Geschichten:Sonnenstand – Am Grafenhof III

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Räumlichkeiten der Medica Sulibeth saba Rhayada, Burg Reinherz, zweite Hälfte des Jahres 1044 BF:

Als die Gruppe den Vorraum der Stube der Medica betrat, kam ihnen ein Schwall exotischer Gerüche entgegen. Manch Duftnote war sinnlich, manch gar betörend, andere eher beruhigend. Wie es schien, bewahrte Sulibeth hier ihre Kräutermischungen auf. An der Wand und an Seilen mitten im Raum hangen Kräuterbüschel zum trocknen, in Regalen standen unzählige Behälter in verschiedensten Größen mit Salben und Tinkturen. "Folgt mir", hauchte die Tulamidin und führte ihre Gäste in das eigentliche Gemach der Medica.

Damian fühlte sich wie in Tausend und einen Rausch. Große, weiche Kissenlandschaften luden zum verweilen ein. An der Wand hingen tulamidische Teppiche. Auf einem kleinen Tischchen vor einem Divan stand eine kunstvoll gefertigte Wasserpfeife. Sulibeth deutete auf die Kissen und während sich die Anwesenden setzten, bereitete sie die Wasserpfeife vor. Genussvoll nahm die Medica den ersten Zug, gefolgt vom Narrenpärchen Wolkenbolt und Feuerborn. Dann waren die Monvaldorner an der Reihe.

Zanira war angetan, es war fast wie zu Hause, nur noch bunter, noch geschmeidiger und berauschender, den Südtulamiden gingen die harten Kanten der nebachotischen Kultur ab, die ohnehin verwässert war. Hier fühlte sie sich wohl und frei. Und vor allem war sie positiv überrascht. War es etwa doch nicht ganz so “schlimm” um den Grafen bestellt, wie sie zu erst dachte, wenn er doch so etwas zuließ? Auf der anderen Seite war man doch recht schnell hierhin “geflüchtet”, um nicht zu viel Aufsehen zu erregen. Jedenfalls ließ sich die frische Junkerin, gekleidet in einer Mischung aus perricumer und eslamgrunder-almadaner Mode, in die üppigen Kissen fallen und griff sich wie selbstverständlich die Wasserpfeife, die ihnen angeboten worden war. Gekonnt zog sie daran und bildete kleine Wolkengebilde beim ausatmen. Dann erst fasste sie die “Narren” und vor allem Sulibeth ins Auge und sprach in nicht gänzlich Akzent freiem Garethi: “Sulibeth, ärhabenes Mädchen, ich danke Euch fur die Ainladung in Euer Reich, das mir wahr’lich der Rägenbogen scheint, über dän wir sprachen. Ain Hort där tulamidischen Vielfalt und raiche Enklave, in zwaierlei Hinsicht. Viellaicht, wollt Ihr uns waitgereisten und verblüfften schildern wie diesär Kontrast in Rainhärz einhielt?” Dann bog sie den Schlauch sanft zu einer einfachen Schlaufe und reichte ihn so weiter an die Vairningen.

Diese hatte sich ebenfalls auf einem Kissen niedergelassen. Wobei ihr durchaus anzumerken war, dass sie sich mit dem Kissen etwas schwer tat. Eventuell mochte es daran liegen, dass sie sich mit der niedrigen Sitzgelegenheit schwer tat oder schlicht daran das sie bereits mehr als fünfzig Götterläufe zählte. Allen möglichen Hindernissen zum Trotz gelang es ihr dennoch eine angemessene und zugleich bequeme Sitzposition zu finden. Während sie anfänglich noch die ihr fremdartige Umgebung musterte, ließ sie Zanira bereitwillig den Vortritt. In der Tat hatte das südländische seinen Reiz. Sie waren förmlich in eine fremde Welt eingetaucht, kaum vorstellbar was manch Burg im Reich Wohnlichkeit gewinnen würde. Wenn zugige Kälte und Härte durch die hier ausgestrahlte Gemütlichkeit vertrieben wäre. Mit einem leichten, dankenden Nicken nahm Brinburga die Wasserpfeife entgegen. Bewusst ließ sie sich Zeit. Dafür sich die Pfeife anzusehen, aber auch die Gerüche des Raumes in sich aufnehmend. Bis sie die Schlaufe wieder öffnete und einen flachen Atemzug nahm. Einen Augenblick hielt sie inne, fühlte in sich hinein, spürte ihrem Odem nach. Mit einem sanften Lächeln, folgte sie anschließend dem Vorbild der Pfiffenstock. Machte ebenfalls eine Schlaufe in den Schlauch und reichte die Pfeife an den Malagant weiter, der diese naserümpfend dankend ablehnte und an die Tulamidin weiterreicht.

"Die gleißende, alles versengende Sonne reicht noch nicht bis in den letzten Winkel dieser stolzen Burg. Meine Fertigkeiten werden hoch geschätzt … noch. Ich war es, die die Thronfolgerin auf Dere brachte. Doch, der Geist des Grafen hat sich verändert, er sieht die Welt um sich herum nur noch in einem nebulösen Schleier. Sein Ziel ist die Reinwaschung von allem Übel, damit er und die seinen am Tag der gleißenden, alles vernichtenden Sonne ins göttliche Licht treten können."

"Mit Verlaub", Damian räusperte sich, "welcher Glaubensrichtung der Praios-Kirche folgt der Graf? Diese Ansichten scheinen mir doch arg … radikal."

"Der selige Hofkaplan verfolgte eine weltliche Kirchenpolitik, doch nach seinem Tod wuchs der Einfluss anderer Kräfte. Die der sogenannten Gerfanianer … oder auch Wandleter Apokalyptiker."

Zanira stutzte, diese Gerfanianer waren ihr kein Begriff. Sie kannte zwar andere radikale, meist raulsch geprägte Ausrichtungen der Kirche des Sonnengottes, doch diese sagten ihr nichts.

Die Vairningen überlegte einen Moment, konnte diese Strömung jedoch nicht zuordnen. “Der Name verheißt wenig gutes, doch verzeiht das mir diese Strömung nichts sagt. Könntet Ihr uns eventuell etwas erleuchten?”

"Nun", begann die Tulamidin zögernd, "sie predigen den nahen Weltuntergang und nur diejenigen, die vor dem Richtspruch Praios bestehen können, werden errettet."

Unwillkürlich schüttelte die Pfiffenstockerin leicht mit dem Kopf, sie sah in Glauben und Mystik Abenteuer und Hoffnung, einen Untergangskult konnte sie nicht verstehen – auch wenn oder gerade weil nicht wenige ihrer nebachotischen Landsleute immer noch diesem seltsam veralteten “Schande vor Rondra”-Sitte anhingen.

Auch Damian von Malagant verzog das Gesicht. Für solcherlei Fömmlertum hatte er kein Verständnis. "Aber … wenn der Graf den baldigen Untergang erwartet und sich …. nunja … darauf vorzubereiten scheint. Was genau hat das für Eslamsgrund zu bedeuten?"

Nun war es Wolkenbolt, der seine Stimme erhob. "Das ist die Frage um die sich alles dreht. Wir", er deute zu seiner Partnerin Feuerborn, "waren nicht nur all die Götterläufe die Hofnarren … nein, wir wurden von der seligen Gräfin Efferdane, der Mutter des jetzigen Grafen, beauftragt über Siegeshart zu wachen. Das haben wir geschworen. Doch, er hört unsere Stimme nicht mehr. Er hört nur doch auf die Stimme dieser Praiota."

"Eslamsgrund ist wie ein Fass Hylailer Feuer … es braucht nicht mehr viel", ergänzte Feuerborn.

"Was können wir tun?", fragte Damian in die Runde.

"Berichtet der Krone von den Zuständen hier. Sie muss eingreifen."

Die Vairningen nickte. Es war das eine wenn der Graf den nahen Untergang sah. Doch war es etwas anderes, wenn er sich lediglich um sich selbst und nicht um das ihm anvertraute Volk kümmerte. “Das werden wir” versicherte sie deshalb auch bereitwillig. “Ich hoffe nur inständig, dass die Krone reagiert eh ein Funke das Fass entfacht!”

"Wir sollten noch ein wenig hier verweilen … uns unter die Höflinge mischen und unsere Beobachtungen aufschreiben.." Damian blickte in die Runde. "Dann werden wir Kronvögtin Calderina unsere Beobachtungen übergeben."

In seltsamer Eintracht mit den anderen nickte auch Zanira. Denn auch ihr war es nicht geheuer eine Fackel so unmittelbar am Ölfass zu wissen, zumal dieses Ölfass auch ihr neu gewonnene Heimat beinhaltete.