Geschichten:Streitziger Pläne

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Hirschfurter Grafenpalas, Ende Praios 1044 BF:

„Der Landvogt von Tannwirk scheint sehr besorgt über die Gerüchte aus dem Forst zu sein.“ Die Stimme des alten Mannes war behäbig und leise, so dass sich der Seneschall beim zuhören anstrengen musste. „So soll auf dem Grafenpfad kurz vor Silz ein Handelszug des Handelshauses Munter einfach verschwunden sein. Auch sollen nicht wenige Jäger und Köhler im Forst verschollen sein. Derrelsbach beklagt die Untätigkeit des Silzer Landvogts und der Gräfin in dieser Angelegenheit und bittet die gräfliche Administration um Hilfe.“

„Welch Skandal“, prustet Leomar von Streitzig lautstark los, „dieser Silzer Waldschrat tanzt lieber Ringelreihen im Wald als zu handeln … .“ Die erhobene Hand seines Vaters, seines Zeichens Seneschall der Grafschaft Waldstein und somit Herr der gräflichen Administration, ließ ihn verstummen.

„Auf dem Grafenpfad, sagtest du Allensbacher?“ Die Mundwinkel des Seneschalls verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. „Das ist doch eine gräfliche Straße und dafür ist doch unser toller Wegevogt zuständig. Allensbacher, lass den Feenwasser hier antanzen!“

„Das wird nicht möglich sein!“, antwortete dieser mit gesetzter, fast entschuldigender Stimme. „Der Wegevogt weil nicht mehr am Grafenhof, er ist schon seit Monden dort absent. Wie es heißt, befindet er sich in Silz.“

„Ah, sicherlich auf dem Schoß des Elfenbalges … zusammen mit dem Silzer Waldschrat.“ Leomar fletschte die Zähne.

„Nahezu alle Kreaturen der Gräfin scheinen den Grafenhof verlassen zu haben und nach Silz geflohen zu sein“, bemerkte Allensbacher trocken.

„Das sieht diesen feigen Baumtänzern ähnlich!“ Leomar spie diese Worte mit ehrlicher Verachtung aus.

„Allensbacher, lass Derrelsbach wissen, die gräfliche Administration steht zu ihrem Wort. Wir werden eine Hand voll gräfliche Hausritter schicken – die unser Vertrauen genießen freilich. Ach, und Ehrwürden Weißenstein soll ein paar seiner Eiferer nach Tannwirk entsenden– zur moralischen Unterstützung.“ Etwas wölfisches lag in den Gesichtszügen des Seneschalls. „Ganz offensichtlich sind das Elfenbalg und ihre Waldtänzer mit etwas aus dem Forst beschäftigt, sonst würden sie nicht die Sicherheit des Elfenpfades vernachlässigen.“

„Aber was könnte das sein?“ Leomar kratzte sich nachdenklich an der Stirn.

„Hm, irgendwas scheint die Aufmerksamkeit des Silzer Elfenhofes zu binden … aber das spielt uns nur in die Hände. Allensbacher, du kannst dich nun entfernen!“

Der Angesprochene gehorchte mit einem Nicken. Gemächlich schlurfte der alternde Sekretarius aus dem Amtszimmer des Seneschalls. Göttergefällige 12 Götterläufe diente der diesen nun schon und war ihm treu ergeben. Dennoch, für das nun folgende Gespräch, zog es der Seneschall vor alleine mit seinem Sohn zu sein.

„Richten wir unseren Blick nun vom undurchsichtigen Forst hin zu den fruchtbare Auen südlich der Raller.“

„Unsere Unternehmungen in Schwarztannen sind ins stocken geraten“, stellte Leomar von Streitzig fest, als er einen Bericht über das „Kommando Rallersprung“ der verdeckten Berichterstatterin Phexiane von Hohentann überflog.

„Vor allem wurde der Lepperstein immer noch nicht gefunden, diese vermaledeiten Nichtsnutze.“ Coswin von Streitzig polterte mit seiner Faust auf den Tisch, so dass sein Sohn nach oben schrak.

„Immerhin sind das Elfenbalg und ihre Waldtänzer mit anderen Dingen beschäftigt.“ Es war ein leidlicher Versuch seinen Vater wieder aufzumuntern. „Was auch immer im Forst gerade vorgeht, es bindet unsere Gegner dort.“

„Um die Gräfin müssen wir uns nicht kümmern, sehr wohl sollte unser Blick aber über die Grafschaftsgrenzen hinaus schweifen. Die Fehde zwischen dem Schallenberger und dem irren Pfiffenstock ist erst der Anfang. Nun muss auch deren Bund mit der Kabinettshure brechen. Wir werden Falk zu seiner Schwester nach Aldenried schicken um ihr in Erinnerung zu rufen wessen Blut sie in sich trägt!“

Wulf war mit den Zweifelfelsern in der sogenannten Waldesdunklen Allianz verbunden um ein gewisses Gleichgewicht zu halten“, entgegnete Leomar. „Naja, wobei es wohl eher um den Machterhalt der großen Familien zu Lasten des störrischen Niederadels ging.“

„Die Machtverhältnisse in Waldstein sind schon lange nicht mehr im Gleichgewicht, die Waldesdunkle Allianz ist Geschichte, so wie auch Wulf!“ Die Miene des Seneschalls war versteinert. „Wir brauchen neue Verbündete und die werden wir während dieser Heerschau in Perricum finden.“

„Was glaubst du hat der Paligan vor?“ Die Stirn des jungen Streitzig zog sich in Falten.

„Das ist am Ende einerlei … vielleicht will er den Rest von Tobrien befreien? Oder mit den Märkern gegen die Orks ziehen? Wer weiß das schon.“ Coswin atmete schwer aus. „Wichtig ist, was wir daraus machen!“

„Wer soll unser Haus in Perricum vertreten?“ Neugier lag in der Stimme Leomars.

Giselbert!“

„Warum ausgerechnet er?“, empörte sich Leomar.

„Er ist der fähigste Diplomat unseres Hauses … außerdem kann er uns während seiner Abwesenheit nicht in Uslenried in die Quere kommen.“ Ein unbestimmbares Funkeln schimmerte in den Augen Cowins. „Du wirst ihn begleiten und mir Bericht erstatten!“

„Sehr wohl, Vater!“


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Als Coswin allein in seinem Amtszimmer war, schritt er zu der vertäfelten Wand und öffnete das Geheimfach. Behutsam nahm er den Kriegshelm des Grafen Olbert heraus und setzte ihn sich auf seinen Kopf. Dieses Artefakt war beinahe so alt wie die Grafschaft. Vorsichtig glitt seine Hand über die Haarbüschel der Helmzier. Es waren Menschenhaare, das konnte er spüren. Es waren die Haare der ersten Herrscherfamilie von Waldstein. Graf Olbert hatte sie abgeschlachtet um selbst an die Macht zu kommen. Die Geschichte wiederholt sich, dachte sich Coswin im Stillen und ein seltsamer, kaum zu deutender Ausdruck legte sich auf sein Gesicht.

Was der Seneschall bei aller Verzückung nicht bemerkte, war das Verschwinden einiger Dokumente, die er ebenfalls in seinem Geheimfach gelagert hatte.