Schwert abzustützen. Sein Blick suchte Wulfhelm, doch ging er nur noch ins Leere. Dann verloren die Hände den Halt. Tonlos kippte der Ritter von Askheim vornüber und begrub scheppernd seine Waffe unter sich.

„Dea lo vult“, sprach die Anführerin der Spießknechte lakonisch und nickte Wulfhelm anerkennend zu. „Rondra muss heute ohne Zweifel ein Auge auf Euch geworfen haben.“ Mit einem Handzeichen ließ sie ihre Leute antreten und gab die Straße gen Firun in Richtung Ettingen frei. Die beiden Schützen hoben indes den toten Ehrenbrechter recht unzeremoniell auf und banden ihn bäuchlings auf sein Pferd, das durch den Blutgeruch plötzlich sehr nervös wurde.

Wulfhelm trat indes auf die Kutsche zu, deren Tür sich nun öffnete. Eine junge, spröde wirkende Frau stieg aus und schloss die Tür sogleich wieder hinter sich. Der Greifenfurter erkannte die Tochter des Pfalzgrafen und verbeugte sich leicht.

„Habt Dank, Ritter Wulfhelm. Meine Mutter und ich haben alles mit angehört und gesehen. Bitte nehmt unseren aufrichtigen Dank entgegen. Wir werden diesen Dienst nicht vergessen.“ Quelina von Hardt blickte sich um und entdeckte die Leiche der Kutscherin. Sie sog einmal scharf die Luft ein, als sie deren zerstörtes Gesicht sah, fand aber sofort die Fassung wieder. „Wollt Ihr mir wohl helfen? Grimwalda war eine treue Seele und verdient es nicht hier in der Wildnis zu verrotten.“

„Natürlich, Hohe Dame.“ Wulfhelm spürte plötzlich, wie die Anspannung des Kampfes von ihm abfiel und gleichzeitig der Schmerz aus seinem verwundeten Arm über ihn kam. Er biss auf die Zähne und winkte den jungen Sturmfelser heran, um Quelina zu helfen, während er selbst zu seiner Satteltasche ging und einen tiefen Zug aus dem Trinkschlauch mit dem Branntwein nahm.

Die tote Kutscherin wurde notdürftig am Kutschbock festgebunden, auf dem die junge Hardt nun Platz nahm. Offensichtlich traute sie es sich zu, die Kutsche selbst zu lenken. Gerion stieg wieder auf sein Pferd und übernahm die Vorhut, während sich Wulfhelm hinter der Kutsche einreihte.


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Autor: Keilholtz