Geschichten:Tag der Schande
Burg Trollhammer, Rondra 972 BF
Baron Leberolf von Hirschfurten war empört. Empört wie es auch ein Großteil des Adels war, als er den Artikel zum Tag der Schande im Garether und Märker Herold gelesen hatte. Angeblich war die Kaiserin Cella während einer Audienz mit hohen Würdenträgern auf ihrem Thron eingeschlafen, ihre Krone war herabgerutscht und durch das Auditorium gekullert. Aber das wurde noch von der Schande ihres Bruders Kaiser Bardo übertroffen, der völlig mit Honig und Federn beschmiert und ansonsten nackt auf allen Vieren in den Thronsaal hineingekrochen kam, auf seinem Rücken ritt eine seiner "Ministerinnen", die ebenfalls völlig unbekleidet war. Offensichtlich war der Kaiser völlig betrunken und unfähig irgendwelche Amtsentscheidungen zu fällen. Leberolf war fassungslos. Wie lange sollte diese würdelose Dekadenz auf dem Kaiserthron noch so weitergehen? Er wußte, dass es nun an Zeit war zu handeln.
Er rief seine Frau Egnitha von Schelentorff-Wystern zu sich, um mit ihr über die Sache zu sprechen.
"Ich habe es auch schon gelesen, Leberolf. Es ist eine Schande. Aber was sollen wir jetzt tun? Sich gegen die Kaiser aufzulehnen kann sehr gefährlich werden. Das haben schon einige versucht und sind dabei jämmerlich gescheitert."
"Da stimme ich dir zu, Egnitha. Alleine der Versuch wäre schon zum scheitern verurteilt. Wir müssen nach außen hin die Kaiser trotz all ihrer Eskapaden auch weiterhin unterstützen. Doch insgeheim werden wir versuchen, auf das richtige Pferd zu setzen."
"Und welches wäre das?"
"Sagt dir Prinz Reto von Gareth noch etwas? Er wäre der nächste in der Erbfolge, sofern die Kiaser nicht doch noch auf die Idee kommen, legitime Erben hervorzubringen, wonach es momentan aber nicht aussieht."
"So weit ich weiß, wurde der doch ins Maraskanische Exil geschickt. Wie soll der uns hier helfen?"
"Rein formal ist er immerhin der Botschafter des Mittelreiches am Maraskaner Königshof. Ich bezweifle sehr stark, dass er für immer dort im Exil bleiben wird. Schon jetzt gibt es hier und da Aufrufe, sich der Sache des Prinzen anzuschließen. Und zum Zeichen, dass wir es ernst meinen, würde ich ihm vorschlagen unseren erstgeborenen Sohn Radulf zu ihm in Knappschaft zu geben."
"Was? Aber Radulf soll doch seine Knappschaft bei Lechmin von Luring und deinem Bruder Anslieb am Reichsforster Grafenhof verbringen. Immerhin ist er doch auch Page dort."
"So soll es offiziell auch sein, ja. Trotzdem würde ich ihn - sofern seine Kaiserliche Hoheit einverstanden ist - nach Maraskan schicken, damit er dort von seiner Hoheit selbst weiter ausgebildet werden kann, um so unsere Verbundenheit unter Beweis zu stellen."
Egnitha machte ein sorgenvolles Gesicht. "Aber Maraskan ist weit weg und sehr gefährlich. Was wenn ihm dort etwas zustößt?"
Leberolf setzte sich zu ihr und nahm ihre Hand. "Egnitha, ich teile deine Sorgen. Ich kann dir aber versichern, dass er bei Prinz Reto gut aufgehoben sein wird. Ich gebe ihm Junker Helmbrecht von Rosshagen als Geleitschutz mit. Er ist ein sehr loyaler Vasall und wird Radulf mit seinem Leben beschützen. Glaube mir, Egnitha, so ist es am besten. Sollte Reto sich tatsächlich eines Tages gegen die Schandzwillinge erheben, wird das Haus Hirschfurten unverbrüchlich an seiner Seite stehen."
"Wenn du meinst..."
