Geschichten:Sternguckerin – Entscheidung

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Unweit von Erlenfall, 19. Rondra 1044 BF

„Wir haben Euch damals im Phex zugesagt, an Eurer Seite zu sein, sollte die Zeit gekommen sein“, verkündete die Rondra-Geweihte Elerea ni Rían mit fester Stimme, „Nun ist es so weit: Die Zeit ist gekommen.“

„Dann ist es wohl entschieden“, erwiderte Baron Drego ausdruckslos und bekräftigte seine Worte mit einem Nicken.

Die Geweihte schaute ihn mit festem Blick an und nickte geradezu quälend langsam. Am Morgen war sie zusammen mit der Novizin Rondriga von Schack zu uns gestoßen. Mit ihrem Auftauchen hatten die beiden für einiges an Aufregung gesorgt, denn bisher war dem Baron – ganz gleich ob Baron Drego oder Baron Raulfried – Unterstützung durch einen Geweihten der Sturmherrin oder viel eher durch einen solchen aus dem Rondra-Tempel zu Schwarztannen versagt geblieben. Für die meisten war diese Entscheidung wohl vor allem eines: falsch. Die Gründe lagen im Dunkeln. Es hatte lediglich geheißen – so viel hatte man sich zumindest in Schwarztannen darüber erzählt – dass die rechte Zeit noch nicht gekommen sei. Es war nicht das erste Mal, dass man solche kryptischen Äußerungen aus diesem Tempel vernahm, er war inzwischen bekannt dafür. Und auch wenn manche den Geweihten dort sogar Feigheit unterstellten, weil sie sich aus dem bisherigen Konflikt herausgehalten hatte, so glaubte ich doch zu wissen, dass dem nicht so war. Gewiss hatten sie einen guten Grund. Ganz sicher hatten sie einen guten Grund. Sie waren Geweihte der Herrin Rondra und wenn sie solch einem Konflikt fern blieben, dann taten sie das gewiss nicht leichten Herzens. Und von der Rían wusste ich, dass sie immer wieder von Visionen ihrer Herrin geplagt wurde. Ein jede von ihnen bezahlte sie mit ihrem Blut. Ich hatte schon das ein oder andere Mal ihre Wunden versorgt...

„Lasst uns bitte allein“, bat der Baron mit fester Stimme um einen Moment vertraulich mit der Geweihten und deren Novizin sprechen zu können. So ließ man ihn also mit den beiden alleine, auch ich machte mich davon.

Schwester Lindegard?“, erklang da plötzlich die Stimme des Barons, „Euch hätte ich auch gerne an meiner Seite.“

Etwas verwundert wandte ich mich um, schaute ihn einen Moment fragend an, nickte dann jedoch und ging die wenigen Schritt zu ihm und den Dienerinnen der Sturmherrin zurück.

Der Ritter sammelte sich einen Moment. Es fiel ihm sichtlich schwer.

„Euer Gnaden“, hob der Baron mit leicht zitternder Stimme an, „Wenn ich sterben, dann möchte ich Euch darum bitten, meinen Leichnam zu meiner Familie nach Altjachtern zu bringen. Es ist nicht so, dass...“ Er stockte einen Moment. „... dass ich nicht überzeugt bin, dass meine Freunde das für mich tun werden, aber Graf Drego braucht jeden einzelnen von ihnen und so ist es mein ausdrücklicher Wunsch, dass sie ihn im Kampf weiter unterstützen, obgleich Schwarztannen dann verloren ist.“

„So die Sturmherrin so entscheidet, will ich Euch diesen Wunsch gewähren“, erwiderte die Geweihte mit fester Stimme und noch festerem Blick, in dem so etwas wie Trauer lag. Ob ihre Herrin in einer ihrer Vision ihr den Ausgang eines möglichen Duell bereits offenbart hatte?

„Und sagt ihnen bitte...“, der Ritter schluckte sichtlich schwer, „Sagt meiner Familie... meiner werten Mutter, meinem werten Vater und meinem lieben Bruder... dass es mir sehr leid tut. Es ist... Nun, ich... ich habe den höchsten Einsatz gebracht, den man nur hier auf Dere erbringen kann, alles um jene zu schützen, die mir durch den Grafen höchst selbst anvertraut wurden, damit es nicht noch mehr Tote gibt, noch mehr Leid und ich... ich habe verloren.“

Da nickte Elerea ni Rían verstehend.

„Schwester Lindegard“, wandte er sich nun mir zu, „Euch kommt vielleicht die schwerste aller Aufgaben zu. Euch möchte ich bitten die Nachricht meines Todes meiner Liebste, der Reichsritterin Ailsa ni Rían, zu überbringen. Sie ist mein Schwert und mein Schild gegen die Waldsteiner. Erfolgreich hat sie mit ihren Begleitern verhindert, dass sie auch noch über Erlenfall nach Schwarztannen einfallen und uns so zwischen ihren Fronten aufreiben.“ Wieder machte er eine Pause. „Sagt ihr“, nun traten Tränen in seine Augen, die er sich allerdings verbot zu weinen, „dass ich sie sehr liebe. Aus der Tiefe meines Herzens. Alles was ich tat, tat ich für sie, für uns, für unsere Familie. Sagt ihr, dass es mich sehr schmerzt, sie zurücklassen zu müssen, gerade jetzt, jetzt da sie unser Kind unter ihrem Herzen trägt...“

Nun war ich es, die schwer schlucken musste. Das sie ein Kind erwartete, das hatte ich nicht gewusst.

„Es schmerzt mich sehr, es nicht aufwachsen sehen zu können“, er strich sich nun die Tränen aus den Augen, „Ich freue mich doch so sehr darauf... Ich...“ Er schluckte schwer. „Sie soll auf ihr Rittergut an die Brache zurückkehren und mich... vergessen.“ Das letzte Wort fiel ihm sichtlich schwer. „Ich wünsche ihr sehr, dass sie einen guten Mann findet, der unser Kind annimmt und es durch einen Traviabund mit ihr ehrbar macht. Mir blieb eine Ehe mit ihr verwehrt. Ich wünsche mir, dass sie eines Tages wieder glücklich sein kann. Meine letzten Gedanken werden ihr gelten. Das letzte Wort auf ihren Lippen, wird ihr Name sein...“


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19. Ron 1044 BF am Morgen
Entscheidung
Dregos Kopf


Kapitel 15

Zweifel
Autor: Orknase