Geschichten:Spenden für die Ostmarken – Tag der Erneuerung

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Jagdgut Auenhain, Kaiserlich Gerbaldsmark, 30. Tsa 1040 BF:

Im Rittersaal war alles für dieses Treffen hergerichtet worden. Diener liefen emsig umher, die neue Gutsverwalterin Halva Langwasser gab lautstark Anweisungen von sich. Sibella Eorcaïdos von Aimar-Gor war innerlich doch etwas nervös, ein Gefühl, das die selbstsichere junge Edle eigentlich nicht kannte. Doch unterschied sich ihre Aufgabe als Gastgeberin dieses besonderen Treffens deutlich von ihrer eigentlichen Rolle am Hof in Gerbaldsaue. So war sie auch für ihre Verhältnisse ungewöhnlich hochgeschlossen und sehr „garetisch“ gekleidet. Einzig ihr Haarschmuck und ihre ausladenden Ohrringe zeugten von der exotischen Schönheit die sie sonst am Hofe mimte. Doch ihre heutige Aufgabe war eine andere und sie wollte ihren Bruder nicht enttäuschen.

Huldvoll begrüßte die Edle von Auenhain die ankommenden Gäste. Unter ihnen die drei Äbte der Gerbaldsmark, Adran von Feenwasser vom Hesinde-Kloster St. Ancilla, Eboreus Drillinger vom Peraine-Kloster Ridhausen und Gerlinde Barmbüchen vom Travia-Kloster Sankt Bulwarth. Darüber hinaus versammelten sich noch ein weiteres Dutzend Tempelvorsteher und Prälaten in dem Rittersaal, darunter Niam vom Orden des Heiligen Golgari und ihres Zeichens Landmeisterin vom Heldenfriedhof; Zelda Wertimol, Hochgeweihte des Aves zu Grambusch; Lechmund Stanzkleid, Hofkaplan des Praios auf Schloss Sonnentor; sowie die Hesinde-Geweihten Bander Linderhold, Präfekt der Klosterlande St. Ancilla und Linai Josmine von Feenwasser, Hofkaplanin am Gerbaldsmärker Hof.

Die Stühle waren in einem Kreis aufgebaut. Das sollte eine gewisse Einheit symbolisieren. Die weit es mit der Einheit der Kirchenprälaten war, würde sich nun zeigen. Mit fester Stimme erhob Sibella das Wort.

„Wie Ihr alle wisst, ist es meinem Bruder, dem Reichsvogt an unserer aller Kaiserin statt, ein persönliches Anliegen die verderbten Lande im Osten zu heilen und die verloren Seelen wieder in den Schoß der Zwölfgöttlichen Kirchen zurückzuführen. Unermüdlich und mit festen Glauben an die gute Sache ziehen unsere Almosensammler durch die großgaretischen Lande, um unseren hehren Ziel gerecht zu werden und unseren Brüder und Schwestern in den Ostmarken unsere ehrliche Mildtätigkeit und tiefe Freundschaft zu bekunden.“

Die anwesenden Geweihten nickten zustimmend.

„Wir haben unserer Versprechen erfüllt, der ehrenwerte Adel großgaretischen Geblüts hat seine Schatullen und Speicher großzügig geöffnet. Doch mag dies nicht alleine die Wunden heilen, die die Niederhöllen auf Deres Antlitz gerissen haben. Es bedarf der göttlichen Führung um aus den verloren Seelen wieder treue Bürger des Reiches zu machen. Darum sind wir heute, am Tag der Erneuerung, hier versammelt. Ich rufe Euch auf, schickt Eure geweihten Mündel in die Ostmarken um das Land und seine Diener zu heilen.“

Bander Linderhold war durchaus überrascht. Die junge Aimar-Gor hatte er so nicht eingeschätzt. Sie wirkte so abgeklärt und staatstragend. Das war vollkommen das entgegengesetzte Bild, wie es sie am Hofe wahrgenommen hatte. Linai lächelte Bander triumphierend an. Sie hatte ihm immer wieder gesagt, mit der jungen Pericumerin müsste man rechnen, doch hatte er dies nie wirklich ernst genommen.

„Der Adel hat seine Mildtätigkeit im Namen der gütigen Peraine gezeigt,“ der Abt von Ridhausen lächelte väterlich, „ich kann Euch versichern, auch wir werden unser Möglichstes tun, um die verlorenen Seelen wieder in den Schoß der Zwölfkirchen zu geleiten.“

„Papaplapap.“ Die schrille Stimme der Abtissin von Sankt Bulwarth durchschnitt förmlich den Raum. „Ihr hohen Adligen sonnt euch in eurer auch so großherzigen Mildtätigkeit und wagt dabei noch den Namen der Götter zu führen. Ihr solltet euch schämen! Wo ist denn eure Sammlerei für Tobrien? Warum nur den Ostmarken helfen und nicht allen Hilfebedürftigen im Reich?“

Sibella wollte was antworten, doch schnitt ihr die Abtissin sogleich das Wort ab.

„Ich kann euch sagen warum, weil Tobrien sich nicht dem erpresserischem Diktat der ach so feinen garetischen Herren gebeugt hat. Diese verkommene, dekadente Sippschaft, für die nur Machterhalt und Machterweiterung zählt, nutzt das größte Unglück Tausender für ihre dreckigen politischen Manöver. Ihr wollt was Gutes tun vor den Augen der Götter? So tut Buße für euren götterlästerlichen Lebenswandel und kehrt auf den Pfad der gütigen Travia zurück!“

„Ehrwürden, Eure Ansichten zur Obrigkeit sind allseits bekannt.“ Auch der Präfekt von St. Ancilla fühlte sich angegriffen, galt sein Lebenswandel doch auch nicht als Travia gefällig. „Doch ist es wenig zielführend die mildtätige Hand der Gebenden persönlich zu attackieren, denn dies hilft den verlorenen Seelen nicht, egal in welcher Ecke des Reiches!“

„Wie könnt Ihr er wagen, einen der schönen Göttin gefälligen Lebensstil zu verurteilen, Ehrwürden Barmbüchen?“, echauffierte sich die ansonsten sonderbar abwesend wirkende Rahja-Geweihte Aldura von Gryffingk, „Die Zwölfe sind vielfältig und nicht alle sich solch zugeknöpfte Gänse und näselnde Ganter wie in Sankt Bulwarth.“

Die Schützenhilfe von Seiten der Gryffingk kam für Sibella durchaus unerwartet – nicht wegen der Sache, eher wegen ihrer Person. Die Gryffingk war die Gespielin von Retos verbannter Gemahlin.

„Unnützes Geschwafel!“ Leupurga von Stechling hatte bereits einen hochroten Kopf. „Die Leunin und ihre Kirche hatten den Löwinnenanteil an der Befreiung der Schwarzen Landen, trotz aller Widrigkeiten. Allein das zählt!“

„In Beilunk hat einzig das Wunder des Götterfürsten die Stadt vor der Verdammnis bewahrt, daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen!“, polterte Lechmund Stanzkleid, dessen tiefgrüne Augen kämpferisch aufflackerten.

„Die Allwissende auferlegt ihren Dienern kein moralisches Diktat, sondern verlangt einzig und allein den Gebrauch des eigene Verstandes. Der Adel ist unvollkommen, da gebe ich Euch recht, Ehrwürden Barmbüchen, doch ist es nicht an eurer Kirche, einen Verhaltenskodex für die Herrschenden aufzustellen. Es ist die Weisheit der Allwissenden, die jeden Herrscher führen sollte, verbunden mit Praios Gerechtigkeit und Rondras Mut.“ Der Abt von St. Ancilla blickte ernst in die Gesichter der Anwesenden.

„Liebe Brüder und Schwestern, ich bitte Euch!“ Die Augen des Abtes von Ridhausen blickten unruhig in die Runde. „Wir sind hier um Frieden zu stiften und nicht um weiteren Unfrieden zu sähen.“

Doch die Worte des Abtes verhallten ungehört und so entbrannte eine lebhafte Diskussion über das vermeintlich verdorbene Wesen des Adels, die Wichtigkeit der einzelnen Kirchen bei der Bekämpfung der Schwarzen Landen, sowie der moralischen Führung des Adels – ein jeder Prälat war natürlich der Meinung, dass es seine Kirche wäre – und was für Lehren die hohen Herrschaften nun daraus ziehen sollten. Einzig die Landmeisterin vom Heldenfriedhof begleitetet den leidenschaftlich geführten Disput mit Boron gefälligen Schweigen.

Sibella sah dem Treiben entsetzt zu. Sie hatte versagt. Was würde ihr Bruder nun von ihr denken? Zwar war herauszuhören, dass im besonderen die Klöster bereit waren, Geweihte in den Osten zu schicken, doch taten sich nun auch offen austragende Konflikte zwischen den Klerikern auf. Soviel Uneinigkeit unter dem Klerus und das in so unsteten Zeiten.

Doch dann kam ihr ein Gedanke, was, wenn es genau das war, was Reto erreichen wollte?



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Texte der Hauptreihe:
K41. Geißel
K50. Im Loch
K64. 2 Selos
30. Tsa 1040 BF
Tag der Erneuerung
2 Selos


Kapitel 65

Im Vorhof der Hölle
Autor: Bega