Geschichten:Trügerischer Schein - Teil 39: Harben von Meilersgrund

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Dramatis personae:


Markgräflich Perrinmarsch, Perricum-Stadt, Hafen, Praios 1034 BF


Sah die Kaschemme von außen völlig heruntergekommen und eher zum abreisen aus, so betraten die beiden Nebachoten jetzt einen palastgleichen Saal, dem einem König nicht besser stehen würde. Über und über war der Saal mit schweren Stoffen abgehängt, prunktvollen Teppichen ausgelegt und kostbaren Bildern ausstaffiert. Kunstvolle Staturen zierten den Raum und wohlduftende Gerüche lagen in der Luft, während hunderte von Kerzen für einen angenehmen Schein sorgten.

Kor’win ließ Al’arik sich erst einmal umschauen, bevor er ihm leise zuraunte. „Die Wuachen, die Du siehst, sind nicht das Probläm.“ Dann ging er zielstrebig auf ein Kissenlager am Ende des Saales zu.

„Was meint er damit wohl?“, dachte Al’Arik und schaute sich vorsichtig aber genau um. Das erste was ihm auffiel waren die Wachen im Raum, vier Stück an der Zahl, allesamt nach tulamidischer Art mit Spiegelpanzer, Kurzspeer, Schild und Säbel bewaffnet und gerüstet. Dann fielen ihm die angeketteten Frauen auf, die sich halbnackt vor einem fettleibigen Mann räkelten oder diesen mit Köstlichkeiten von der reichgedeckten Tafel bedienten, wobei ihm dabei der Saft einiger Früchte übers Kinn lief. Das musste Harben von Meilersgrund sein, so hatte Al’Arik sich den Schmugglerbaron aus Perricum nicht vorgestellt. In seiner Vorstellung war er ein stattlicher, nebachotischer Fürst des Zwielichts. Aber das was da im Halblicht der Kerzen am Ende des flachen Tisches saß passte sogar nicht zu diesem Bild. Denn Harben war weder ein Nebachote noch sonderlich stattlich. Er war ein fetter Raulscher, der zwar in prunkvolle Kleidung gewandet war, diese aber nicht recht zusammen passen wollte, dazu trug er an jedem seiner Finger mindestens einen edelsteinbesetzten Goldring, einer protziger und geschmackloser als der andere. Er war sehr stark aber schlecht geschminkt und wollte damit wohl einen tulamidischen Potentaten imitieren, was ihm aber mitnichten gelang. Dazu hatte er so einen weichen, fast verweichlichten, Gesichtsausdruck. Alles in allem hätte Al’Arik dieser Person wohl wenig mehr als Ekel und Verachtung entgegengebracht, wären da nicht diese harten, nein, schon boshaften Augen gewesen, die all dem Prunk zum Trotz sehr wachsam waren und die beiden Nebachoten auf Schritt und Tritt begleiteten.

Das erinnerte Al’Arik auch wieder an die Worte Kor’wins und sein Blick schweifte wieder zu den Frauen ab. Könnte Kor’win diese gemeint haben. Schienen sie doch wenig als offensichtliche Wachen, allerdings waren sie direkt um Harben von Meilersgrund postiert und wären die ersten die ihm Schutz bieten könnten. Und bei Rahja, in guter körperlicher Verfassung befanden sich die Frauen auch. Zudem hatte Al’Arik ja schon vorher die getarnten Wachen in den Gassen bemerkt. Warum nicht also auch hier? Andererseits waren die Frauen nicht gerüstet und Al’Arik wusste auch nicht wo diese so plötzlich Waffen herbekommen sollten um effektiv einzuschreiten.

So sah er sich noch einmal ganz genau um, ob er irgendwelche versteckten Winkel, Luken oder Hinweise auf solcherlei Dinge entdecken konnte. Bei manchen Ecken im Raum, in denen das Licht der Kerzen nicht vollends drang, war sich der Edle aus Feshaven nicht sicher, aber er vermutete schon, dass sich dort jemand in der Dunkelheit vor ungewollten beobachten geschützt aufhalten konnte. Wirklich entdecken konnte er aber niemanden. So begab er sich ebenfalls zum Kissenlager, da er nicht auffällig werden wollte, als dann die gekünstelt leiernde und jammernde Stimme des zwielichtigen Schmugglers ertönte:

„Kor’win… Kor’win. Willst Du denn nicht näher treten und einen alten Freund begrüßen?“

Der alte Nebachote kam der Aufforderung nach und ging mit weit ausholenden Schritten gerade auf den Hehler zu. Vor ihm angekommen deutete er eine kurze Verbeugung an. „Main Freundt, wir missän räden! Ich habä ge’hert duass Dir jämand Probläme beraitet!?“

„Kor’win!“ jammerte Harben noch immer gekünstelt und wuchtete seinen massigen Leib auf seine Füße, wobei er sich von seinen Sklavinnen aufhelfen lassen musste. Dann watschelte er ein paar Schritte auf den Jäger zu und begrüßte diesen überschwänglich herzlich auf nebachotischer Art, indem er beide Wangen Kor’wins küsste.

„Och Kor’win Du bist immer so schrecklich direkt und kommst so fürchterlich ohne Umschweife auf den Punkt.“ Schwerfällig ließ sich der Hehler wieder auf den Kissen zwischen seinen Sklavinnen nieder und deutete dem Jäger an ebenfalls Platz zu nehmen, nach kurzem Zögern und einem erst kritischen dann erkennenden Blick auf die Applikationen auf Al’Ariks Rüstung deutete er diesem das gleiche an. Dieser tat es dem Jäger gleich und setzte sich neben diesen auf das Kissenlager. Angespannt, auch ob der vermeintlichen Erkenntnisse des Hehlers aufgrund seiner Rüstung, verfolgte Al’Arik das weitere Geschehen gespannt und unter größter Vorsicht.

„Ja, ich habä geherrt, duass Deine Gäschäfte schluächt laufän und Dainä ‚Mitarbeiter‘ kaum Arbeit findän.“

„Ach ja, mein Freund, wie Recht Du doch hast.“ Jammerte Harben. „Schlechter erging es unsereins wohl nur unter Rohalszeiten. Aber woher weißt Du dies und was kümmert es Dich?“

Al’arik bemerkte, dass bei aller überschwenglichen zur Schaustellung von Langeweile und Ausgelassenheit beide Gesprächspartner, Harben und Kor’win, auf das Äußerste angespannt waren und sich gegenseitig belauerten. Mochten sie sich auch schon anscheinend seit langer Zeit kennen und Kor’win hier einen gewissen Ruf genießen, vertrauen taten sie sich nicht.

„Sagän wir äs so, dass jemand will, duass ich däm nachgähe!“ Antwortete Kor’win kurz, nahm sich einige der ihm dargereichten Trauben und spielte mit diesen zwischen den Fingern. „Und ich lassä mir ungärn eine Prämie entgäh’n.“

“Oh ja.“ Seufzte Harben erneut. „Das weiß ich wohl. Mattis war ein hervorragender Angestellter. Kaum einer war so gut darin an unwilligen Zahlungskunden ein Exempel zu statuieren. Ich habe ihn bis heute nicht ersetzen können.“

Kor’win zuckte daraufhin nur mit den Schultern. „Ain ä altä Sachä. Main Marben hat mich beauftruagt und Du waist wuas das heißt.“

“Ja sicher.“ Entgegnete Harben diesmal jedoch ernster. „Aber willst Du mir nicht Deinen neuen Partner vorstellen? Ich dachte immer der junge Kain sei Dein Gehilfe und nun sehe ich einen Recken aus Feshaven an Deiner Seite.“

Al’Arik hätte es wissen müssen, der Schmuggler wusste wer er war. Hoffentlich schöpfte der alte Kor’win keinen Verdacht. Zumal dieser anscheinend enger mit dem Baron war, als Al’Arik dachte, erledigte er doch, dem Gespräch nach, persönliche Aufträge für Eslam. Aber eigentlich hätte Al’Arik sich auch das denken können. Kannte er den Brendiltaler doch auch gut genug. Al’Arik wollte gerade zu einer Begrüßung ansetzen als Kor’win erneut das Wort ergriff.

„Spätär!“ Warf der alte Nebachote ein, bevor Al’arik reagieren konnte. „Kuommän wir ärst zum G’schäft! Hast Du Namän fir mich?“

Harben lehnte sich nun – offensichtlich nachdenkend – zurück, während seine Sklavinnen anfingen ihm den Nacken zu massieren. „Hm, vielleicht mein Freund, doch was hätte ich davon?“

“Wiedär Aufträge?“ Entgegnete Kor’win trocken.

„Das leuchtet mir ein. Nun gut, ich werde Dir einen Namen nennen. Mehr noch, ich beschreibe Dir sehr genau, wo Du diese Person finden kannst. Aber sei gewarnt. Selbst ich traue mich nicht an sie heran. Selbst wenn sie ohne offensichtliche Bewachung herumläuft, so ist sie tabu. Verstanden? Niemand wagt sich an sie heran. Riellek und seine Meuchlerbande hatten es wohl versucht. Am nächsten Morgen hatte man ihn aus dem Hafenbecken gefischt, zumindest glaubt man, dass die Teile von ihm stammten.“

Al’arik horchte bei den Namen auf. ‚Riellek’ war ein guter Bekannter von ihm. Der alte Schmuggler hatte oftmals in Feshaven angelegt, um diverse Ladung löschen oder aufnehmen zu können. Und es stimmte, Riellek war schon lange nicht mehr in Feshaven gewesen, Al’arik wusste nun wieso dem so war. So lauschte er gespannt ob dem was, der Hehler ihnen berichtete und nachdem dieser geendet hatte, war sich der Edle aus Feshaven zwar sicher, die beschriebene Person finden zu können, doch fragte er sich wirklich, ob man diese auch angehen konnte, wollte man nicht so enden wie Riellek….

Schließlich erhob sich Kor’win kurzerhand, nachdem er alle Informationen hatte, die er benötigte und verabschiedete sich von Harben. Als Al’arik ihm folgen wollte, richtete der Hehler sich noch einmal an ihn. „Grüßt mir den Süden mein Freund, Freunde von Kor’win sollen auch meine Freunde sein, so man sich sicherlich mal wieder treffen wird.“

Mit dem Rücken zu Kor’win ließ Al’Arik dem Hehler ein kurzes verständiges Lächeln zukommen und antwortete dann nur knapp: „Gä’wyss, ädlär Har’bän, iech wärdä mainär Hai’Math ainän woahllwolländän Grusz voan euich bä’ställän. Gä’habt euich woahll.“

Dann drehte er sich, mit versteinerter Miene, um, trat zu Kor’win hinzu und sie verließen gemeinsam mit Rash'ijd und ihren Waffen die Kaschemme.




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Texte der Hauptreihe:
Pra 1034 BF
Harben von Meilersgrund
Hafenmorast


Kapitel 44

Zum Entermesser
Autor: Jan, Eslam