Geschichten:Sternenfall – Himmelsfeuer

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Himmelsfeuer

Essental, 7. Firun 1039 BF

Das Brausen riss die Einwohner Essentals aus dem Schlaf. Nur Noix, der ohnehin nicht viel schlief und oft vor Sonnenaufgang wach wurde, war bereits angekleidet und stand in der offenen Tempelpforte, als die übrigen Bewohner des Lohentempels sich zum ihm gesellten.

»Was passiert hier?« knurrte Razzagh, der offenbar nur schnell in Hose und Stiefel geschlüpft war und sich einen Umhang übergeworfen hatte; sein Fell wärmte ihn aber auch ohne Kleidung besser als die Menschen und Zwerge.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte der Tempelvorsteher. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Seht Ihr das Himmelsfeuer? Doch es ist zu früh für das Morgenrot.«

»Das ist nicht das Morgenrot.« Jondra verschränkte die Arme vor der Brust, ihren geweihten Schmiedehammer in der Faust. »Das ist echtes Himmelsfeuer.«

»Himmelsfeuer«, knurrte Razzagh. »Feuer kommt aus dem Inneren der Welt, nicht vom Himmel.« Der orkische Geweihte schnaufte hörbar.

Derweil schwoll das Brausen weiter an, und das unheimliche Feuer am Himmel wurde heller, so als komme es näher. Die nach schien zu brennen – doch nur punktuell.

Noix hielt sich eine Hand über die Augen und versuchte das Gleißen zu durchblicken, dass sich auch vom Schnee des Tales widerspiegelte, doch bald war es so grell, dass er wegschauen musste. Das Grollen war inzwischen so laut, dass man nichts anderes mehr hören konnte.

Mit einem Donnerschlag, gleich so, als ob Ingerimm selbst mit seinem Hammer auf den Amboss schlug, verstummte das Brausen, und das Himmelsfeuer erlosch. Gleich darauf warf ein Windstoß die Geweihten zu Boden, und nur wenig Augenblicke später brach eine Flutwelle über sie hinein und schwappte durch das geöffnete Tempeltor. Zischend verdampfte das Wasser in der Esse; doch das Wasser reichte, um die Glut vollends zu verlöschen.

Entgeistert sahen die Ingerimmpriester sich an und eilten in die Halle hinein. Noix murmelte etwas in der Sprache der Zwerge; »Angrosch sei Dank« wäre wohl die treffendeste Übersetzung gewesen. Das Tempelfeuer war nicht vollends erloschen; die Talglichter entlang der Friese brannten weitestgehend noch, und auch das Feuer in der Lampe des Ingerimmaltars brannte noch.

Das Wasser rann langsam zurück; nur einige Pfützen verblieben auf dem Tempelboden. Noix wandte sich um und trat aus dem Tempel hinaus, die anderen folgten ihm.

Die Landschaft hatte sich schlagartig verändert. Wo zuvor Schnee und Eis die Wiesen bedeckt hatte, waren es nun Matsch und Schlamm zwischen den blassgrüne Halme hervorlugten.

»Heiliges Väterchen«, murmelte Noix.

»Da unten, der See!« Jondra zeigte aufgeregt hinab in die Senke. Das Eis, welches noch am Abend zuvor den See bedeckt hatte, war verschwunden – und die Wasserlinie lag um einiges tiefer, als es selbst in heißen Sommern der Fall war. Der Essensee hatte gut die Hälfte seiner Fläche verloren; statt des Wasser war nur noch schlammiger Seegrund zu sehen.

Ungefähr in der Seemitte dampfte es, feiner Nebel waberte über die Wasseroberfläche dahin. Vorsichtig näherten sich die Geweihten dem Phänomen, wateten dabei bald durch den Uferschlamm. Überall lagen tote Fische im Schlamm, und auch im Wasser dümpelten tote Fischleiber umher.

Razzagh bückte sich und hob einen der Fische auf. Er roch daran, dann zog er dem toten Tier mit einem Ruck die Haut ab.

»Die Fische sind gekocht. Wir können sie einfach einsammeln und essen.« Razzagh dachte wie so oft pragmatisch; manche bezeichneten es als Teil seiner orkischen Natur.

»Später«, erwiderte Noix und drängte sie vorwärts. Also gingen sie weiter; Razzagh grunzte etwas in der Sprache seines Volkes, puhlte etwas von dem Fisch ab und steckte es in den Mund. »Könnte etwas besser gewürzt sein.« Jondra verdrehte die Augen, sagte aber nichts.

Bald waren sie nahe genug herangekommen, um durch den Nebel sehen zu können; zudem befanden sie sich nun an der Wasserlinie. Jesko hockte sich hin, hielt eine Hand in das Wasser und zog sie sogleich zurück. »Ganz schön heiß.«

Aus dem Wasser ragte ein unförmiger Felsbrocken hervor. »Ein Himmelsfels«, sagte Noix beinahe andächtig. »Er hat das Wasser verdrängt und erhitzt, wie es scheint.«

Die anderen Geweihten nickten zustimmend. »Wir sollten ihn bergen.« Jesko sprach aus, was auch Noix schon in Erwägung gezogen hatte.

Der Tempelvorsteher nickte. »Wir warten, bis das Wasser sich abgekühlt hat. Aber dann muss es flott gehen, bevor der See wieder vollläuft.« Er spielte darauf an, dass der See nur einen Zufluss, aber keinen Ablauf hatte; das Wasser lief unterirdisch ab.

»Dann machen wir es so«, sagte Razzagh schmatzend und warf die Gräten des Fisches in den Schlamm. »Und was ist mit den Fischen?«



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7. Fir 1039 BF zur morgendlichen Hesindestunde
Himmelsfeuer
Das heilige Schwert


Kapitel 4

Der Fischzug
Autor: CD