Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 57: Ungewisses Warten II

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Dramatis personae:



Baronie Gnitzenkuhl, Praios 1034 BF


...

Für eine kurze Weile schwieg auch sie, gefangen in Erinnerungen an einen sinnlosen Krieg und im Andenken an die Opfer. In die Stille hinein spürte Lyn die Tritte in ihrem Leib umso deutlicher und erneute zeigte sich ein überraschter Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie hatte das Gefühl, dass es sich irgendwie anders anfühlte als bei Caihyn, irgendwie lebhafter. Einen Arm schützend über ihren Leib gelegt bemühte sie sich, das eigenartige Gefühl zu unterdrücken und fragte Rash’ijd stattdessen. „Habt ihr eigentlich eine Familie? Jemand der für Eure sichere Rückkehr betet?“

„Ja, meine Frau Shi’Lah und meine Kinder Azi’lah und Ha’lef. Desweiteren lebt meine Schwester in Feshaven, sie ist die Gemahlin des Edlen“, entgegnete ihr Rash’ijd nicht ohne dass dabei sein Gesicht seltsame Züge annahmen, die für Lyn, hier im Halbdunkel, nur schwer zu deuten waren.

Erstaunt hob sie leicht die rechte Augenbraue an. Irgendwie konnte sie sich Al’Arik nicht als treusorgenden Gemahl vorstellen, aber sehr wohl als einen Mann der sich nahm, was er begehrte. Doch um nicht wieder in Stille zu verfallen fragte sie nach „Eure Frau und Kinder … sind sie auch in Feshaven?“

Rash’ijd nickte kurz. Dann fragte er: „Und eure Familie? Haben euch ein paar Vertraute aus Albernia hier her begleitet?“

Lyn schüttelte den Kopf „Nein, es hat mich niemand aus meiner Heimat hier her begleitet. Aber die Eskorte Ra‘ouls war auch so schon groß genug. Aber jetzt auf dem Reichskongress habe ich einige sehr gute Freunde aus der Heimat wieder gesehen.“ Sie lachte leise auf, dann wurde ihr Blick wieder ernster. „Ihr fragt nach meiner Familie? Nun, das was davon übrig ist, ist weiterhin in Albernia. Mein Vater …“ sie stockte kurz, fuhr dann aber fort „mein Vater ist der Baron von Otterntal. Ich habe nur noch einen Bruder.“ Ihre Stimme wurde ein wenig weicher als sie weitersprach „Finian. Er müsste jetzt fast sieben Götterläufe zählen.“

Rash’ijd hob eine Augenbraue, was seinem scharfen Gesicht nicht recht Stand. „Dann seid ihr Erbin dieses Ottärn’dals?“ Bei dem raulschen Wort hätte man fast meinen können seine Zunge würde sich gleich verknoten, da er sich nun wieder recht stark an das Nebachotische gewöhnt hatte. „Und habt ihr vor die euren bald noch einmal zu besuchen oder kommen sie gar einmal hierher nach Perricum?“ Dabei fragte er sich ob ihre Verwandten wohl noch riesenhafter sein würden.

Ihre Miene verzog sich ein wenig als sie antwortete und ein leicht bitterer Tonfall lag in ihrer Stimme „Ich denke nicht, dass mich meine Familie hier besuchen wird. Einige meiner treuen Freunde wohl schon eher, doch waren diese gerade erst in Perricum-Stadt beim Reichskongress. Doch ja, ich habe vor, meine Heimat bald einmal wieder zu besuchen, doch wann, das vermag ich noch nicht zu sagen.“ Als sie gerade enden wollte, fiel ihr Rash’ijds erste Frage wieder ein und ihr Gesichtsausdruck wurde recht ernst. „Um auf Eure Frage zu antworten. Nein, ich bin nicht die Erbin von Otterntal. Mein Vater sah es als passender an, wenn Finian eines Tages sein Erbe antritt. Mögen die Götter mit ihm sein und er die Hoffnungen unseres Vaters nicht enttäuschen.“

Da der Nebachote nicht das Gefühl hatte, dass seine Fragen die Baroness wirklich störten bohrte er weiter. „Und wie kam euer Vater dazu, dies zu entscheiden?“

Fast schien es, als hätte sie vergessen, mit wem sie sich gerade unterhielt als die Maske der mutigen Kriegerin ein wenig zur Seite rutschte und sie leise antwortete „Ich hoffe, er tat es, um mir den Weg frei zu machen. Um mir die Möglichkeit zu geben, zu gehen.“ Unausgesprochen blieb die Erwähnung des vorangegangenen Streits, die Wut und die Enttäuschung in den Augen ihres Vaters. „Und nun ist ihm von uns vieren nur noch Finian geblieben.“

„Vier? Sind eure anderen Geschwister gefallen?“, hinterfragte der, ob Lyns Gefühlsseligkeit, überraschte Feshavener Krieger.

Mit leicht wehmütigem Blick entgegnet sie „Ja, Cuneriel fiel auf Crumolds Au.“ Doch dann verschwand der weiche Gesichtsausdruck, ihre Züge wurden hart und ihre Hand ballte sich zur Faust als sie fortfuhr „Und Ghuno? Ja, auch er fiel. Den Göttern sei Dank! Ich habe ihn zwei Götterläufe gesucht ehe ich ihn fand und er seine gerechte Strafe erhielt!“ Aus ihren Augen sprach bei diesen Worten die eiskalte Wut und Rash’ijd konnte sich gut vorstellen, dass es nicht ratsam wäre die Baroness zur Feindin zu haben. Die Worte Crumolds Au hatte er irgendwo schonmal gehört. Aber er wusste nicht in welchem Zusammenhang. Aber das war auch nebensächlich, hatte die Baroness gerade gesagt sie hätte ihren eigenen Bruder getötet. Sichtlich verwirrt starrte Rash’ijd sie schweigend an, er wagte es nicht zu fragen.

Als sie seinen Blick auffing fügte sie mit fester Stimme erklärend hinzu „Er war dem dreizehnten verfallen und dabei nicht nur ein einfacher Anhänger. Nein, er betete ihn an und war einer seiner Diener, ausgestattet mit überderischer Macht. Wo er ging verbreitete er Unheil und Verderben. Er musste gestoppt werden, und die Götter haben es gefügt dass ich es war, die ihm in seinem letzten Kampf gegenüber stand.“

Rash’ijds Blick hellte sich auf. „Ah, dann habt ihr damit ein Werk an den Göttern getan. Ich kann mir aber trotzdem vorstellen, dass es trotzdem kein Leichtes war den eigenen Bruder nieder zu strecken, gleich wessen Diener er war.“, erklärte er um dann einem plötzlichen Gedanken zu folgen: „Meint ihr bei den Umtriebigen hier handelt es sich vielleicht auch um Diener des Bösen?“

„Nein, das war es nicht“ entgegnete Lyn auf Rash’ijds Frage. „… doch war er am Ende nicht mehr mein Bruder. Er war ein Mann ohne Namen und ohne Gesicht, hinter einer güldenen Maske verborgen.“ Dann blickte sie sich kurz um, um dann zu antworten. „Ich weiß es nicht, aber ich könnte es mir gut vorstellen. Denn ich habe auf die schmerzhafte Art gelernt, dass diese auch über mächtige Magie gebieten können. Doch bin ich bereit mich dagegen zu stellen. Egal was es ist, dass meine Heimat bedroht, ich werde es zur Strecke bringen.“ Bei diesen letzten Worten lag ein Versprechen in ihren Augen und die feste Überzeugung, diesen Worten Taten folgen zu lassen.

Dem stimmte Rash’ijd mit grimmigem Blick entschlossend nickend zu. Als beide plötzlich von einem leisen Knacken im Unterholz aus ihrem Gespräch gerissen wurden und synchron ihre Finger an ihre gespitzten Münder führten. Näherte sich dort jemand? Und war es Freund oder Feind?



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Texte der Hauptreihe:
Pra 1034 BF
Ungewisses Warten II
Ungewisses Warten I


Kapitel 62

Burg Friedburg I
Autor: Jan, Lyn