Geschichten:Turm auf Dame - Truppenrochade

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Reichsstadt Perricum, 24. Travia 1036 BF, am Vormittag

Wallbrord von Löwenhaupt-Berg saß in seiner Amtsstube und ging die Materialbestandslisten seines Regiments durch, die ihm der Troßmeister seines Regiments wie jeden Mond hatte zukommen lassen. Offenbar waren drei Armbrüste irreparabel beschädigt worden und mußten ersetzt werden - wie schon im Monat zuvor. Während der Oberst noch überlegte, ob sorgloser Umgang oder gar Methode dahintersteckte, wurde er durch ein Klopfen an der Tür jäh aus seinen Gedanken gerissen.
"Herein!", rief Wallbrord unwirsch, worauf seine Adjutantin Elissa von Aelderklamm das Zimmer betrat, die Tür hinter sich schloß und Meldung machte. "Vat-, Herr Oberst, soeben ist eine Taube mit einer verschlüsselten Nachricht vom Arvepaß eingetroffen!" Mit diesem Worten übergab sie ihrem Kommandeur einen schmalen Streifen Papier. Nachdem dieser den Text kurz überflogen hatte, begab er sich zu einem Schrank, schloß diesen auf und entnahm einem Geheimfach ein kleines Buch, mit dessen Hilfe er die Nachricht übersetzte.
"Von Aelderklamm", begann Wallbrord mit tonloser Stimme, wobei es seiner Adjutantin so vorkam, als wäre er eine Spur blasser geworden, "sucht unverzüglich Hauptmann von Isenbrunn. Er soll sich umgehend bei mir melden. Sorgt anschließend dafür, daß wir nicht gestört werden."

Wenig später meldete sich der Aufklärungsmeister des markgräflichen Heeres bei Oberst Wallbrord. Dieser bedeutete ihm wortlos, auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen und reichte ihm dann die Nachricht. Da der Hauptmann die meisten Verschlüsselungen im Kopf hatte, war es ihm möglich, die Meldung innerhalb weniger Augenblicke zu dechiffrieren. Kaum hatte er die Bedeutung des Inhalts erfaßt, runzelte sich seine Stirn übermäßig und er fuhr sich seufzend über die stahlblauen Augen, als konnte er nicht glauben, was er eben gelesen hatte.
"Ich denke, über die Brisanz dieser Nachricht bedarf es keiner weiteren Diskussion." Noch bevor Hauptmann von Isenbrunn etwas entgegnen konnte, fuhr Wallbrord fort: "Schnelles und entschlossenes Handeln ist nun das Gebot der Stunde. Ihr werdet umgehend alles daran setzen, schnellstmöglich weitere Informationen über die Lage am Paß zu erhalten, damit wir ein klareres Bild bekommen. Das hat derzeit oberste Priorität. Geben die Götter, daß die Lage nicht so schlimm ist, wie es diese Nachricht befürchten läßt. Ich werde derweil die Regentin aufsuchen und sie in Kenntnis setzen. Solltet ihr weitere Nachrichten aus Arvepaß erhalten, so leitet diese persönlich an mich - und nur an mich - weiter. Ach ja, außer uns beiden weiß derzeit niemand im Heer über diese Angelegenheit Bescheid und ich möchte, daß dies bis auf weiteres auch so bleibt, verstanden? Die Folgen wären in jeder Hinsicht unabsehbar, spräche sich dies" der Baron zu Vellberg hielt den Papierstreifen in die Höhe, "herum."

Der Angesprochene antwortete mit einem knappen Nicken und wurde dann vom Oberst mit der Bitte entlassen, seine Adjutantin umgehend in sein Zimmer zu schicken. Kaum hatte diese sich eingefunden und die Türe geschlossen, begann ihr Vater:
"Erstens: Befehl an Hauptmann Bogrein: Sein Banner soll sich schnellstmöglich nach Angareth in Marsch setzen. Zweitens: Das 3. Banner des Eliteregiments soll nördlich der Sankta-Reshmina-Brücke Position beziehen, wo es weitere Befehle abwarten soll. Drittens: Alle in der Stadt verbleibenden Soldaten, dies gilt auch für die Offiziere, haben die nächsten beiden Nächte in den Truppenunterkünften zu verbringen. Viertens: Zur dritten Nachtstunde wird eine Alarmübung angesetzt, um zu schauen, wie lange es braucht, bis dieser Sauhaufen gefechtsbereit vor seinen Quartieren angetreten ist."
Elissa mußte sich fast schon auf die Zunge beißen, um ihren Vater nicht nach den Gründen für seine Besorgnis und die erteilten Befehle zu fragen, doch war ihr klar, daß sie von ihm außer einem Tadel keine Antwort zu erwarten hatte. "Ich werde umgehend alles Nötige veranlassen. Sonst noch etwas?"
"Ja, Leutnantin. In den nächsten ein oder zwei Stunden werde ich bei Altgräfin Rimiona Paligan im Palast anzutreffen sein. Störung dort nur, wenn unbedingt erforderlich. Und nun weggetreten!"
Kurz nachdem seine Adjutantin den Raum verlassen hatte, machte sich Wallbrord raschen Schritts auf den Weg zur Regentin, um sie noch vor ihrer Abreise nach Marschenhof aufzusuchen.